Das Bundesverwaltungsgericht geht einen ganz neuen Weg. Copyright by Adobe Stock/Song_about_summer
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Der Fall selbst ist schnell erklärt. In Bautzen schlossen Personalrat und Oberbürgermeister eine Dienstvereinbarungen ab. Darin ging es um ein leistungsorientiertes Entgelt für Tarifbeschäftigte. Die Dienstvereinbarungen legte ein einheitliches Punktesystem in drei Bewertungsstufen fest. Über die Umsetzung der Dienstvereinbarungen gab es Streit.

Die Personalverwaltung des Dienstherrn verweigerte sich, die Leistungszulage vollständig zu zahlen. Später schloss sie mit vielen Beschäftigten individuelle Vergleiche über die Leistungsentgelte ab. Die einzelnen Zahlungen fielen jedoch niedriger aus als die Dienstvereinbarungen vorgab.

Der Personalrat beantragte, dem Dienstherrn aufzugeben, die Leistungsprämie gemäß der Dienstvereinbarung zu berechnen

Der Personalrat beschritt daraufhin den Weg zum Verwaltungsgericht. Im Verfahren beantragte er, dem Dienstherrn aufzugeben, die Leistungsprämie gemäß der Dienstvereinbarung zu berechnen.

Für den Fall, dass diesem Antrag nicht stattgegeben werden sollte, beantragte der Personalrat festzustellen, dass der Dienstherr dazu verpflichtet sei, die Prämie entsprechend der Dienstvereinbarung zu berechnen bzw. zumindest festzustellen, dass das Vorgehen des Dienstherrn gegen die Dienstvereinbarungen verstoßen hatte.

Die Hilfsanträge entsprachen den Vorgaben der bisherigen Rechtsprechung

Diese Hilfsanträge entsprachen den Vorgaben, die die Rechtsprechung bislang gemacht hatte. Personalräte konnten in gerichtlichen Verfahren allenfalls feststellen lassen, dass der Dienstherr gegen eine Verpflichtung aus einer Dienstvereinbarungen verstoßen hatte. Aktive Gestaltungsmöglichkeiten gab es nicht.

Mit dem Hauptantrag im Verfahren, den Dienstherrn zur Berechnung entsprechend der Dienstvereinbarungen aufzufordern, beschritt der klagende Personalrat rechtliches Neuland.

Der Personalrat kann vor Gericht durchsetzen, dass der Dienstherr eine Dienstvereinbarung durchführen muss

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bestätigte nun erstmals einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf ordnungsgemäße Durchführung von Dienstvereinbarungen.

Dieses Urteil bezog sich auf personalvertretungsrechtliche Vorschriften aus Sachsen. Bundesweit gibt es jedoch ähnliche Bestimmungen. Deshalb entfaltet die Entscheidung auch für andere Personalvertretungsgesetze Wirkung.

Bislang galten die Rechte von Personalräten mit Feststellungsklagen als ausreichend geschützt

Bislang hatte das BVerwG die Auffassung vertreten, die Rechte von Personalräten seien ausreichend geschützt, wenn in einem Gerichtsverfahren festgestellt würde, dass der Dienstherr seine Pflichten aus einer Dienstvereinbarungen nicht ordnungsgemäß erfüllt habe. Einen Antrag, den Dienstherrn zu verpflichten, eine Dienstvereinbarungen durchzuführen, hielt das Gericht nicht für erforderlich.

Begründet wurde dies damit, der Dienstherr müsse sich an eine gerichtliche Entscheidung halten. Tue er das nicht, bliebe den Betroffenen die Möglichkeit, eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu erheben.

Die Vorschriften des sächsischen Personalvertretungsgesetz entsprechen denjenigen des Bundespersonalvertretungsgesetze.

§ 86 Abs. 1 SächsPersVG entspreche im wesentlich § 74 Abs. 1 BPersVG, so das BVerwG. Danach führe die Dienststelle Entscheidungen durch, an denen der Personalrat beteiligt war. Etwas anderes gelte nur dann, wenn das im Einzelfall ausdrücklich vereinbart sei. Zu den Entscheidungen, die der Dienstherr durchführe, gehöre auch eine Dienstvereinbarung.

Der Dienstherr habe damit die Pflicht, eine Dienstvereinbarung durchzuführen. Das Gesetz räume aber nicht ein, dass die Personalräte das auch ausdrücklich vom Dienstherrn verlangen könnten.

Aus der Zustimmung der Personalvertretung folge keine Pflicht des Dienststellenleiters, eine Maßnahme durchzuführen

Aus der Zustimmung der Personalvertretung zu einer mitbestimmungspflichtigen Maßnahme folge keine Pflicht des Dienststellenleiters, die Maßnahme auch tatsächlich durchzuführen.

Anders sei es jedoch, wenn Personalrat und Dienststellenleiter rechtsverbindlich vereinbart hätten, eine Maßnahme umzusetzen oder wenn sich der Dienstellenleiter dazu selbst verpflichtet habe.
Das gelte bei Dienstvereinbarungen dann, wenn diese eine solche Selbstverpflichtung des Dienstherrn enthielten.

Dienstvereinbarungen schaffen dienststelleninternes Recht

Das Gesetz regele hierfür, dass Dienstvereinbarungen durch Dienststelle und Personalrat „gemeinsam beschlossen“ würden. Dienstvereinbarungen schafften damit dienststelleninternes Recht.

Für die Beschäftigten würden sie unmittelbar gelten. Der Dienstherr müsse sie alle nach den vereinbarten Vorschriften behandeln.

Die Dienstvereinbarung stelle wie eine Betriebsvereinbarung einen Normenvertrag dar

Ebenso wie eine Betriebsvereinbarung Stelle eine Dienstvereinbarung damit einen sogenannten Normenvertrag dar. Obwohl sie geltendes Recht für die Beschäftigten schaffe, bleibe sie jedoch ein Vertrag zwischen zwei Vertragspartnern, nämlich dem Personalrat und dem Dienstherrn. Sie bleibe eine verbindliche vertragliche Regelung für beide.

Jeder Vertragspartner habe eine verbindliche Erklärung abgegeben, die auch einzuhalten sei. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz der Vertragstreue. Das Prinzip der Vertragstreue gelte nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im gesamten öffentlichen Recht.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Nähe zwischen Personalvertretungs- und Betriebsverfassungsgesetz

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich eine Nähe zwischen Personalvertretungsgesetz und Betriebsverfassungsgesetz. Im Betriebsverfassungsgesetz sei geregelt, dass Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vom Arbeitgeber durchgeführt würden.

Das Bundesarbeitsgericht entscheide hierzu regelmäßig, darunter sei zu verstehen, dass dem Betriebsrat grundsätzlich ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Durchführung einer abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zustehe. Diese Rechtslage spreche dafür, dies im Hinblick auf ähnliche Regelungen des Personalvertretungsrechts nichts anderes gelten dürfe.

Für das Recht auf Durchführung einer Dienstvereinbarung spreche, dass diese „gemeinsam“ beschlossen würden

Für das Recht der Personalvertretung auf Durchführung von Dienstvereinbarungen spreche auch die gesetzliche Regelung, wonach Dienstvereinbarungen „durch Dienststelle und Personalrat gemeinsam“ zu beschließen seien. Damit werde zwischen beiden eine rechtsverbindliche Norm geschaffen. Diese basiere auf der Annahme, dass sich die Vertragspartner auch hieran binden wollten und eine Verpflichtung zur Einhaltung erklärten.

Diese Zwecksetzung würde beeinträchtigt, wenn es von vorneherein keine Pflicht der Dienststellenleitung gebe, Dienstvereinbarungen durchzuführen und die Personalvertretung diese Pflicht auch nicht einfordern könnte.

Dienstvereinbarungen regeln viele Einzelfälle

Dienstvereinbarungen schafften außerdem Regelungen für viele Einzelfälle. Die Personalräte müssten dadurch nicht mehr in jedem einzelnen Fall beteiligt werden.

Werde eine Dienstvereinbarung innerhalb der Mitbestimmungstatbestände abgeschlossen, so stelle sich dies damit auch als vorweggenommene Mitbestimmung dar. Für alle abgedeckten Fälle sei das Mitbestimmungsrecht abgegolten.

Die Möglichkeit, die Einhaltung von Dienstvereinbarungen gerichtlich durchzusetzen, kompensiert den „Verbrauch“ von Mitbestimmungsrechten

Erhalte die Personalvertretung die Möglichkeit zu verlangen, dass Dienstvereinbarungen auch eingehalten werden und dies auch gerichtlich durchzusetzen, kompensiere das den „Verbrauch“ von Mitbestimmungsrechten.

Der Personalrat sei allerdings nicht befugt, die Rechte einzelner Beschäftigter durchzusetzen. Er könne nur eigene Rechte geltend machen. Das habe er bezogen auf die Dienstvereinbarung über das Leistungsentgelt gemacht und könne nun fordern, dass der Dienstherr diese Dienstvereinbarung entsprechend der Abrede durchführe.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht sind in ihrer Systematik völlig unterschiedlich. Bislang galt das im Wesentlichen auch für Betriebsverfassungsrecht und Personalvertretungsrecht. Konnten Betriebsräte schon lange die Durchführung ihrer Betriebsvereinbarungen gerichtlich verlangen, so galt das für Personalräte nicht.

Mit dieser Entscheidung stellt das BVerwG klar, dass das Recht der Personalvertretung durchaus mit den Rechten nach dem BetrVG verglichen werden kann. Beide Rechtssysteme werden miteinander verglichen. Die Rechtslage im Betriebsverfassungsgesetz spricht aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nach umfangreichen systematischen Erwägungen dafür, dass die Rechtslage für Personalräte bezogen auf abgeschlossene Vereinbarungen nicht anders sein kann als diejenige für Betriebsräte.

Die Entscheidung ist ausdrücklich zu begrüßen. Gründe dafür, dass Betriebsräte bessere Durchsetzungsrechte haben sollen, sind nämlich nicht ersichtlich. Dies ergibt sich beispielsweise schon daraus, dass Personalräte in öffentlichen Dienststellen durchaus auch für Tarifbeschäftigte zuständig sind und sich nicht allein mit der Regelung von beamtenrechtlichen Themen befassen müssen.

Zwar wurde die Entscheidung bezogen auf das sächsische Personalvertretungsgesetz getroffen. Die Bestimmungen anderer Ländergesetzen bzw. des Bundespersonalvertretungsgesetzes sind jedoch ähnlich, so dass damit gerechnet werden kann, dass die Rechte von Personalräten nun bundesweit gestärkt sind.