Bei Auswahl zu Beförderung gilt Grundsatz der Bestenauslese. Dienstherr kann Beamten während Disziplinarverfahren allerdings aus Auswahlverfahren ausschließen. Copyright: @Adobe Stock – M.Schuppich
Bei Auswahl zu Beförderung gilt Grundsatz der Bestenauslese. Dienstherr kann Beamten während Disziplinarverfahren allerdings aus Auswahlverfahren ausschließen. Copyright: @Adobe Stock – M.Schuppich

Es dürfte nur wenige Beamt*innen geben, die etwas gegen eine Beförderung einzuwenden hätten. Sei es um des schnöden Mammons willen oder in Erwartung zukünftiger spannender Aufgaben. Automatisch erfolgt eine Beförderung aber nicht.

Im Beamtenrecht bedeutet Beförderung, dass der/dem Beamt*in ein höheres Amt mit anderem Grundgehalt und/oder mit einer anderen Amtsbezeichnung verliehen wird.

Dazu bedarf es eines Dienstpostens, auf den sich die/der Betroffene bewerben kann.

Beamt*innen haben ein grundrechtsgleiches Recht ermessens- und beurteilungsfehlerfrei in die Bewerberauswahl einbezogen zu werden

Öffentliche Ämter müssen aber immer nach Maßgabe des Bestenauslesegrundsatzes besetzt werden, was sich aus Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz (GG) ergibt. Dieser Grundsatz gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) unbeschränkt und vorbehaltlos.


Er diene primär dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Ämter des öffentlichen Dienstes und daneben auch dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen, so das BVerwG. Dem trage der Grundsatz dadurch Rechnung, dass er grundrechtsgleiche Rechte auf eine ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründe. Jeder Bewerber um ein Amt habe einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus solchen Gründen zurückweise, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt seien.


Die Rechtsprechung leitet aus den Grundsätzen des Artikels 33 Absatz 2 GG den sogenannten „Bewerbungsverfahrensanspruch“ her. Das Prinzip der Bestenauslese gibt keinen Anspruch auf eine bestimmte Stelle. Es begründet vielmehr einen Anspruch auf fehlerfreie Auswahl unter den Bewerbern nach den Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung. Dem öffentlichen Arbeitgeber verbleibt indessen ein Beurteilungsspielraum, der nur einer „begrenzten gerichtlichen Kontrolle“ unterliegt.

Ein abgelehnter Bewerber sollte seine Rechtsposition im Auswahlverfahren durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sichern

Der Bewerberverfahrensanspruch ist immer nur auf ein konkretes Stellenbesetzungsverfahren für die Vergabe einer bestimmten Stelle gerichtet. Er kann deshalb auch nur so lange geltend gemacht werden, wie der betreffende Dienstposten nicht besetzt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG erlöscht der Anspruch, wenn das Stellenbesetzungsverfahren beendet wird. Seine Rechtsposition im Auswahlverfahren muss ein abgelehnter Bewerber dadurch sichern, dass er beim zuständigen Verwaltungsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt.
Zum Bewerbungsverfahrensanspruch vergleiche auch unseren Artikel „Bewerbungsverfahrensanspruch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“:

Darf der Dienstherr Beamt*innen vom Bewerbungsverfahren ausschließen, die ihre Dienstpflichten verletzt haben?

Jetzt gibt es aber auch unter den Staatsdiener*innen böse Jungs und Mädels, die ihre dienstlichen Pflichten verletzen und gegen die der Dienstherr deshalb ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat. Empfehlen sich solche Beamt*innen indessen für höhere Aufgaben? Oder anders gewendet: ist der Dienstherr berechtigt, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an seiner Eignung aus dem Bewerberkreis um eine Beförderung auszuschließen?


In ständiger Rechtsprechung des BVerwG und der Oberverwaltungsgerichte ist das anerkannt. Der Dienstherr würde sich andernfalls nämlich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen. Er würde einer/m Beamt*in in die Auswahl der Bewerber*innen um ein höheres Amt einbeziehen, obwohl er im Disziplinarverfahren davon ausgeht, dass Anlass besteht, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden.


Das BVerwG hat sich 2021 mit einem einschlägigen Fall beschäftigt. Es geht um einen Regierungsdirektor (Besoldungsgruppe A15), der seit April 2002 beim Bundesnachrichtendienst (BND) verwendet wird. Seit Mai 2006 war er auf verschiedenen Dienstposten als Sachgebietsleiter tätig. Am 22. Juli 2019 übernahm er die kommissarische Leitung eines Referats.

Der Regierungsdirektor soll sich in den Jahren 2014 bis 2018 gegenüber verschiedenen Mitarbeiter*innen mit strafbaren Kommentaren geäußert haben

Der Präsident des BND leitete mit Entscheidung vom 17. Juli 2019 gegen den Regierungsdirektor ein Disziplinarverfahren wegen dessen Verhaltens gegenüber ihm unterstellten Mitarbeiter*innen in den Jahren 2014 bis 2019 ein. Dem lag zugrunde, dass sich Mitarbeiterinnen Anfang Juli 2019 an die Gleichstellungsbeauftragte gewandt und ihr eine Zitatenliste übergeben hatten. In dieser Liste sind detailliert wortwörtliche Äußerungen des Regierungsdirektors festgehalten, die er in den Jahren 2014 bis 2018 verschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber getätigt haben soll.


Darunter sind Äußerungen, die frauenverachtende, sexistische und sexualisierte Gewalt betonende, inzestuöse, pädophile, diskriminierende sowie den Holocaust verharmlosende Inhalte haben.


Mit Wirkung vom 25. September 2019 entband der BND den Regierungsdirektor von der kommissarischen Referatsleitung. Er wurde auf den Dienstposten eines Referenten umgesetzt, weil die im Disziplinarverfahren erhobenen Vorwürfe Zweifel an seiner Eignung als Führungskraft begründeten.


Anfang März 2020 schrieb der BND den Dienstposten eines Referatsleiters zur förderlichen Besetzung aus. Dieser ist mit der Besoldungsgruppe A16 bewertet. Auf diesen Posten hat sich der Regierungsdirektor beworben. Der BND entschied sich jedoch für einen Konkurrenten. Ausweislich eines Auswahlvermerks war der Regierungsdirektor von der Leistungsauswahl wegen des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens ausgeschlossen. Das Disziplinarverfahren betreffe unmittelbar die für die Übernahme einer Referatsleitung maßgebliche Führungseignung. Deshalb sei eine uneingeschränkt positive Eignungsprognose gegenwärtig nicht möglich.

Der Regierungsdirektor hält sich selbst geeignet für höhere Aufgaben

Gegen diese Entscheidung hatte der Regierungsdirektor Widerspruch eingelegt und zugleich beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er berief sich auf den Bewerbungsverfahrensanspruch, den der BND verletzt habe. Das laufende Disziplinarverfahren rechtfertige nicht seinen Ausschluss aus dem Auswahlverfahren.
Das Disziplinarverfahren werde ohne die gebotene Beschleunigung geführt. Es sei monatelang ohne sachlichen Grund nicht betrieben worden. Deshalb bestehe kein zulässiger Grund, um abweichend vom Leistungsvergleich die Beigeladene ihm gegenüber vorzuziehen. Andernfalls hätte es der Dienstherr in der Hand, Beamte von deren weiteren beruflichen Fortkommen auszuschließen, indem er ein Disziplinarverfahren einfach nicht betreibe.


Weiter sei zu berücksichtigen, dass in den nur wenigen, durch Zeugenvernehmungen bestätigten Äußerungen offensichtlich keine disziplinarische Verfehlung liege. Nach aktuellem Kenntnisstand sei die Einstellung des Disziplinarverfahrens überwiegend wahrscheinlich. Allenfalls komme ein Verweis in Betracht, mit dem kein Beförderungsverbot verbunden sei.

Der Dienstherr ist berechtigt, einen Beamten für die Dauer eines Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an dessen Eignung von einer möglichen Beförderung auszunehmen.

Das BVerwG ist in dieser Angelegenheit als erste und gleichzeitig letzte Instanz zuständig. Nach seiner Auffassung ist der Bewerbungsverfahrensanspruch im vorliegenden Fall nicht verletzt. Die Auswahlentscheidung des BND verletze nicht den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Anspruch des Regierungsdirektors auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung.


Der Dienstherr sei berechtigt, einen Beamten für die Dauer eines gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens wegen der damit begründeten Zweifel an dessen Eignung von einer möglichen Beförderung auszunehmen. Der Dienstherr würde sich in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzen, wenn er einen solchen Beamten vor der abschließenden Klärung des disziplinarischen Vorwurfs befördere und damit die Eignung des Betreffenden für eine höherwertige Verwendung bejahe, obwohl er zuvor mit der Einleitung disziplinarischer Ermittlungen zu erkennen gegeben habe, dass Anlass bestehe, die Amtsführung oder das persönliche Verhalten des Betreffenden in seinem bisherigen Status zu beanstanden.

Der gegen den Regierungsdirektor gerichtete Verdacht eines Dienstvergehens ist im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht offenkundig haltlos gewesen

Sachwidrig sei der Ausschluss des Beamten aus dem Beförderungsauswahlverfahren allerdings dann, wenn angesichts der gegen ihn erhobenen Vorwürfe offensichtlich kein Anlass dafür gegeben sei, in einem Disziplinarverfahren zu prüfen, ob er seine Dienstpflichten verletzt habe, oder wenn das Disziplinarverfahren aus anderen Gründen missbräuchlich eingeleitet worden sei.


Der gegen den Regierungsdirektor gerichtete Verdacht eines Dienstvergehens sei indessen im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht offenkundig haltlos gewesen. Vielmehr sei er begründet gewesen. Er sei gerechtfertigt gewesen, disziplinarischer Ermittlungen aufzunehmen. Ebenso gerechtfertigt sei der Schluss, dass Zweifel an seiner persönlichen Eignung für das angestrebte Beförderungsamt bestünden, das mit Führungsfunktionen verbunden sei.


Nach einem Ermittlungsbericht vom März 2021 stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im behördlichen Disziplinarverfahren zur Überzeugung des Ermittlungsführers folgendes fest: der Regierungsdirektor hat in der Zeit von Oktober 2014 bis März 2019 75 Äußerungen der sog. „Zitatenliste“ und zwei weitere mündlich bekundete Äußerungen gegenüber Mitarbeitern getätigt, die die beschriebenen Inhalte aufweisen. Der Ermittlungsführer halte die Aussage einer Zeugin für glaubhaft, weil sie die Situationen, in denen die Äußerungen gefallen seien sollen, plastisch, detailreich und widerspruchsfrei geschildert habe.

Es ist nicht vorgreifend zu beurteilen oder abzuschätzen, ob es zur Verhängung einer strengeren Disziplinarmaßnahme kommt, die mit einem Beförderungsverbot verbunden ist

Sie habe die Äußerungen nach eigenem Bekunden zeitnah schriftlich fixiert und ihre erst späte Offenbarung plausibel begründet. Weitere Zeugen hätten das gezeichnete Verhaltensmuster des Regierungsdirektors glaubhaft bestätigt.Es sei nicht vorgreifend zu beurteilen oder abzuschätzen, ob es zur Verhängung einer strengeren Disziplinarmaßnahme käme, die mit einem Beförderungsverbot verbunden sei, oder zu einer milderen Disziplinarmaßnahme wie der des Verweises oder der Geldbuße, die einer Beförderung nach Beendigung des Disziplinarverfahrens nicht entgegenstünden. Allein der Umstand, dass gegen den Regierungsdirektor ein Disziplinarverfahren mit den dargestellten Vorwürfen anhängig sei, rechtfertigten Zweifel an seiner persönlichen Eignung, die den Dienstherrn berechtigten, ihn aus dem Auswahlverfahren auszunehmen.Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BND das Disziplinarverfahren unangemessen verzögert habe. Es sei zeitnah eingeleitet und seither ohne nennenswerte Unterbrechungen durch Anhörung des Regierungsdirektors und schriftliche Zeugeneinvernahmen kontinuierlich betrieben worden.


Hier geht es zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts: PDF