Bewerber zu alt: im öffentlichen Dienst kann das grundsätzlich nur der Gesetzgeber bestimmen. Copyright by Adobe Stock/ipw2press
Bewerber zu alt: im öffentlichen Dienst kann das grundsätzlich nur der Gesetzgeber bestimmen. Copyright by Adobe Stock/ipw2press

Wer über 60 Jahre alt ist, gehört heute noch nicht unbedingt zum alten Eisen. Für viele Beschäftigte ist die Karriere in diesem Alter noch lange nicht beendet. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte jetzt über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entscheiden, mit dem ein älterer Beamter durchsetzen wollte, dass sein Dienstherr ihn zum Auswahlverfahren für die Übernahme in die nächsthöhere Laufbahn zulässt. Bei einem solchen „Laufbahnaufstieg“ handelt es sich um eine Besonderheit aus dem Beamtenrecht. Was hat es damit auf sich?


Das Beamtenrecht ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze zu regeln

Nach der Befreiung vom Faschismus gab es im Parlamentarischen Rat lange Diskussionen, ob in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt ein Berufsbeamtentum in der traditionellen Form weiter bestehen soll. Die alliierten Siegermächte hatten den Rat eigentlich damit beauftragt, das Berufsbeamtentum abzuschaffen und ein allgemeines öffentliches Dienstrecht auf arbeitsrechtlicher Basis zu schaffen. Dazu konnten sich die Mütter und Väter des Grundgesetzes indessen nicht durchringen.

Die Weimarer Republik hatte schließlich die Kernregelungen des „Staatsdienerrechts“ als „wohlerworbene Rechte des Berufsbeamtentums“ in die Reichsverfassung übernommen. So ganz wollte man auf diese Rechte in der Bundesrepublik dann doch nicht verzichten. Schließlich hatten viele der Abgeordneten selbst Beamtenstatus.

So beschloss man, dass die wesentlichen Grundsätze des Berufsbeamtentums, die sich über die Jahre herausgebildet hatten, weiter Geltung haben sollten. Art. 33 Abs. 5 GG bestimmt daher, dass das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ zu regeln ist.

Ausführlicher hatten wir zur Geschichte des Berufsbeamtentums berichtet in unserem Artikel „Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“


Das „Laufbahnprinzip ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums

Eines dieser Grundsätze ist das sogenannte „Laufbahnprinzip“, der Grundsatz, alle Ämter im öffentlichen Dienst nach Laufbahnen zu ordnen. Eine Laufbahn umfasst nach dem Gesetz (z.B. § 16 Bundesbeamtengesetz - BBG) alle Ämter, die verwandte und gleichwertige Vor- und Ausbildungen voraussetzen. Je nach Vorbildung können Beamt*innen in verschiedene Laufbahnen einsteigen und aufsteigen. Grundsätzlich gibt es vier Laufbahngruppen:

  • Der einfache Dienst. Einstiegsvoraussetzung ist ein Hauptschulabschluss.
  • Der mittlere Dienst. Einstiegsvoraussetzung sind mittlere Reife oder Fachhochschulreife
  • Der gehobene Dienst. Einstiegsvoraussetzung ist Abitur bzw. Hochschulreife
  • Der höhere Dienst. Einstiegsvoraussetzung ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium

Die Bundesbesoldungsordnung bzw. die Besoldungsordnungen der Länder regeln Genaueres.
Beamt*innen können aber auch in die nächsthöhere Laufbahngruppe aufsteigen. Der/ die Beamt*in muss sich dafür bewerben, dass sein Dienstherr sie / ihn zum Auswahlverfahren für die Übernahme in die nächsthöhere Laufbahn zulässt.


Die Bundeslaufbahnverordnung bestimmt für den Aufstieg ein Höchstalter

Um einen solchem Laufbahnaufstieg ging es in dem Verfahren vor dem VG Düsseldorf. Ein 61-jähriger Bundesbahnbetriebsinspektor (mittlerer Dienst, Besoldungsgruppe A9) hatte bei seiner Dienstherrin, der Bundesrepublik Deutschland, beantragt, ihn zum Auswahlverfahren für die Übernahme in die nächsthöhere Laufbahn des gehobenen Dienstes zuzulassen.  Das hatte die Bundesrepublik jedoch abgelehnt mit der Begründung der Beamte sei zu alt.  Gemäß der Bundeslaufbahnverordnung sei nämlich eine Altersgrenze von 58 Jahren für den Aufstieg vorgesehen.

Diese Regelung hielt das VG Düsseldorf für verfassungswidrig, weil die Altersgrenze durch bloße Rechtsverordnung festgelegt worden ist.

Wenn man ältere Beamte von der Möglichkeit des Aufstiegs in eine höhere Laufbahn mit entsprechenden Beförderungsoptionen ausschließe, greife in das grundrechtsgleiche Recht aus Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes ein, wonach über den Zugang zu öffentlichen Ämtern ausschließlich nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu entscheiden sei.


Das Recht zum Zugang zu öffentlichen Ämtern kann nur der Gesetzgeber beschränken

Dieses Recht könne zwar beschränkt werden, aber nur durch eine Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers, indem dieser die Grenze entweder selbst festlege oder dem Verordnungsgeber eine hinreichend bestimmte Ermächtigung erteile.

Das sei in Bezug auf Bundesbeamte bislang nicht geschehen. Für die in der Bundeslaufbahnverordnung enthaltene Regelung, dass die Zulassung zum Auswahlverfahren für den Laufbahnaufstieg unter anderem voraussetze, dass die Bewerber das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, gebe es keine spezifische Ermächtigung im Bundesbeamtengesetz.
Die Festlegung einer Altersgrenze für Bundesbahnbeamte durch Verwaltungsvorschrift genüge ohnehin nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot, dass Grundrechtsbeschränkungen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vorgenommen werden dürfen.

Der Beschluss ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Bundesrepublik Deutschland kann dagegen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster erheben.                  
Hier geht es zur Presseerklärung des VG Düsseldorf

Rechtliche Grundlagen

Art 33 Grundgesetz
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuss bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

§ 16 Bundesbeamtengesetz
Laufbahn
(1) Eine Laufbahn umfasst alle Ämter, die verwandte und gleichwertige Vor- und Ausbildungen voraussetzen.
(2) Die Befähigung für die Laufbahn, in die eingestellt, gewechselt oder von einem anderen Dienstherrn versetzt werden soll, ist festzustellen und der Beamtin oder dem Beamten schriftlich mitzuteilen. Gleiches gilt, wenn die Beamtin oder der Beamte infolge der Umbildung einer Körperschaft übernommen wird oder kraft Gesetzes in den Dienst der aufnehmenden Körperschaft übertritt.

§ 35 Bundeslaufbahnverordnung
Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn

(1) 1Der Aufstieg in die nächsthöhere Laufbahn erfolgt nach erfolgreichem Abschluss des Aufstiegsverfahrens. 2Dieser setzt neben der erfolgreichen Teilnahme an einem Auswahlverfahren Folgendes voraus:
1. beim Aufstieg in den mittleren Dienst: den erfolgreichen Abschluss eines fachspezifischen Vorbereitungsdienstes oder einer fachspezifischen Qualifizierung,
2. beim Aufstieg in den gehobenen Dienst: den erfolgreichen Abschluss eines fachspezifischen Vorbereitungsdienstes, einer fachspezifischen Qualifizierung oder eines Hochschulstudiums sowie eine berufspraktische Einführung in die Laufbahn des gehobenen Dienstes und
3. beim Aufstieg in den höheren Dienst: den erfolgreichen Abschluss eines fachspezifischen Vorbereitungsdienstes oder eines Hochschulstudiums sowie eine berufspraktische Einführung in die Laufbahn des höheren Dienstes.
(2) 1Bei der Auswahl und Gestaltung der Aufstiegsverfahren sind die Benachteiligungsverbote des § 25 des Bundesbeamtengesetzes zu beachten. 2Berufsbegleitende und modularisierte Aufstiegsverfahren sind anzubieten, sofern dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. 3Die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung unterstützt die obersten Dienstbehörden bei der Ermittlung geeigneter Studiengänge und der Entwicklung familienfreundlicher Konzepte.

§ 36 Bundeslaufbahnverordnung
Auswahlverfahren für den Aufstieg

(1) 1Vor der Durchführung eines Auswahlverfahrens geben die obersten Dienstbehörden in einer Ausschreibung bekannt, welche fachspezifischen Vorbereitungsdienste, Studiengänge oder sonstigen Qualifizierungen für den Aufstieg angeboten werden. 2Sie können diese Befugnis auf andere Behörden übertragen.
(2) 1Voraussetzung für die Zulassung zum Auswahlverfahren ist, dass sich die Bewerberinnen und Bewerber nach Ablauf der Probezeit in einer Dienstzeit von mindestens drei Jahren bewährt und bei Ablauf der Ausschreibungsfrist das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. 2Voraussetzung für die Zulassung zum Auswahlverfahren für die fachspezifische Qualifizierung für den Aufstieg in den gehobenen Dienst ist neben den in Satz 1 genannten Voraussetzungen, dass die Bewerberinnen und Bewerber bei Ablauf der Ausschreibungsfrist
1. das zweite Beförderungsamt erreicht haben und
2. in der letzten dienstlichen Beurteilung mit der höchsten oder zweithöchsten Note ihrer Besoldungsgruppe oder Funktionsebene beurteilt worden sind.
3Ist das zweite Beförderungsamt das Endamt der Laufbahn, ist abweichend von Satz 2 Nummer 1 Voraussetzung für die Zulassung zum Auswahlverfahren, dass die Bewerberinnen und Bewerber bei Ablauf der Ausschreibungsfrist seit mindestens drei Jahren das erste Beförderungsamt erreicht haben. 4§ 19 Absatz 4 gilt entsprechend.
(3) 1Die obersten Dienstbehörden bestimmen Auswahlkommissionen, die die Auswahlverfahren durchführen. 2Sie können diese Befugnis auf unmittelbar nachgeordnete Behörden übertragen. 3Die Bundesakademie für öffentliche Verwaltung, die Hochschule des Bundes oder das Bundesverwaltungsamt können mit der Durchführung der Auswahlverfahren betraut werden. 4Die Auswahlkommissionen bestehen in der Regel aus vier Mitgliedern und sollen zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern besetzt sein. 5Die Mitglieder müssen einer höheren Laufbahn als die Bewerberinnen und Bewerber angehören. 6Sie sind unabhängig und an Weisungen nicht gebunden.
(4) 1In dem Auswahlverfahren wird, gemessen an den Anforderungen der künftigen Laufbahnaufgaben, die Eignung und Befähigung der Beamtinnen und Beamten überprüft. 2Sie sind mindestens in einer Vorstellung vor einer Auswahlkommission nachzuweisen. 3Beim Aufstieg in eine Laufbahn des gehobenen oder des höheren Dienstes sind auch schriftliche Aufgaben zu bearbeiten. 4Die Auswahlkommission bewertet die Ergebnisse. 5Sie kann die weitere Vorstellung vor der Auswahlkommission von den in den schriftlichen Aufgaben erzielten Ergebnissen abhängig machen. 6Für jedes Auswahlverfahren ist eine Rangfolge der erfolgreichen Bewerberinnen und Bewerber festzulegen. 7Die Teilnahme ist erfolglos, wenn sie nicht mit ausreichendem Ergebnis abgeschlossen wurde.
(5) Die zuständige Dienstbehörde kann auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen und sonstiger Anforderungen eine Vorauswahl für die Teilnahme am Auswahlverfahren treffen.
(6) 1Über die Zulassung zum Aufstieg entscheidet die oberste Dienstbehörde unter Berücksichtigung des Vorschlags der Auswahlkommission. 2Sie kann diese Befugnis auf eine andere Behörde übertragen.