Trotz des besseren Examens unterlag die angehende Lehrerin im Auswahlgespräch ihrer Konkurrentin. © Adobe Stock: gpointstudio
Trotz des besseren Examens unterlag die angehende Lehrerin im Auswahlgespräch ihrer Konkurrentin. © Adobe Stock: gpointstudio

Christian Mayer vertrat die angehende Lehrerin im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein. Diese hatte sich um eine Stelle an einer Grundschule beworben. Eine Konkurrentin bekam den Zuschlag. Das beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht eingeleitete Eilverfahren, mit dem die Bewerberin einen vorläufigen Stellenbesetzungsstopp erreichen wollte, verlor sie in erster Instanz.

 

Der Weg zum Oberverwaltungsgericht hat sich gelohnt

 

In zweiter Instanz gab das Gericht dem Antragsgegner auf, die ausgeschriebene Planstelle an der Grundschule mit anderen Bewerbern nicht endgültig zu besetzen, bevor über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.

 

Das örtliche Verwaltungsgericht hatte den Eilantrag noch mit der Begründung abgelehnt, dass sich für die Antragstellerin kein entscheidender Leistungsvorsprung daraus ergebe, dass sie das zweite Staatsexamen mit der Note 1,25 und der verbalen Würdigung „mit Auszeichnung bestanden" und ihre Konkurrentin dies nur mit der Note 1,5 (verbale Würdigung ,,gut bestanden") absolviert habe. Bei einer sechsstufigen Beurteilungsskala im zweiten Staatsexamen stelle eine Abweichung wie von lediglich einer Viertelnote nur einen geringen Leistungsvorsprung dar.

 

Es sei daher von einer gleichen Qualifikation der beiden Bewerberinnen auszugehen. Deshalb habe der Antragsgegner auch beide zum Vorstellungsgespräch einladen dürfen, bei dem dann die Konkurrentin den besseren Eindruck hinterlassen habe.

 

Die Juristi:innen der DGB Rechtsschutz GmbH aus dem Büro Schleswig stellten die Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe eine im Wesentlichen gleiche Qualifikation der Antragstellerin und deren Konkurrentin, durchgreifend in Frage.

 

So sieht es auch das OVG

 

Die Antragstellerin wende zu Recht ein, dass bei ihr aufgrund der besseren Note im zweiten Examen ein beachtlicher Leistungsvorsprung auszumachen sei, so das OVG. Die Konkurrentin hätte angesichts dessen nicht allein aufgrund des Auswahlgesprächs ausgewählt werden dürfen.

 

Jedes Auswahlverfahren muss nach den Grundsätzen der Bestenauslese (Eignung, Befähigung und fachliche Leistung) gemäß Artikel 33 GG erfolgen. Die Verwaltungsvorschriften in Schleswig-Holstein zur Durchführung eines Auswahlverfahrens bei der Einstellung von Lehrkräften geben dabei vor, dass eine Auswahlentscheidung nach der Note der Staatsprüfung zu treffen ist. Soweit Bewerber:innen über dienstliche Beurteilungen verfügen, sind diese bei der Entscheidung über die Einladung zu einem Auswahlgespräch außerdem angemessen zu berücksichtigen.

 

Zusätzlich ist geregelt, dass alle Bewerber:innen, die von der besten Note ausgehend nicht mehr als eine Note abweichen, zu einem als Auswahlgespräch bezeichneten Gespräch einzuladen sind. Dazu, dass und wie dieses Auswahlgespräch in die Auswahlentscheidung einfließen kann oder dass es sogar bei Notenunterschieden mit heranzuziehen wäre, enthält der Erlass keine Aussage.

 

Das OVG stellt eine Abweichung um nicht mehr als eine Note fest

 

Die beste (Examens-)Note einer Bewerberin sei diejenige der Antragstellerin und diese liege bei 1,25 („mit Auszeichnung bestanden"). Bei der Konkurrentin sei das Staatsexamen mit der Note 1,50 („gut bestanden") bewertet worden, weiche also nicht mehr als eine Note nach unten ab. Der Antragsgegner habe die Konkurrentin daher zu Recht zum Auswahlgespräch eingeladen.

 

Im Hinblick auf den Leistungsgrundsatz sei bei Einstellungsbewerber:innen grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn dem Staatsexamen das größte Gewicht beigemessen werde, heißt es im Urteil weiter.

 

Ob das Auswahlgespräch nur den Ausschlag geben solle bei Bewerber:innen mit gleicher Note oder ob es bei Bewerber:innen, die eine Notenstufe auseinanderliegen, ebenfalls in die Auswahlentscheidung miteinzubeziehen sei, könne an Hand des Erlasses nicht eindeutig beantwortet werden. Zudem sei nicht zweifelsfrei festzustellen, ob unterschiedlich bewertete Bewerber:innen nur zur Beschleunigung dafür eingeladen werden sollten, dass es eine Absage einer Person gebe, die besser bewertet worden war.

 

Details fehlen im Erlass

 

Selbst wenn das Auswahlgespräch auch bei Bewerbern mit Notenunterschieden in die Auswahlentscheidung mit einzubeziehen sein sollte, fehle es an jeglichen Regelungen dazu, in welchem Verhältnis die Examensnote zu dem Eindruck aus dem Auswahlgespräch stehen solle. Insbesondere ergebe sich aus dem Erlass nicht, dass das Auswahlgespräch - wie vorliegend geschehen - dazu führen könne, dass die maßgebliche Examensnote für die Entscheidung gänzlich unbeachtlich wäre.

 

Das OVG ließ es dahinstehen, ob überhaupt ein Auswahlgespräch geführt werden darf, wenn sich nach der Examensnote Bewerber:innen gegenüberstehen, die nicht im Wesentlichen gleich geeignete sind.

 

Das Ergebnis des Auswahlgesprächs muss begründet werden

 

Für den Antragsgegner sei das das Ergebnis des Auswahlgesprächs maßgeblich gewesen. Das könne nicht damit gerechtfertigt werden, dass die Antragstellerin und deren Konkurrentin als im Wesentlichen gleich benotet einzustufen wären.

 

Die Rechtsprechung habe Vorgaben dafür entwickelt, wann Beurteilungen als „im Wesentlichen gleichwertig“ angesehen werden dürften. Bei Leistungsbewertungen sei das im Vergleich von Beurteilungen demnach von vorneherein nur dann der Fall, wenn sie im selben Wertungsbereich bzw. in derselben Notenstufe lägen und sich der Unterschied der Bewertungen in einem begrenzten Rahmen halte. Sonst würde die beabsichtigte Differenzierung und Aussagekraft der Leistungsbewertungen eingeebnet.

 

Das gelte insbesondere dann, wenn nur wenige - etwa fünf – Notenstufen vorgesehen seien, da die Zuordnung zu den Notenbereichen die gewollte Abstufung zum Ausdruck bringe. Falle die Gesamtnote um eine Notenstufe schlechter aus als die der Konkurrenz, seien die Beurteilungen auf den ersten Blick gerade nicht als im Wesentlichen gleich anzusehen. Die Annahme eines Leistungsgleichstands erfordere in einem solchen Fall für eine Begründung einen erhöhten Aufwand. Der müsse sich im Auswahlvermerk niederschlagen.

 

Die Examensnoten sind nicht als im Wesentlichen gleich einzustufen

 

Die Examensnoten der Antragstellerin und deren Konkurrentin seien nicht als im Wesentlichen gleich einzustufen. Beide befänden sich nicht im selben Wertungsbereich hinsichtlich der Abschlussnote, sondern unterschieden sich um eine Notenstufe. Die Antragstellerin habe das zweite Staatsexamen mit der Gesamtnote 1,25 „mit Auszeichnung bestanden", während die Beigeladene es mit der Gesamtnote 1,50 „gut bestanden" hätte.

 

Das Verwaltungsgericht sei einerseits irrtümlich von einer sechsstufigen statt einer fünfstufigen Notenskala ausgegangen. Es habe auch nicht hinreichend beachtet, dass nicht allein eine Abweichung von einer Viertelnote in Rede stehe. Die Abweichung führe nämlich auch dazu, dass hierdurch zugleich eine Einstufung in unterschiedliche Wertungsbereiche bzw. Notenstufen erfolge.

 

Zwar befinde sich die Beigeladene im obersten Bereich der Note „gut bestanden“ von 1,50 bis 2,49. Jedoch befinde sich die Antragstellerin nicht gleichzeitig im unteren Bereich der Bestnote, sondern mit der Note 1,25 im mittleren des von 1,00 bis 1,49 reichenden Notenbereichs. Es sei mithin auch kein bloß nuancierter Unterschied in der punktebasierten Benotung auszumachen.

 

Ein neues Auswahlverfahren steht an

 

In welchen Bereich die Konkurrentin gefallen wäre, wenn sie geringfügig besser abgeschnitten hätte, spiele keine Rolle. Weil dem OVG die Auswahl der Antragstellerin angesichts der besseren Note im zweiten Staatsexamen in einem neuen Auswahlverfahren nicht ausgeschlossen erschien, muss der Antragsgegner das Stellenbesetzungsverfahren nun wiederholen.


Der Prozessbevollmächtigte Christian Mayer aus dem DGB Rechtsschutzbüro Schleswig kommentiert das Ergebnis der ersten Instanz dahingehend, dass das Gericht sehr pauschal entschieden und damit den Antrag der Klägerin abgetan habe. Das Oberverwaltungsgericht differenzierte demgegenüber im Blick auf die einzelnen Notenstufen. Praktische Relevanz habe das Urteil damit vor allem in den Fällen, in welchen noch keine dienstliche Beurteilung vorliege und eine Auswahlentscheidung an Hand er Examina erfolgen müsse.

 

 

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung zeigt, dass beamtenrechtliche Stellenbesetzungsverfahren oft nur schwer zu durchschauen sind. Alle Entscheidungen orientieren sich an Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und sonstigen Erlassen, spätestens dann, wenn sie beim Gericht ankommen. Für Betroffene heißt es daher im Fall einer Ablehnung nicht gleich aufzugeben und sich schnellstmöglich Rechtsrat für die Durchführung eines Konkurrentenstreitverfahrens zu holen. Diesen Rechtsrat bietet die DGB Rechtsschutz GmbH allen Mitgliedern der Einzelgewerkschaften, die die satzungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllen und daher eine Rechtsschutzgenehmigung erhalten.