Zu spät – alles vorbei! Copyright by Adobe Stock/helivideo
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Beamte und deren Bevollmächtigte wissen es in der Regel: wird eine Beförderung oder Einstellung abgelehnt, ist es notwendig, ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht einzuleiten. Nur so kann sichergestellt werden, dass kein Konkurrent die Stelle bekommt, die man gerne haben möchte.
 

Erkennt der Dienstherr Fehler, bricht er das Verfahren ab

Merkt der Dienstherr aber, dass er Fehler gemacht hat, bricht er das Verfahren zur Besetzung der Stelle schon einmal ab. Bei den betroffenen Konkurrenten bleibt da meist nur Ärger.
 
Viele Gerichte haben sich bereits damit befasst, wann diese Verfahren abgebrochen werden dürfen. Das ist rechtlich nur zulässig, wenn ein besonderer Grund hierfür vorliegt.
 
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Wie kann ein Beamter gegen die Ablehnung der Beförderung vorgehen?
 

Der Antragsteller hatte sich auf eine Stelle im Schuldienst beworben

Der Antragsteller des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte sich auf eine Stelle als Schulleiter beworben. Er war bislang stellvertretender Leiter einer Grundschule. Die Auswahl unter den Bewerbern sollte anhand der vorliegenden dienstlichen Beurteilungen erfolgen. Der Antragsteller war mit seiner Beurteilung nicht einverstanden und ging gerichtlich dagegen vor.
 

Der Dienstherr sah keinen geeigneten Bewerber

Der Dienstherr des Antragstellers gelangte im Laufe dieses gerichtlichen Verfahrens zu dem Ergebnis, dass überhaupt kein geeigneter Bewerber für die ausgeschriebene Stelle zur Verfügung stand. Er brach deshalb das Stellenbesetzungsverfahren ab.
 
Der Antragsteller erhielt daraufhin ein Schreiben, in welchem der Dienstherr ihm mitteilte, er werde die Stelle erneut ausschreiben. Nach dem Grundsatz von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung werde er eine neue Auswahl vornehmen. Maßgeblich seien dabei die Ergebnisse der dienstlichen Beurteilungen der Konkurrenten.
 

Der Antragsteller war mit dem Abbruch des Auswahlverfahrens nicht einverstanden

Der Antragsteller war damit nicht einverstanden. Er leitete ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht ein. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wollte er erreichen, dass das abgebrochene Stellenbesetzungsverfahren fortgeführt würde.
 
Das Verwaltungsgericht lehnte seinen Antrag ab. Auch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) entschied nicht anders. Die Beschwerde des Klägers hatte dort keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass der Antragsteller sein prozessuales Antragsrecht verwirkt habe, so das OVG. Der Antragsteller habe kein Rechtsschutzbedürfnis mehr.
 

Effektiver Rechtsschutz kann nur im Eilverfahren geltend gemacht werden

Effektiver Rechtsschutz gegen den rechtswidrigen Abbruch eines Auswahlverfahrens könne ein unterlegener Bewerber nur im Wege eines Eilverfahrens geltend machen.
 
Der Bewerber müsse einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zugang der Mitteilung stellen, mit der das Auswahlverfahren abgebrochen worden ist. Geschehe das nicht, dürfe der Dienstherr darauf vertrauen, dass der Bewerber nicht dagegen vorgehen wolle.
 

Die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelte die Monatsfrist

Die höchstrichterlichen Rechtsprechung habe die Monatsfrist entwickelt. Sie orientiere sich an dem System der Rechtsmittel, das im Beamtenrecht generell gelte. Die Monatsfrist sei ausreichend, um eine zeitnahe Klärung darüber herbeizuführen, ob ein Bewerber im Eilverfahren gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens vorgehen möchte.
 
Sei die Monatsfrist abgelaufen, habe der Bewerber keine Möglichkeit mehr, den Abbruch des Verfahrens rechtlich überprüfen zu lassen.  
 

Der Antragsteller leitete das gerichtliche Verfahren zu spät ein

Diese Grundsätze würden auch weiterhin gelten. Der Antragsteller habe seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erst nach Ablauf des Monats gestellt. Das sei zu spät gewesen. Seinen Anspruch, die Mitteilung des Dienstherrn überprüfen zu lassen, habe er damit verwirkt.
 
Der Antragsteller habe zwar vorgetragen, dem Dienstherren sei bekannt gewesen, dass er mit dem Abbruch des Stellenbesetzungsverfahren nicht einverstanden gewesen sei. Er habe sich auch mehrfach telefonisch zur Wehr gesetzt und darum gebeten, eine gemeinsame Lösung zu finden. Dem Dienstherrn sei deshalb bekannt gewesen, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden gewesen sei und auf seine Rechte nicht verzichten wollte.
 

Das OVG schloss sich den Argumenten des Antragstellers nicht an

Diesen Argumenten schloss sich das OVG jedoch nicht an. Es sei zwar zutreffend, dass die Verwirkung ein sogenanntes Umstands- und ein Zeitmoment voraussetze.
 
Der Berechtigte müsse eine gewisse Zeit abgewartet haben, ohne zu signalisieren, dass er das Verfahren weiter betreiben wolle. Er müsse dabei in einer Situation untätig geblieben sein, in welcher er vernünftigerweise etwas unternommen hätte, um sein Recht zu wahren.
 

Dabei entstehe für den Dienstherrn Vertrauensschutz

Darauf dürfe sich der Dienstherr dann einstellen und einrichten. Er könne darauf vertrauen, dass der Bewerber nichts mehr dagegen unternehme, dass er das Auswahlverfahren abgebrochen habe. Das habe auch das Bundesverwaltungsgericht bereits so entschieden.
 
Hier geht es zum Urteil des BVerwG vom 3.12.2014
 
Das Bundesverwaltungsgericht habe mit dieser Entscheidung deutlich gemacht, dass es sehr wichtig sei, die Rechtmäßigkeit eines Abbruchs zeitnah prüfen zu lassen. Sowohl Dienstherr als auch Bewerber bräuchten Klarheit darüber, in welchem Auswahlverfahren die Stelle vergeben werde.
 

Laufen mehrere Verfahren parallel, kommt es zu Problemen

Liefen zeitlich mehrere Verfahren parallel, die sich auf dieselbe Stelle bezögen, käme es zu schwierigen Problemen hinsichtlich der Vergabe der Stelle und deren Rückabwicklung.
 
Daher müsse die Rechtmäßigkeit geklärt sein, bevor in einem weiteren Auswahlverfahren eine Entscheidung getroffen werde. Es genüge nicht, wenn ein Bewerber bloß äußere, er sei mit dem Abbruch des Auswahlverfahrens nicht einverstanden.
 
Allein die Tatsache, dass über ein Monat verstrichen war, bis der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt worden sei, reiche hier aus, um die Verwirkung anzunehmen.
 

Hier geht es zum Urteil des OVG Lüneburg vom 16. Juli 2020

Das sagen wir dazu:

Der Antragsteller des Verfahrens beim Oberverwaltungsgericht hatte die Mitteilung bekommen, dass Stellenbesetzungsverfahren, in welchem er als Bewerber geführt wurde, werde abgebrochen. Gegen diese Mitteilung, die sicherlich rechtsmittelfähiger Bescheid gewesen ist, hatte er offensichtlich keinerlei Rechtsmittel eingelegt. Es gab ausweislich der Ausführungen im Beschluss des OVG nur telefonische Auseinandersetzungen und Überlegungen. Der Dienstherr hatte die neue Stelle offensichtlich gleichzeitig ausgeschrieben.

Die Rechtslage ist anders, wenn noch nichts veranlasst wurde

Anders könnte die Situation rechtlich zu bewerten sein, wenn noch überhaupt nichts dazu veranlasst wurde, die Stelle erneut auszuschreiben. In diesem Falle gibt es nämlich nichts, was im Eilverfahren entschieden werden müsste. Insbesondere entstände dann keine Situation, in welcher der Dienstherr Vertrauensschutz genießt. Dann kann man aber im Umkehrschluss auch nicht annehmen, dass ein Bewerber sein Recht auf Klärung der Rechtmäßigkeit der Abbruchentscheidung verwirkt hat.

Gleiches gilt für den Fall, dass ein Bewerber erst mit der erneuten Ausschreibung der Stelle, um die er sich beworben hatte, feststellt, dass sich an der Ausschreibung überhaupt nichts geändert hat. Erst dann wird ihm nämlich deutlich, dass es eigentlich nicht darum geht, eine erneute Ausschreibung unter geänderten Voraussetzungen oder Bedingungen vorzunehmen, sondern eigentlich exakt die ursprünglich ausgeschriebene Stelle zu besetzen ist.

Zwingend wird in dieser Situation allerdings vorausgesetzt werden müssen, dass gegen die Entscheidung, mit der das Auswahlverfahren abgebrochen wurde, zumindest ein Rechtsmittel eingelegt wird und später auch das Eilverfahren beim Verwaltungsgericht folgt. Auf die Monatsfrist sollte es dann nicht mehr ankommen. Es scheint zumindest nicht abwegig, diese Überlegungen anzustellen.