Beamte haften verschärft, wenn der Dienstherr von ihnen zu Unrecht erhaltene Bezüge zurückfordert.
Beamte haften verschärft, wenn der Dienstherr von ihnen zu Unrecht erhaltene Bezüge zurückfordert.


Neumann ist Beamter. Er lebt von seiner Exfrau getrennt. Auch zu seinem Kind hat er den Kontakt verloren. Seine Exfrau erhielt Kindergeld für den volljährigen Sohn. Grundsätzlich wird Kindergeld nur bis zur Volljährigkeit gezahlt, für Kinder in einer Berufsausbildung kann es darüber hinaus Kindergeld geben.

Beamte erhalten kinderbezogenen Familienzuschlag nur, wenn Kindergeld gezahlt wird

Die Gewährung von Kindergeld hat bei Beamten zur Folge, dass der Dienstherr einen kinderbezogenen Familienzuschlag zahlt. Dies gilt auch für geschieden Beamte. Diese Koppelung zwischen Familienzuschlag und Kindergeld ist gewollt. Beide Leistungen dienen dem gleichen sozialpolitischen Zweck, sie sollen den Familienunterhalt zu verbessern.

Das zuständige Landesamt für Besoldung zahlte den Zuschlag jeweils monatlich mit den Bezügeabrechnungen. Dies lief alles ohne, dass der Kläger dafür etwas tun musste. Die Familienkasse, die für die Zahlung des Kindergeldes zuständig ist, hatte dem Landesamt für Besoldung mitgeteilt, dass voraussichtlich bis zum Juni 2014 Kindergeld an Frau Neumann gezahlt würde.

Im April 2012 fragte die Bezügestelle nach. Es wurde eine Kindergeldzahlung bis Juni 2013 bestätigt. Neumann erhielt also den Zuschlag von April 2012 bis Juni 2013. 

Nachdem Bezügeamt erneut nachgefragt hatte, ob weiter Kindergeld gezahlt werde, teilte die Familienkasse mit, dass sie von Frau Neumann das Kindergeld rückwirkend von April 2012 zurückfordere. Der Kindergeldbescheid sei rückwirkend ab April 2012 aufgehoben worden. Hintergrund war, dass das Kind die Ausbildung geschmissen hat. Die Familienkasse drückte es etwas anders aus. Grund: Abbruch Lehre.

Landesamt für Bezüge reagiert mit Rückforderung

Das Bezügeamt forderte daraufhin für den kompletten Zeitraum den zu viel gezahlten Familienzuschlag sowie den kinderbezogenen Bestandteil des Weihnachtsgeldes zurück, weil beides an den Anspruch auf Kindergeld gebunden sei. Es handelt sich dabei nicht um geringe Summen, Neumann sollte über 5000 € zurückzahlen.

Nach dem Besoldungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen darf die Behörde rechtsgrundlos gezahlte Bezüge zurückfordern. Wenn im Nachhinein die Berechtigung entfällt, entfällt auch der Rechtsgrund für die Zahlung. Letztlich wurde hier rechtsgrundlos gezahlt.

Frau Neumann hatte sich gegen die rückwirkende Kindergeldentziehung nicht gewehrt. Auf Kindergeld bestand ja nur noch Anspruch, weil das Kind sich in Berufsausbildung befand. Bricht ein Volljähriger die Berufsausbildung ab, dann entfällt auch der Grund für die Kindergeldgewährung. Damit stand fest: Kein Kindergeldanspruch und folglich auch kein Anspruch auf den Familienzuschlag.

Neumann lebte schon seit längerem mit einer neuen Frau und deren Kindern zusammen. Er hat seine Bezüge inklusive dem Geld für den Familienzuschlag für Dinge des alltäglichen Gebrauchs ausgegeben. Er hat nichts mehr was er zurückzahlen kann, er beruft sich auf „Entreicherung“.

Argument Wegfall der Bereicherung 

Juristisch klingt das so: Eine „Entreicherung“ liegt vor, wenn der Empfänger im Hinblick auf den Vermögenszuwachs Aufwendungen macht, die nicht zu einer Vermehrung seines Vermögens oder zu einer Verminderung seiner Verbindlichkeiten geführt haben. 

„Entreicherung“ kommt auch dann in Betracht, wenn die zu viel gezahlten Bezüge zu einer geringfügigen Verbesserung der allgemeinen Lebenshaltung aufgewendet worden sind. Genau das war der Fall, Neumann hat den Familienzuschlag für alltägliche Dinge verbraucht.

Das Gericht hat eine „Entreicherung“ zu seinen Gunsten auch angenommen. Trotzdem hat dies nicht zum Erfolg seiner Klage geführt.

Verschärfte Haftung wegen Bösgläubigkeit

Nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts tritt eine verschärfte Haftung wegen Bösgläubigkeit ein. Wer bösgläubig ist, kann sich nicht erfolgreich auf „Entreicherung“ berufen. Nach dem Gesetz ist jemand bösgläubig, wenn er den Mangel des rechtlichen Grundes kannte. 

Neumann wusste aber nicht, dass sein Kind die Ausbildung abgebrochen hat. Für eine Kenntnis sah das Gericht auch keine Anhaltspunkte.

Die Haftungsverschärfung tritt aber auch ein, wenn der Mangel des rechtlichen Grundes so offensichtlich ist, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Bei Beamten erwartet das Gericht, dass sie über Grundkenntnisse zu den ihm zustehenden Besoldungstatbeständen verfügt. 

Das Gericht verweist darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht schon 1990 definiert hat, dass Offensichtlichkeit vorliegt, wenn der Empfänger der Leistung, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat. Gemeint ist damit, dass hier entschieden werden muss, ob Neumann die Zahlung einfach nur so entgegennehmen durfte oder ob er selbst etwas hätte unternehmen müssen.

Kläger hatte Kontakt aufnehmen müssen

Das Gericht unterstellt, dass dem Kläger bekannt gewesen sein muss, dass Kindergeld nur bis zum 18 Lebensjahr gewährt wird und danach von besonderen Voraussetzungen abhängt. Anders als bei einem minderjährigen Kind hätte der Kläger Kontakt zu Kind oder Exfrau aufnehmen müssen, um zu erfahren, ob das Kind die Ausbildung fortsetzt und damit die Voraussetzungen für die Kindergeldgewährung weiterhin vorliegen. 

Dies sei dem Kläger zumutbar gewesen. Es sei nicht kompliziert oder unzumutbar gewesen, bei Exfrau oder Kind nachzufragen. Er habe diese einfache Nachfrage über ein Jahr unterlassen und damit die im Verkehr übliche Sorgfalt in ungewöhnlichem hohem Maße außer Acht gelassen. Damit sei er bösgläubig und könne sich nicht auf „Entreicherung“ berufen. Der Rückforderungsanspruch bestehe.

Neumann ist fassungslos, er konnte doch nichts dafür. Oder juristischer, er hat keinen Verursachungsbeitrag geleistet, der zur Überzahlung geführt hat. Kann man deshalb nicht wenigstens die Rückzahlung reduzieren?

Billigkeitserwägungen führen zu keinem anderen Ergebnis

Auch mit diesem Argument hat sich das Gericht auseinandergesetzt, denn das Besoldungsrecht verlangt eine Billigkeitsentscheidung, die den Umständen des Einzelfalls gerecht wird und zu Entscheidungen führt, die für die Behörde zu zumutbaren und für den Beamten tragbare Lösungen ermöglichen.

Hier ist besonders von Bedeutung, zu wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür maßgeblich war. Bei Mitverschulden der Behörde sieht das Bundesverwaltungsgericht einen Verzicht von 30 % als angemessen an. 

Ein Mitverschulden des Landes lag nach Überzeugung des Gerichts aber nicht vor. Und Neumann wird zum zweiten Mal in diesem Verfahren zum Verhängnis, dass er nicht offensiv geworden ist. Er hat noch nicht einmal Unterlagen vorgelegt, die eine Ratenzahlung im Wege der Billigkeitsentscheidung möglich gemacht hätten.

Das sagen wir dazu:

Nichts tun kann teuer werden. Die geschilderten Grundsätze zum Wegfall der Bereicherung und Bösgläubigkeit gelten nicht nur für Beamte sondern auch allgemein im Arbeitsrecht.

Das einfache Vertrauen darauf, „alles was ich bekomme, steht mir zu“, wird vom Gesetzgeber nicht geschützt. 

Obwohl wir bei Rückforderungen immer wieder den Satz hören. „Aber die anderen haben doch den Fehler gemacht“, schützt das vor der Rückforderung nicht. Gerade wenn ich erkenne, dass mir Bezüge oder Gehalt nicht zustehen, kann ich mich – wenn es auffällt- nicht auf Entreicherung berufen.

Der Fall hier war ungewöhnlicher. Bösgläubigkeit durch Unterlassen wurde hier dem Beamten zum Verhängnis, weil der Zuschlag eben davon abhing, ob sein Kind noch in der Ausbildung war. Dies nicht zu erfragen, hat das Gericht als grob fahrlässig angesehen.

Rechtliche Grundlagen

§ 15 BesG NRW; § 819 BGB

§ 15 BesG NRW
Rückforderung von Bezügen

(1) Wird eine Beamtin, ein Beamter, eine Richterin oder ein Richter durch eine gesetzliche Änderung der Bezüge einschließlich der Einreihung des Amtes in die Besoldungsgruppen der Landesbesoldungsordnungen mit rückwirkender Kraft schlechter gestellt, so sind die Unterschiedsbeträge nicht zu erstatten.

(2) Im Übrigen regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass die Empfängerin oder der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.

(3) Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod der Beamtin, des Beamten, der Richterin oder des Richters auf ein Konto bei einem Geldinstitut überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle zurück zu überweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordert. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden.

(4) Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod der Beamtin, des Beamten, der Richterin oder des Richters zu Unrecht erbracht worden sind, haben die Personen, welche die Geldleistungen in Empfang genommen oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben, diesen Betrag der überweisenden Stelle zu erstatten, sofern er nicht nach Absatz 3 von dem Geldinstitut zurück überwiesen wird. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat der überweisenden Stelle auf Verlangen Namen und Anschrift der Personen, die über den Betrag verfügt haben, und etwaiger neuer Kontoinhaberinnen oder Kontoinhaber zu benennen. Ein Anspruch gegen die Erbinnen und Erben bleibt unberührt.

§ 819 BGB
Verschärfte Haftung bei Kenntnis und bei Gesetzes- oder Sittenverstoß

(1) Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.

(2) Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfang der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet.