Ohne „Warnschuss“ keine Rückzahlung erbrachter Leistungen. Copyright by Adobe Stock/Eigens
Ohne „Warnschuss“ keine Rückzahlung erbrachter Leistungen. Copyright by Adobe Stock/Eigens

Ab dem 1. September 2018 hatte der Kläger für den Besuch der Meisterschule für Handwerker Förderleistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung im Friseurhandwerk erhalten. Durch diese Art der Förderung wird die berufliche Aufstiegsfortbildung von Handwerkern und anderen Fachkräften finanziell unterstützt.
 
Mit Bewilligungsbescheid vom 28. September 2018 teilte die beklagte Stadt dem Kläger mit, dass er zum 31. Januar 2019 einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme vorlegen müsse.
 
Aus dem von der Meisterschule am 16. Januar 2019 ausgestellten Teilnahmenachweis ergab sich eine Teilnahme des Klägers an 65,91 % der Präsenzstunden (Fehlquote von 34,09 %). Nach dem AFBG liegt eine regelmäßige Teilnahme aber nur vor, wenn 70 % der Präsenzstunden nachgewiesen werden können. Mit Schreiben vom 28. März 2019 forderte die Stadt den Kläger auf, nochmals einen Teilnahmenachweis der Fortbildungsstätte vorzulegen, und zwar bezogen auf den Zeitraum vom 17.Januar bis zum 31. März 2019. Im Rahmen dieses Schreibens wies die Stadt darauf hin, dass die Förderung eingestellt oder aufgehoben werden könne und bereits erbrachte Leistungen zurückgefordert werden könnten, wenn der Nachweis nicht vorgelegt werde.
 
Im April übersandte der Kläger den Teilnahmenachweis für die Zeit vom 17. Januar bis 31. März 2019. Auch hieraus ergab sich, dass er in dieser Zeit an weniger als 70 % der Präsenzstunden teilgenommen hatte. Daraufhin hob die Stadt den Bewilligungsbescheid vom 28. September 2018 auf und forderte den geleisteten Betrag von 2.690 Euro zurück. Gegen den Aufhebungsbescheid erhob der Auszubildende erfolglos Widerspruch und in der Folge Klage beim Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße.
 

Verwaltungsgericht: Ohne „Warnschuss“ keine Rückforderung

Zwar bestehe, so das VG, nach den gesetzlichen Bestimmungen des AFBG für die Behörde die Möglichkeit, eine Bewilligung aufzuheben und bereits erbrachte Leistungen zurückzufordern. Voraussetzung sei aber, dass in zwei Nachweisen des Bildungsträgers die regelmäßige Teilnahme nicht bestätigt wurde. Auch habe der Gesetzgeber einen "Warnschuss" für den Fall eingeführt, dass in dem ersten Nachweis die erforderlichen Schulungsbesuche nicht bescheinigt wurden. Danach müsse die Behörde den Auszubildenden auf den nächsten Vorlagezeitpunkt und die Folge eines erneut nicht erfolgreichen Teilnahmenachweises hinweisen.
 

Zeitlich spätes Schreiben der Beklagten verfehlt den Sinn der beabsichtigten Verwarnung

Das Schreiben der Stadt vom 28. März 2019 genügt den gesetzlichen Vorgaben nicht. Zwar weise es auf die Folge eines erneut nicht erfolgreichen Teilnahmenachweises hin. Aufgrund seines späten Zeitpunktes verfehle das Schreiben jedoch den Sinn der beabsichtigten Verwarnung. In dem Schreiben werde nämlich der Zeitraum vom 17. Januar bis zum 31. März 2019 genannt. Im Zeitpunkt des Zuganges des Schreibens sei dieser Zeitraum jedoch fast vollständig abgelaufen gewesen. Hiermit konnte der Zweck einer Verwarnung, die Teilnahme- und Abschlussmotivation des Betroffenen zu stärken, indem ihm die Gefahr einer möglichen Rückforderung vor Augen geführt werde, wenn er in Zukunft nicht regelmäßig an der Maßnahme teilnehme, nicht erreicht werden.
 
Sinn und Zweck des Hinweisschreibens sei es, dass dem Teilnehmenden noch die Möglichkeit gegeben werde, seiner Teilnahmepflicht regelmäßig nachzukommen. Dies aber sei nur möglich, wenn der nachzuweisende Zeitraum in der Zukunft liege, was aber hier nicht der Fall gewesen sei. Denn die Stadt habe sich auf einen ganz überwiegend in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bezogen.
 
Mit der Aufforderung, einen Teilnahmenachweis für einen bestimmten Zeitraum vorzulegen, so die Richter*innen des VG, also dem so genannten  "Warnschuss", müsse dem Betreffenden die Möglichkeit gegeben werden, das frühere Defizit danach auch noch tatsächlich auszugleichen. Wenn die Stadt dem Kläger den gebotenen "Warnschuss" ordnungsgemäß erteilt hätte, wäre es diesem möglich gewesen, in der Folge regelmäßiger an den Präsenzstunden teilzunehmen. Da kein „Warnschuss“ in der notwendigen Form erfolgte, hat der Kläger keine Rückzahlung bereits erbrachter Leistungen zu erbringen.
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Verwaltungsgericht Neustadt vom 7.9.2020