Wirklich nichts zu wissen ist nicht immer verkehrt. Copyright by Adobe Stock/Feodora
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 Man sagt, viele Köche verderben den Brei  - nicht jedoch hier. Gemeinsam mit der Autorin dieses Beitrages vertrat Jennifer Arnold, Rechtsschutzsekretärin des DGB Rechtsschutzbüros in Saarbrücken, den klagenden Beamten. Dieser sollte fast 6000,- € an seinen Dienstherrn zurückzahlen und klagte gegen den Rückforderungsbescheid.
 

Das Verfahren erschien eigentlich aussichtlos

Das Verfahren erschien eigentlich aussichtslos. Die Argumente der Prozessbevollmächtigten überzeugten das Gericht aber doch. Es gab der Klage des Polizeikommissars statt. Er muss nun nichts zurückzahlen.
 
Doch was war geschehen?
 

Der Kläger hatte sich von seiner Gattin getrennt

Der Kläger hatte sich von seiner Gattin getrennt. Die 1995 geborene Tochter des Klägers lebte bei der Mutter. Diese erhielt auch das Kindergeld. 2015 beantragte der Kläger bei seinem Dienstherrn, ihm den Familienzuschlag zu bezahlen. Er gab damals an, das Kindergeld beziehe vermutlich die Mutter. Welche Familienkasse das zahle wisse er aber nicht. Weiter gab er an, das Kind befinde sich von 2014 bis 2017 in einer Berufsausbildung und wohne bei der Mutter.
 
Im Zusammenhang mit einem Antrag auf Weiterzahlung des Familienzuschlages 2018 gab er Ähnliches an. Den Wohnort seines Kindes kenne er nicht. Das Kindergeld erhalte er selbst auch nicht. Ob die Berufsausbildung bereits beendet sei, wisse er nicht.
 

Der Dienstherr fragte bei der Familienkasse nach

Der Dienstherr fragte bei der Familienkasse nach. Diese teilte mit, Kindergeld sei nur bis 2014 gezahlt worden. Darüber erhielt der Kläger dann ebenfalls eine Mitteilung. Kurz darauf informierte der Dienstherr seinen Beamten sodann darüber, dass er seit 2014 Familienzuschlag erhalten habe, ohne dass er einen Anspruch darauf gehabt hätte und forderte knapp 6000,- € von ihm zurück.
 
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens kürzte der Beklagte auf Grund der Argumentation der Prozessbevollmächtigten der DGB Rechtsschutz GmbH den Rückforderungsbetrag auf 2400,- €. Dabei rechnete er mit eigenen Ansprüchen des Beamten auf und verzichtete auf einen Teil des Geldes aus Gründen der Billigkeit.
 

Den Rest sollte der Kläger zahlen

Den Rest müsse der Kläger aber zahlen, denn er hafte verschärft und könne sich nicht darauf berufen, das Geld in gutem Glauben verbraucht zu haben. Dass ihm das Geld nicht zugestanden habe, sei offensichtlich gewesen. Diesen offensichtlichen rechtlichen Mangel habe er nur deshalb nicht erkannt, weil er die erforderliche Sorgfalt bei der Prüfung seiner Bezüge in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen habe.
 
Der Kläger war demgegenüber der Meinung, er habe den fehlenden rechtlichen Grund für die Zahlung nicht gekannt und auch nicht kennen können. Er habe keinerlei Kontakt mehr zu der Exfrau und seiner Tochter gehabt. Die Tochter sei wohl schon 2014 bei der Mutter ausgezogen. Möglicherweise habe sie selbst das Kindergeld weiter erhalten.
 

Das Verwaltungsgericht weist darauf hin, dass der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung des Familienzuschlages hatte

Das Verwaltungsgericht weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass der Kläger an sich keinen Anspruch auf die Gewährung des Familienzuschlages gehabt habe. Die Mutter des Kindes beziehe nämlich schon seit 2014 kein Kindergeld mehr. Allerdings könne sich der Kläger darauf berufen, den Betrag verbraucht zu haben.
 
Das Bürgerliche Gesetzbuch regele in § 818 die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Danach müsse eine ungerechtfertigte Bereicherung nicht herausgegeben werden, wenn der Empfänger überhaupt nicht mehr bereichert sei. Da der Kläger monatlich nur relativ geringe Überzahlungen erhalten habe, gehe das Gericht davon aus, dass das Geld im Rahmen der Lebensführung erbraucht worden sei.
 

Der Kläger durfte sich auf Entreicherung berufen

Der Kläger dürfe sich auf Entreicherung berufen, also den Verbrauch des Geldes, welches er zu viel erhalten habe. Das sei grundsätzlich nur ausgeschlossen, wenn eine Zahlung lediglich unter Vorbehalt erfolgt sei. Einen solchen Vorbehalt habe es hinsichtlich des Familienzuschlages an den Kläger aber nicht gegeben. Zumindest finde sich darüber nichts in den Akten.
 
Der Kläger unterliege auch keiner verschärften Haftung. Diese trete ein, wenn der Empfänger wisse, dass es keinen rechtlichen Grund für die Zahlung gebe. Dieser Kenntnis stehe es gleich, wenn der Empfänger den fehlenden rechtlichen Grund für die Zahlung hätte erkennen müssen bzw. nur deshalb nicht bemerkte, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen habe.
 

Die Voraussetzungen einer verschärften Haftung sind beim Kläger nicht erfüllt

Diese Voraussetzungen seien beim Kläger jedoch nicht erfüllt. Er müsse zwar seine Bezügemitteilungen stets prüfen. Gegen diese Pflicht habe er aber nicht grob fahrlässig verstoßen. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt hätte er nur dann verletzt, wenn er bereits durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerungen hätte bemerken können, dass ihm die Zahlung nicht zustand. „Offensichtlich“ fehle ein Rechtsgrund für eine Zahlung, wenn der Empfänger das ohne Weiteres hätte erkennen können.
 
Dabei käme es auf die individuellen Kenntnisse eines*er Beamten*in an. Es müsse sich ihm*ihr sozusagen aufdrängen, dass die Bezügemitteilung fehlerhaft sei. Es reiche nicht aus, wenn nur Zweifel bestünden.
 

Von jedem*er Beamten*in wird erwartet, dass er*sie die Bestandteile der Besoldung kennt

Von jedem*er Beamten*in werde erwartet, dass er*sie die Bestandteile der Besoldung wie Grundgehalt und Familienzuschlag kenne. Das müsse er*sie dann auch nach den eigenen Kenntnissen und Fähigkeiten prüfen. Der Dienstherr dürfe dabei keine speziellen Kenntnisse im Besoldungsrecht erwarten.
 
Zwar habe der Kläger den Kontakt zu seiner Tochter und der Exfrau abgebrochen. Dies habe er auch dem Dienstherrn nicht ausdrücklich mitgeteilt. Wegen des fehlenden Kontaktes habe der Kläger auch nicht mehr gewusst, ob noch Kindergeld gezahlt würde. Dem Kläger sei auch bekannt gewesen, dass es einen Zusammenhang zwischen Kindergeld und Familienzuschlag gebe.
 

Die Kenntnis der Anzeigepflicht und deren Verletzung bedeuten jedoch keine Kenntnis vom fehelenden Rechtsgrund der Zahlung

Wenn dem Beamten bekannt sei, dass er eine Anzeigepflicht verletzt habe, heiße das noch nicht, dass er auch gewusst habe, dass ihm der Zuschlag nicht zustehe. Der Kläger habe nämlich nicht gegen seine Pflicht zur Sorgfalt verstoßen, wenn er davon ausgegangen sei, dass die Höhe seiner Bezüge stimme. Nach den gesamten Umständen des Falles hafte der Kläger nicht verschärft.
 

Die Bezügemitteilungen enthielten Hinweise auf die Zahlung des Familienzuschlages

Zwar enthielten die Bezügemitteilungen Hinweise darauf, dass auch der Familienzuschlag gezahlt werde. Allein aus diesen Angaben habe es sich dem Kläger aber nicht aufdrängen müssen, dass er darauf keinen Anspruch mehr hatte. Aus der Bezügemitteilung ergebe sich nämlich nicht, dass die Mutter des Kindes kein Kindergeld mehr erhalte
 
Auch aus sonstigen Gründen habe es sich dem Kläger nicht aufdrängen müssen, dass er keinen Anspruch auf die Zahlungen gehabt habe. 2015 habe die Familienkasse dem Beklagten schon einmal mitgeteilt, dass die Mutter kein Kindergeld mehr erhalte.  Das sei in etwa der Zeitpunkt gewesen, als der Kläger seinen ersten Antrag stellte. Das ergebe sich aus den Akten.
 

Der Kläger hatte darauf verwiesen, dass die Mutter der Tochter „vermutlich“ Kindergeld beziehe

Der Kläger habe demgegenüber in seinen Anträgen nur darauf hingewiesen, dass die Mutter „vermutlich“ weiter Kindergeld beziehe. Anhaltspunkte dafür, dass er seine Angaben wider besseres Wissen gemacht habe, seien nicht erkennbar.
 
Der Beklagte müsse sich allerdings vorhalten lassen, Familienzuschlag gezahlt zu haben, obwohl er eine entgegenstehende Mitteilung der Familienkasse kannte. Deshalb hätte er dem Antrag des Klägers nicht ohne weitere Prüfung entsprechen dürfen.
 

Der Kläger konnte davon ausgehen, dass sich seine Vermutung bestätigt hatte

Der Kläger konnte demgegenüber davon ausgehen, dass sich seine Vermutung bestätigt hatte und die Mutter der Tochter weiter Kindergeld bezog. Selbst wenn er Zweifel gehegt habe, müsse für ihn nicht offensichtlich gewesen sein, dass er auf den Zuschlag keinen Anspruch hatte.
 
Damit könne sich der Kläger auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Ein Anspruch auf Rückforderung der Überzahlung des Dienstherrn sei damit nicht entstanden.

Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 08. Mai 2020 – 2 K 374/19

Rechtliche Grundlagen

§ 818 BGB

(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.