Nach einem Dienstunfall musste er seinen Hut nehmen. All die geleistete Mehrarbeit blieb dabei auf der Strecke. Copyright by Adobe Stock/Victor Koldunov
Nach einem Dienstunfall musste er seinen Hut nehmen. All die geleistete Mehrarbeit blieb dabei auf der Strecke. Copyright by Adobe Stock/Victor Koldunov

Der Fall ist gar nicht so außergewöhnlich. Ein Polizeibeamter des Saarlandes erlitt einen Dienstunfall. Er verletzte sich dabei so schwer, dass er nicht mehr weiter arbeiten konnte. Das veranlasste das Land, ihn in den Ruhestand zu versetzen. Seine Mehrarbeitsstunden blieben dabei auf der Strecke. Nehmen konnte er sie nicht mehr und abgelten wollte der Dienstherr sie nicht.
 

Das Gesetz fordert zwingende dienstliche Gründe

Beamte könnten zwar eine Vergütung der Mehrarbeit erhalten. Das gelte jedoch nur, wenn es nicht möglich sei, dass sie entsprechende Freizeit aus zwingenden dienstlichen Gründen innerhalb eines Jahres nehmen  - sagt das Verwaltungsgericht.
 
Zwingende dienstliche Gründe lägen nur vor, wenn die Freistellung wegen unaufschiebbarer dienstlicher Aufgaben nicht möglich gewesen sei. Dazu gehöre jedoch nicht der Fall, dass eine Erkrankung dazu zwinge, in den Ruhestand einzutreten. Hier sei die Erkrankung der Grund dafür, dass eine Freistellung nicht erfolgen könne. Die Dienstunfähigkeit des Beamten falle in dessen Privatsphäre, hieß es.
 

Der Dienstunfall war Ursache für die Dienstunfähigkeit

Der Beamte hielt dem entgegen, er habe einen Dienstunfall erlitten. Der Dienstunfall sei die Ursache für seine Dienstunfähigkeit und mithin letztlich auch für seinen Eintritt in den Ruhestand gewesen. Der Dienstunfall gehöre jedoch nicht seiner Privatsphäre an. Die Folgen von Dienstunfällen müsse der Dienstherr tragen.
 
Das Verwaltungsgericht sah jedoch keinen Grund zwischen „normaler“ Dienstunfähigkeit und dienstunfallbedingter Dienstunfähigkeit zu unterscheiden. Aus seiner Sicht bleibt die Tatsache, krankheitsbedingt keinen Dienst leisten zu können, eine Angelegenheit aus der Privatsphäre des*der Beamten*in.
 

Die Dienstbefreiung geht der Abgeltung vor

Das Gesetz verpflichte Beamtinnen und Beamte ohne Vergütung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erforderten. Die Mehrarbeit müsse sich dabei auf Ausnahmefälle beschränken. Würde mehr  Mehrarbeit geleistet, als das Gesetz vorsehe, müsse der Dienstherr dem*der Beamten*in innerhalb eines Jahres grundsätzlich entsprechende Dienstbefreiung gewähren.
 
Nur wenn dies aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich sei könne er stattdessen eine Vergütung zahlen. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. Bei einer Erkrankung handele es sich um einen Zustand, welcher allein der Sphäre des jeweils betroffenen Beamten zugerechnet werden müsse. Deshalb scheide schon nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Vergütung aus.
 

Eine Erkrankung ist kein zwingender dienstlicher Grund

Daran ändere auch nichts, dass der Kläger einen Dienstunfall erlitten habe, der zu einer dauerhaften Dienstunfähigkeit führte. Eine Erkrankung, die zur Dienstunfähigkeit führe, stelle nämlich keinen zwingenden Grund im Sinne des Gesetzes dar. Die Ursache der Erkrankung spiele keine Rolle.
 
Das Gericht verweist ausdrücklich darauf, dass es dies bereits zuvor mehrfach entschieden habe. Es sieht sich insbesondere dabei auch im Einklang mit der allgemeinen Rechtsprechung. Diese rechne eine Erkrankung, gleich welchen Ursprung, immer der persönlichen Sphäre des Beamten zu.
 

Die bisherige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes betrifft andere Fälle

Zwar gebe es Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Erholungsurlaub, der krankheitsbedingt vor dem Eintritt in den Ruhestand nicht genommen werden konnte. Der Kläger befinde sich jedoch keineswegs in einer Situation, die damit vergleichbar wäre. Der Freizeitausgleich verfolge einen völlig anderen Zweck als der Erholungsurlaub.
 
Mehrarbeit sei rechtlich betrachtet eine vorweg erbrachte Arbeitsleistung. Diese müsse der Dienstherr nachfolgend vorrangig in Form von Minderarbeit in die regelmäßige Arbeitszeit einordnen. Daraus folge, dass die Freizeit, die durch Minderarbeit gewonnen werde, rechtlich keine andere Qualität haben könne als eine sonstige arbeitsfreie Zeit.
 

Freizeitausgleich hat einen anderen Zweck als Erholungsurlaub

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes finde auf einen reinen Anspruch auf Zeitausgleich keine Anwendung. Freizeitausgleich erfolge nicht zu einem Zweck, der mit demjenigen des Erholungsurlaubes verglichen werden könne. Er diene allein der Erhaltung der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit.
 
Es gebe zwar Verwaltungsgerichte, die das anders gesehen hätten. Deren Auffassung folge das Gericht jedoch nicht. Bei Dienstunfähigkeit würden Beamte nämlich fortwährend alimentiert. Der Dienstherr nehme dadurch schon besondere Rücksicht auf sie. Er sei deshalb auch nicht verpflichtet, jeden weiteren mit der Dienstunfähigkeit verbundenen Nachteil auszugleichen.
 

Erkrankungen gehören generell zur Privatsphäre

Letztlich bleibt das Verwaltungsgericht dabei, dass die Erkrankung eines*er Beamten*in dessen*deren persönlicher Sphäre zuzuordnen ist. Sie soll daher nicht unter den Begriff der „zwingenden dienstlichen Gründe“ im Sinne des saarländischen Beamtengesetzes fallen. An der bisherigen Rechtsprechung hält das Gericht ausdrücklich fest.
 
Es stellt ergänzend klar, dass nichts anderes gelten soll, wenn der*die Beamte*in deshalb an dem Abbau von Mehrarbeitsstunden durch Dienstbefreiung gehindert war, weil dienstunfallbedingt zunächst eine längerfristige Erkrankung auftrat und anschließend wegen der gesundheitlichen Folgen des betreffenden Dienstunfalls eine vorzeitig Versetzung in den Ruhestand erfolgte.
 
Das Verwaltungsgericht erkennt aber, dass es dazu eine abschließende höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht gibt und hat daher wegen grundsätzlicher Bedeutung des Verfahrens die Berufung zum Oberverwaltungsgericht des Saarlandes zugelassen.
 
Man darf gespannt sein, wie die obere Instanz nun entscheidet.  

Hier geht es zum Urteil
 
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Kein Anspruch auf finanzielle Abgeltung von Mehrarbeit nach dauerhafter Dienstunfähigkeit und Zurruhesetzung

Das sagen wir dazu:

Über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts lässt sich trefflich diskutieren. Zu unterscheiden ist dabei einerseits die Frage, in wessen Sphäre eine dienstunfallbedingte Dienstunfähigkeit fällt, und andererseits, ob die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Abgeltung nicht genommenen Jahresurlaubes Anwendung finden kann.

Die Ursache der Dienstunfähigkeit

Das Verwaltungsgericht sagt, das saarländische Beamtengesetz sehr ausdrücklich nur dann eine Abgeltung von Mehrarbeit vor, wenn diese aus  zwingenden dienstlichen Gründen nicht in Freizeit genommen werden könne. Bestehe die Ursache in einer Krankheit, so sei das generell der Privatsphäre des Beamten zuzuordnen.

Das Gericht verkennt hierbei jedoch, dass die Ursache dafür, dass Freizeitausgleich nicht genommen werden kann, der Dienstunfall selbst ist. Dieser hat zwar auch zur Dienstunfähigkeit geführt, letztlich war es jedoch der Dienstunfall, der die Zurruhesetzung zur Folge hatte. Dieser Dienstunfall liegt aber zweifelsfrei in der Sphäre des Dienstherren. So hat das Verwaltungsgericht meiner Ansicht nach hier den falschen Ansatz gewählt.

Der zwingende dienstliche Grund

Die Frage ist nun, ob diese unfallbedingte Ursache, Freizeit nicht nehmen zu können, einen zwingenden dienstlichen Grund im Sinne des Gesetzes darstellt. Dies ergibt sich zu meiner Überzeugung aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Der Dienstherr ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sehr wohl dazu verpflichtet, seinen Beamten zusätzlichen Ausgleich dafür zu gewähren, dass sie aufgrund eines Dienstunfalles Einschränkungen erleiden.

Das Gesetz sieht hierfür Leistungen der Unfallfürsorge vor. Solche Leistungen der Unfallfürsorge oder vergleichbare Leistungen gibt es in dem Fall, dass ein Beamter ohne einen Unfall erlitten zu haben, dienstunfähig wird, nicht. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber gerade eben doch gesehen hat, dass die Folgen eines Dienstunfalles in die Sphäre des Dienstherrn und nicht in diejenige des Beamten fällt.

Ob man in der Situation die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Abgeltung von nicht genommenen Jahresurlaub zu Hilfe ziehen kann, erscheint mir fraglich. Der Jahresurlaub hat in der Tat einen anderen Zweck.
Über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts lässt sich trefflich diskutieren. Zu unterscheiden ist dabei einerseits die Frage, in wessen Sphäre eine dienstunfallbedingte Dienstunfähigkeit fällt, und andererseits, ob die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Abgeltung nicht genommenen Jahresurlaubes Anwendung finden kann.


Das Gesetz sieht hierfür Leistungen der Unfallfürsorge vor. Solche Leistungen der Unfallfürsorge oder vergleichbare Leistungen gibt es in dem Fall, dass ein Beamter ohne einen Unfall erlitten zu haben, dienstunfähig wird, nicht. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber gerade eben doch gesehen hat, dass die Folgen eines Dienstunfalles in die Sphäre des Dienstherrn und nicht in diejenige des Beamten fällt.

Ob man in der Situation die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Abgeltung von nicht genommenen Jahresurlaub zu Hilfe ziehen kann, erscheint mir fraglich. Der Jahresurlaub hat in der Tat einen anderen Zweck.

Rechtliche Grundlagen

§ 88 BBG

Beamtinnen und Beamte sind verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Werden sie durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht, ist ihnen innerhalb eines Jahres für die Mehrarbeit, die sie über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus leisten, entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren. Bei Teilzeitbeschäftigung sind die fünf Stunden anteilig zu kürzen. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, können Beamtinnen und Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Vergütung erhalten.