Wer sich wehrt muss nicht alles zurückzahlen. Copyright by Catalin Pop/Fotolia
Wer sich wehrt muss nicht alles zurückzahlen. Copyright by Catalin Pop/Fotolia

Um es vorweg zu nehmen: das Gericht schloss sich der Argumentation des Dienstherrn des Bahnbeamten nicht an. Die Verfasserin dieses Artikels, die den Beamten gerichtlich vertreten hatte, konnte damit auch das zweitinstanzliche Verfahren für den Mandanten gewinnen. Schon die erste Instanz war - wenn auch mit anderen Gründen - bereits positiv ausgegangen.

Doch, worum ging es im Verfahren überhaupt?

Beendigung der Abordnung Grund für die Überzahlung

Der Kläger ist Technischer Bundesbahnbeamter. Die Deutsche Bahn AG hatte ihn als Beamten beurlaubt. Während dieser Zeit war er zunächst in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis bei einer Tochtergesellschaft der Bahn AG in Ludwigshafen beschäftigt.
Als sich die Möglichkeit ergab, an seinen Wohnort zurückzukehren, bewarb er sich im Saarland auf einen ausgeschriebenen Beamtendienstposten.

Er erhielt auch den Zuschlag. Allerdings lag die Besoldung ganz erheblich unter dem bisherigen Verdienst aus dem Privatarbeitsverhältnis. Aus Sicht des Dienstherrn im Saarland war das allerdings kein Problem. Nach einigen Verhandlungen schlug man ihm vor, eine variable Jahressonderzahlung in Höhe von monatlich 500 € zu zahlen.

Diese Jahressonderzahlung war weder tariflich vorgesehen noch gab es einen beamtenrechtlichen Anspruch darauf. Das nahm der Dienstherr des Beamten, das Bundeseisenbahnvermögen (BEV) zum Anlass, einen Gesamtbetrag von 4500 € für neun Monate zurückzufordern. Man hielt dem Kläger vor, er habe wissen müssen, dass ihm diese Zahlung als Beamter nicht zugestanden habe. Hinzuverdienste eines*er Beamten*in aus einem Privatarbeitsverhältnis seien auf Grund gesetzlicher Bestimmungen immer anrechenbar. Wie die Anrechnung vorzunehmen sei, ergebe sich aus der geltenden Anrechnungsrichtlinie.

Verwaltungsgericht entscheidet: Geld in gutem Glauben verbraucht

Das Verwaltungsgericht sah das im erstinstanzlichen Verfahren anders. Es ging davon aus, der Kläger habe das Geld verbraucht. Als Technischer Bundesbahnbeamter müsse er keine detaillierten Kenntnisse über das Besoldungsrecht haben.

Zwar habe er eine tarifwidrige Sonderzahlung erhalten. Diesen Betrag habe er aber im Rahmen seiner allgemeinen Lebensführung zum Zeitpunkt der Rückforderung bereits verbraucht gehabt.

Den rechtlichen Mangel der Zahlung habe er im Übrigen auch nicht erkennen müssen. Er sei nicht so offensichtlich gewesen. Dies wäre etwa dann der Fall gewesen, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hätte. Das sei bei ihm jedoch nicht der Fall gewesen. Er sei damit im Sinne des geltenden Rechts „gutgläubig“ gewesen und müsse nichts zurück zahlen.

Nach diesem erstinstanzlichen Urteil konnte der Kläger zunächst davon ausgehen, den Gesamtbetrag der Forderung in Höhe von 4500 € behalten zu dürfen.

Das BEV schloss sich dem Urteil jedoch nicht an und beantragte, die Berufung zuzulassen. Aus Sicht des BEV sollte die Zahlung der Bezüge an den Beamten unter einem sogenannten gesetzesimmanenten Vorbehalt der Rückforderung gestanden haben.

Konkret würde das bedeuten, dass der Kläger zunächst überhaupt nicht sicher sein durfte, sein Geld behalten zu dürfen. Das sollte erst dann anzunehmen sein, wenn das BEV abschließend geprüft hätte, ob die Zahlung richtig war. Das BEV bezog sich dabei auf das Deutsche Bahn Gründungsgesetz. Dort wird geregelt, dass eine Anrechnung etwaigen Nebeneinkommens vorzunehmen ist.

Genau das war bislang auch nicht höchstrichterlich geklärt, so dass das Oberverwaltungsgericht (OVG) die Berufung zuließ.

Kläger hatte Jahressonderzahlung verbraucht

Das OVG stellte in seiner Entscheidung zunächst einmal fest, dass der Kläger Geld erhalten hatte, das ihm nicht zustand. Dieses Geld müsse er grundsätzlich auch zurückzahlen.

Allerdings könne er sich darauf berufen, das Geld verbraucht zu haben. Er habe auch nicht wissen müssen, dass ihm der Betrag nicht zustand.

Das OVG begründet das damit, dass der Kläger zuvor in Ludwigshafen im privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnis mehr verdient hatte als nach seiner Rückkehr ins Saarland. Der Tochterkonzern der DB AG habe mit ihm die Wiedereinstellung als Beamter ins Saarland verhandelt und sei dabei wie der Dienstherr selbst aufgetreten. Zumindest habe der Kläger das so verstehen müssen.

Dass ihm dabei eine Zulage zugesagt worden sei, habe er nicht weiter hinterfragen müssen.

Das Gericht sah im Gegensatz zum Dienstherrn auch keinen sogenannten gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt. Selbst wenn dieser gegeben sein sollte, wird dem BEV vorgehalten, es habe keine Billigkeitsentscheidung unter Berücksichtigung seines eigenen Mitverschuldens getroffen.

Gesetzesimmanenter Rückforderungsvorbehalt bedarf einer besonderen Rechtfertigung

Beamte müssten zu viel erhaltene Bezüge grundsätzlich zurückzahlen. Auf diese Grundregel verwies das OVG zunächst ausdrücklich. Sei das Geld verbraucht, so sei es möglich, sich darauf zu berufen. Das habe der Beamte in diesem Fall getan. Dann müsse ein*e Beamter*in im Regelfall nur dann zurück zahlen, wenn für ihn*sie bekannt oder offensichtlich gewesen sei, dass ein Grund für die Zahlung nicht gegeben war.

Mit dieser Regel habe der Gesetzgeber eine ausreichende Abwägung der öffentlichen Interessen an der Rückzahlung mit dem schutzwürdigen Vertrauen des*der Zahlungsempfängers*in vorgenommen. Ausnahmen hiervon bedürften einer besonderen Rechtfertigung. Sie dürften vor allem nicht zur Umkehr der gesetzlichen Regel führen.

Von einem gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt sei beispielsweise bei den Versorgungsregelungen der Beamten*innen. Der Grund dafür sei darin zu sehen, dass diese im Falle des Bezuges von anderen Einkünften kraft Gesetzes ruhten. Der Ruhensbescheid habe hier nur feststellende Wirkung. Ruhensberechnungen würden auch immer den Vorbehalt späterer Neuberechnungen in sich tragen.

Gleiches gelte für Mehrfachbezüge aus öffentlichen Mitteln. Bezüge würden regelmäßig zu Beginn eines Monats überwiesen. Da könne die Besoldungsstelle noch nicht übersehen, ob es weitere Einkünfte aus öffentlicher Hand gebe. Auch hier gebe es somit einen Grund für den gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt.

Auch etwaige Rückforderungen wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst unterlägen dem gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt. Ähnliches gelte für Abschlagszahlungen oder Rückforderungsansprüche gegenüber Beamten, die aus dem Dienst entlassen würden.

Nicht alle Bezügebestandteile unterliegen dem gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt

Jedoch unterlägen nicht alle Bezügebestandteile generell dem gesetzesimmanenten Rückforderungsvorbehalt, so das OVG. Beispielsweise Ortszuschläge fielen nicht darunter. Der Dienstherr könne durchaus das finanzielle Risiko für Veränderungen tragen, die ihm erst nachträglich bekannt würden.
Das rechtfertige keineswegs eine Abweichung von der gesetzlichen Regel, sondern sei vielmehr deren Folge.

Das OVG spricht sich damit ganz eindeutig gegen eine formalisierte Betrachtung zum Nachteil der Beamten aus. Zunächst ist die gesetzliche Regel zu beachten. Erst besondere Rechtfertigungsgründe lassen eine Umkehr dieser gesetzlichen Regel zu.

Besondere Rechtfertigung bei eindeutig festliegenden Tatbestandsmerkmalen

Bei Ortszuschlägen etwa, die ein*e Beamter*in für seine Kinder erhalte, seien die Voraussetzungen offensichtlich. Da müsse vom Dienstherrn nur noch die konkrete Berechnung erfolgen. Das habe dann nach den üblichen rechtlichen Bestimmungen zu erfolgen. Auch für etwaige Rückforderungen sei dabei keine Sondersituation anzunehmen.

An diesen Konstellationen orientierte sich das OVG bei vorliegenden Fall. Es ging dabei um eine tariflich nicht vorgesehene Jahressonderzahlung an einen Beamten. Hier sei von vorne herein klar, dass diese anzurechnen sei. Das gebe das Gesetz so vor. Es habe sich hier einfach nur um die Berechnung einer Forderung gehandelt.

Etwaige Sondersituationen gebe es hierauf bezogen nicht.

Zwar sei die DG AB ein vielfach untergliederter Konzern. Das Deutsche Bahn Gründungsgesetz gebe aber vor, dass die Tochtergesellschaften hinsichtlich der bei ihr beschäftigten Beamten verpflichtet seien, alle notwendigen Mitteilungen an den Dienstherrn zu machen. Unterbleibe dies, dann sei das von dem*der betroffenen Beamten*in nicht zu vertreten. Das stelle dann auch keinen Sachverhalt dar, der zur Umkehr der üblichen Haftungsregeln führe.

Zulassung der Revision

Das OVG führt in seiner Entscheidung aber aus, dass die Frage eines gesetzesimmanenten Vorbehaltes bei der Anrechnung außerhalb des Beamtenverhältnisses liegender Zahlungen höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde daher zugelassen.

Man mag gespannt sein, wie sich das oberste deutsche Verwaltungsgericht zu dieser Frage stellt.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung des OVG ist einerseits wegen der darin enthaltenen rechtlichen Erwägungen sehr interessant. Das BEV hatte hier versucht, die normal geltenden Haftungsregeln auszuhebeln, obwohl Beamte grundsätzlich schon bei Rückforderungen des Dienstherrn verschärft haften. Trotz dieser verschärften Haftung sieht das geltende Recht aber bei Mitverschulden des Dienstherrn an der Überzahlung vor, dass in bestimmten Situationen keine Rückzahlungspflicht besteht.Die Entscheidung lässt andererseits aber auch einen Blick auf die schwierigen struktuerellen Zusammenhänge im Bahnkonzern zu.Das BEV wollte hier eine unbegrenzte Haftung des Beamten erreichen. Nachvollziehbar scheint das auf den ersten Blick zu sein.Der DB-Konzern besteht aus einer Vielzahl von Töchterfirmen und ist in seiner Struktur kaum noch zu durchschauen. Er ist überwiegend privatwirtschaftlich organisiert, hat aber immer noch eine große Zahl von Beamten.Die Entscheidungsträger in den Konzernen haben oft nur geringe oder keine Kenntnisse vom Beamtenrecht. Das Bundeseisenbahnvermögen als Dienstherr der Bahnbeamten*innen ist weit weg von der Basis und bekommt oft nicht mit, was dort verabredet wird.Zwar sieht das Gesetz eine Mitteilungspflicht der Tochtergesellschaften vor – nur scheint das in der Praxis nicht immer zu funktionieren.Dass dieser organisatorische Mangel nicht auf die beschäftigten Beamten*innen abgewälzt werden kann, hat das OVG nun zu Recht entschieden. Die Beamten haften, wie es das Gesetz vorsieht. Angesichts der strukturellen Schwierigkeiten im Bahnkonzern von einer generellen Rückzahlungsverpflichtung ohne Billigkeitsentscheidung auszugehen, wäre eine nicht zu vertretende Umkehr der Haftungsregeln.Das Urteil des OVG ist daher ausdrücklich zu begrüßen.

Rechtliche Grundlagen

Anrechnungsvorschriften

https://www.gesetze-im-internet.de/bbesg/__10.html
https://www.gesetze-im-internet.de/dbgrg/__12.html