Justizminister*innen fordern Kommission zum „Zivilprozess der Zukunft“, um die Digitalisierung der Justiz voranzutreiben.  ©  Adobe Stock, Von sdecoret
Justizminister*innen fordern Kommission zum „Zivilprozess der Zukunft“, um die Digitalisierung der Justiz voranzutreiben. © Adobe Stock, Von sdecoret

„Die Justizministerinnen und Justizminister stellen fest, dass der Zivilprozess bislang nur punktuell im Zeitalter der Digitalisierung angekommen ist.“ So lautet der erste Satz der Beschlussfassung der Justizministerkonferenz vom 26./27. November 2020. 

Vorschläge der Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses“

Im Mai 2019 hatte die Konferenz der obersten Zivilgerichte des Bundes und der Länder eine Arbeitsgruppe zur „Modernisierung des Zivilprozesses“ eingesetzt. Deren Ergebnisse „begrüßt“ die Jumiko in ihrem Beschluss. 

Sie bittet die Bundesjustizministerin, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die Vorschläge für gesetzliche Weiterentwicklungen erarbeiten soll. Der Bericht enthält folgende Vorschläge:

  1. Der elektronische Zugang zur Justiz soll erleichtert und optimiert werden. Bislang konnte lediglich jeder einzelne Rechtsanwalt und jeder Notar sowie Behörden elektronisch mit den Gerichten kommunizieren. Das lag daran, dass die E-Mail die Schriftform nicht wahrt. Die Arbeitsgruppe stellt Überlegungen an, wie zukünftig Organisationen und Bürger am elektronischen Rechtsverkehr teilnehmen können und fordert auch die Einrichtung von Postfächern für Rechtsanwaltskanzleien.
  2. Perspektivisch soll die Nutzung des Telefax im Gerichtsalltag erschwert werden. Ziel ist dessen Abschaffung.
  3. Es sollen „virtuelle Rechtsantragsstellen“ eingerichtet werden, mit denen rechtssuchende Bürger im Wege der Videokonferenz kommunizieren können.
  4. Es soll ein „elektronischer Nachrichtenraum“ eingerichtet werden, in dem die am Prozess Beteiligten formlos miteinander kommunizieren können.
  5. Für Streitwerte bis 5.000 Euro soll ein „beschleunigtes Online-Verfahren“ eingeführt werden. Zunächst – für die Kläger freiwillig – für massenhaft auftretende Streitigkeiten. Mündliche Verhandlungen sollen – wenn überhaupt – als Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden.
  6. Professionelle Prozessbevollmächtigte sollen den Streitstoff in einem „gemeinsamen elektronischen Dokument“ abbilden.
  7. Die Möglichkeit, Gerichtsverhandlungen als Videokonferenzen durchzuführen, sollen erleichtert werden.
  8. Schließlich werden zahlreiche Vorschläge zur Entbürokratisierung der Verfahren gemacht.

Parteien sollten ins Zentrum der Reform gerückt werden

Die Vorschläge tragen die Handschrift von Praktiker*innen, die offenkundig sehr daran interessiert sind, den „Tanker“ Ziviljustiz voranzubringen. Den Autor*innen ist nicht entgangen, dass Richter*innen und Geschäftsstellen sehr unterschiedlich arbeiten. Nicht nur, aber auch das Prozessrecht hindert sie, neue technische Möglichkeiten einzusetzen, um den Justizgewährungsanspruch zügiger sicherzustellen.

Die Autor*innen haben ihre Vorschläge ersichtlich aus dem Blickwinkel der Justiz entwickelt. Es ist aufschlussreich, dass die Gerichtsleitungen Vorschläge zu Gesetzesänderungen unterbreitet: Es besteht Handlungsdruck, nicht nur bei und von den Gerichten. Interessant auch: Der Leiter der Arbeitsgruppe kündigt gemeinsam mit dem bayerischen Justizminister an, dass die Forderungen in den nächsten Koalitionsvertrag aufgenommen werden sollen.

Bei aller Dringlichkeit darf nicht vergessen werden: Auch das (Zivil-)Prozessrecht ist nicht das Recht der Justiz. Die rechtssuchenden Parteien sind die „Herren des Verfahrens“. Ihre Konflikte sollen beigelegt werden und es gilt, sie ins Zentrum der Reform zu stellen. Ihre Vertreter*innen aus Wirtschaft und Verbänden sowie die Rechtsanwaltschaft sollten im weiteren Verfahren ausreichend zu Wort kommen – auch und gerade in einer vorbereitenden Arbeitsgruppe.

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