Beweise sichert das Sozialgericht auch dann nicht uneingeschränkt, wenn alles kaputt zu gehen droht. Copyright by Adobe Stock / Hortigüela
Beweise sichert das Sozialgericht auch dann nicht uneingeschränkt, wenn alles kaputt zu gehen droht. Copyright by Adobe Stock / Hortigüela

Verfahren beim Sozialgericht sind in der Regel nur dann möglich, wenn Versicherte zuvor einen Antrag bei der Behörde gestellt haben. Lehnt die Versicherung diesen Antrag ab, kann der Betroffene Widerspruch einlegen. Erst nach einem negativen Widerspruchsbescheid, ist der Weg zur Klage beim Sozialgericht frei.


Kann das Sozialgericht Gutachten einholen, bevor die Klage erhoben ist?

Es kommt darauf an. Wünscht ein Versicherter, dass das Sozialgericht einen Sachverständigen vernimmt, damit Beweise gesichert werden können, so ist das an gewisse Voraussetzungen geknüpft. Der Betroffene muss nämlich ein „berechtigtes Interesse“ daran haben, das festzustellen.

Will er erreichen, dass das Gericht Beweise sichert, muss er in seinem Antrag an das Gericht erst einmal die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, genau benennen. Er muss auch die Zeugen oder Beweismittel benennen, die vernommen bzw. herangezogen werden sollen. Schließlich muss er konkrete Tatsachen aufführen, die ein selbstständiges Verfahren zur Sicherung von Beweisen und zur Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen. Soll ein medizinisches Gutachten erstellt werden, braucht er allerdings keinen Arzt namentlich zu benennen.

Wann hat ein Versicherter ein „berechtigtes Interesse“, Beweise zu sichern?

Damit Beweise gerichtlich gesichert werden können, muss die Sache besonders eilig sein. Ein berechtigtes Interesse daran, einen konkreten Zustand festgestellt zu bekommen, hat ein Versicherter etwa dann, wenn die gewünschte Feststellung später nicht mehr oder nur erschwert erfolgen könnte.

Was sagt das Landessozialgericht dazu?

In seinem Beschluss vom April 2020 sagt das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, dass die Umstände des Einzelfalles immer genau geprüft werden müssen. Nur daraus könne sich ein berechtigtes Interesse ergeben. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das sozialgerichtliche Verfahren Besonderheiten habe.

Wie sieht es im vorliegenden Fall aus?

Der Kläger stritt mit der Berufsgenossenschaft darum, ob die Kosten für Krankengymnastik und Lymphdrainage übernehmen müsste. Das Gericht sollte damit letztlich entscheiden, ob die gewünschte Behandlung dauerhaft erforderlich sei, ohne dass ein Rechtsmittelverfahren anhängig war. So etwas werde im Beweissicherungsverfahren aber nicht festgestellt, sagt das Landessozialgericht.

Die Berufsgenossenschaft sei im sozialrechtlichen Verfahren nämlich dazu verpflichtet, mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig den aufgetretenen Gesundheitsschaden zu beseitigen, zu bessern oder seine Verschlimmerung zu verhüten. Sicher könne durch die vom Versicherten gewünschte Behandlung durchaus vermieden werden, dass sich die Folgend des Unfalles verschlimmern würden. Deshalb allein gebe es aber noch kein berechtigtes Interesse daran, Beweise zu sichern.

Wann liegt im sozialgerichtlichen Verfahren ein berechtigtes Interesse an der Beweissicherung vor?

Ein rechtliches Interesse an der Sicherung von Beweisen sei nach dem Gesetz gegeben, wenn das Verfahren dazu führe, dass ein Rechtsstreit vermieden werden könne. Im Sozialgericht bestehe jedoch die Besonderheit, dass die Behörden die Aufgabe hätten, den Sachverhalt außerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens selbst zu ermitteln.

Das bedeute, dass im sozialgerichtlichen Verfahren eine Beweissicherung durch die Gerichte grundsätzlich hinter der Ermittlung von Amts wegen zurücktrete. Betroffene könnten sich also nur in ganz besonderen Fällen Beweise durch das Gericht sichern lassen.

Welche Folgen hat eine Verletzung der Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen?

Die Verletzung der Pflicht, von Amts wegen zu ermitteln, lasse ein gesondertes Verfahren zur Sicherung von Beweisen zu. Der Betroffene müsse deswegen dann auch befürchten, mögliche Ansprüche nicht oder nur verspätet durchsetzen zu können.

Entsprechendes sei in diesem Fall jedoch nicht anzunehmen. Der Versicherte habe im Verfahren vorgetragen, ihm fehle nach der unzureichenden Untersuchung eines Gutachters das Vertrauen in die Ärzte, die die Unfallversicherung beauftragt hatte. Dies stelle eine subjektive Einschätzung dar. Der Betroffene gehe offensichtlich von dem Vorurteil aus, dass alle Ärzte, die die Berufsgenossenschaft beauftragt habe, gegen die Interessen der Versicherten handelten. Dafür gebe es jedoch keine Anhaltspunkte. Das Verfahren zur Sicherung von Beweisen blieb deshalb auch erfolglos.