Voller Steuersatz? Copyright by Daria /Adobe stock
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Zu unterscheiden ist, ob es sich um einen Urlaubsanspruch aus nur einem Jahr oder aus mehreren Jahren handelt.
 

Urlaubsanspruch aus einem Jahr

Maria hat ihren gesamten Urlaub aus dem Jahr 2018 genommen. Als das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2019 endet, hat sie noch 20 Tage Resturlaub. Diesen Urlaub muss Marias Arbeitgeber abgelten. Maria muss die Urlaubsabgeltung  als „sonstige Bezüge“ versteuern. Sie hat den vollen Steuersatz zu entrichten.
 

Urlaubsansprüche aus mehreren Jahren

Maria ist vom 1. Januar 2018 bis zum Ende ihres Arbeitsverhältnisses am
29. Februar 2020 durchgehend arbeitsunfähig krank. Deshalb hat sie Anspruch auf eine Abgeltung des Urlaubs aus den Jahren 2018, 2019 und 2020.
Die Abgeltung unterläge einem ermäßigten Steuersatz, wenn es sich dabei um eine „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten“ handelte.
 

Unterschiedliche Entscheidungen der Instanzgerichte

Zur Frage, ob die Abgeltung von Urlaub aus mehreren Jahren eine „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten“ darstellt, gibt es unterschiedliche Urteile von Finanzgerichten.
 

Finanzgericht Hamburg

Ein Arbeitnehmer hatte einen Abgeltungsanspruch für Urlaub aus den Jahren 2015 und 2016, als das Arbeitsverhältnis 2016 endete.

Das Finanzgericht Hamburg kam zu dem Ergebnis, dass der volle Steuersatz zu entrichten sei. Eine „Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten“ liege nicht vor.
Zwar sei die Urlaubsabgeltung sowohl für 2015 als auch für 2016 im selben Jahr zugeflossen. Aber es handle sich nicht um eine Vergütung für mehrere Jahre, weil jeder der beiden Ansprüche auf Urlaubsabgeltung jeweils auf nur ein Jahr bezogen gewesen sei.
 

Finanzgericht Münster

Ein Arbeitnehmer hatte drei Jahre lang Überstunden geleistet, die er zunächst nicht bezahlt bekam. Als die gesamte Überstundenvergütung kam, erhob das Finanzamt darauf den vollen Steuersatz.

Das Finanzgericht Münster kam zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer lediglich einen ermäßigten Steuersatz zu bezahlen habe. Denn es liege ein zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit vor. Denn es war gerade das Ziel des Arbeitgebers, die über mehrere Jahre geleisteten Überstunden abzugelten.

Gegen diese Entscheidung hat das Finanzamt Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt (AZ: VI R 23/19). Eine Entscheidung des höchsten deutschen Finanzgerichts liegt derzeit noch nicht vor.
 

Praktische Konsequenzen

Es damit zu rechnen ist, dass die Finanzämter an der Praxis der Vollversteuerung festhalten. Deshalb können und sollten Betroffene gegen entsprechende Bescheide des Finanzamtes Einspruch einlegen. Zur Begründung können sie auf das Verfahren vor dem Bundesfinanzhof verweisen. Gleichzeitig sollten Betroffene das Ruhen ihres Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofes beantragen.

FG Hamburg 6. Senat, Urteil vom 19.03.2019, 6 K 80/18
Finanzgericht Münster, Urteil vom 23.05. 2019, 3 K 1007/18 E