© Adobe Stock - Von studio v-zwoelf
© Adobe Stock - Von studio v-zwoelf

Neumann und seine Frau fertigen seit Jahren ihre Steuererklärung online über ein elektronisches Programm. Diesmal scheint irgendwas mit der Übertragung nicht geklappt zu haben. Denn Neumanns erhalten danach noch ein Schreiben vom zuständigen Finanzamt mit der Aufforderung doch endlich ihre Steuererklärung abzugeben.

Was dann passiert: Letztlich liegt bei der Behörde die Erklärung doppelt und mit unterschiedlichen Zahlen vor. Der Steuerbescheid enthält dann die Zahlen, der zweiten Übermittlung und die sind für Neumann durch ein Versehen deutlich ungünstiger.

 

Keine Überprüfung des Bescheids

 

Nach der zweiten Versendung der Steuererklärung kam dann irgendwann der Steuerbescheid. Wie so oft in der hektischen Zeit ist vieles andere vordringlich, so dass die Neumanns sich gar nicht mit dem Bescheid beschäftigt haben und nur die darin vom Finanzamt geforderte Nachzahlung entrichteten. Irgendwann merkten sie, dass sie zu viel bezahlt haben.

 

Was passiert, wenn Neumanns die Einspruchsfrist verpasst haben? Ist da noch was zu machen? Nach Ablauf der Einspruchsfrist werden Bescheide bestandskräftig und können dann nur noch ganz eingeschränkt überprüft werden. Das hat mit Rechtssicherheit zu tun.

 

Angst vor Verböserung beim Einspruch unnötig

 

Neumann hat auch deshalb den Bescheid nicht überprüft, weil er eine diffuse Angst hat, dass er es durch einen Einspruch noch schlimmer macht, und die Behörde bisher Günstiges nun, weil er sich wehrt, zu seinen Lasten auslegt. Der Begriff dafür ist „verbösern“. Da Neumann ja grundsätzlich korrekte Angaben gemacht hat, muss er keine Angst haben. Denn, wenn das Finanzamt eine Verböserung vornehmen will, weil von dort der Sachverhalt nun anders bewertet werden soll, muss es ihn dazu anhören. Das heißt, er würde ein Schreiben bekommen, in dem angekündigt wird, was das Finanzamt zu seinen Lasten ändern will. Hier kann Neumann dem dann entgehen, in dem er den Einspruch zurücknimmt. O.k., das weiß er jetzt für das nächste Mal.

 

Digitale Meldungen müssen auch überprüft werden

 

Neumanns hatten die korrekten Daten und Zahlen mit dem ersten Versuch ordnungsgemäß übermittelt. Einige Tage später kam die Aufforderung des Finanzamts, sie sollten die Steuererklärung übermitteln. Die Neumanns vermuteten, dass die Übermittlung nicht korrekt erfolgt sei. An eine zeitliche Überschneidung des Schreibens mit dem digitalen Übermitteln haben sie nicht gedacht. Jeder, der schon mal lange in telefonischen Warteschleifen von Behörden verhungert ist, kann verstehen, dass die Neumanns dann sagten, sie übermitteln einfach noch mal neu und gut ist.

Das ließ aber das bisher verwendete Programm nicht zu.

 

Sie griffen deshalb auf ein zweites Programm zurück und haben die Erklärung dann mit Hilfe des zweiten Programms übermittelt. Mit diesem Programm passierte dann ein erheblicher Fehler. Es wurden nicht die Mieteinnahmen des Vorjahres mit den neuen Einnahmen überschrieben, sondern es wurde eine Addition vorgenommen, mit der Folge, dass ungefähr doppelt so viele Mieteinnahmen, wie tatsächlich angefallen waren, übermittelt wurden. Das war Neumanns nicht aufgefallen.

 

Zwei Steuererklärungen, muss das dem Finanzamt nicht auffallen?

 

Ja das muss und ist dem Finanzamt aufgefallen, denn beide Erklärungen lagen ja vor. Da die Erklärungen kurz hintereinander kamen, ging das Finanzamt davon aus, dass mit der zweiten Erklärung die erste berichtigt werden sollte. Kommunikation würde man sich wünschen, aber das ist heute leider kaum noch vorgesehen.

 

Spätere Korrektur nicht zugelassen

 

Irgendwann bemerkten die Neumanns, dass sie viel zu viel Mieteinnahmen erklärt hatten.

 

Da die Einspruchsfrist abgelaufen war, versuchten sie es mit einem Berichtigungsantrag, den sie mit diversen Begründungen einreichten. Das Finanzamt lehnte eine Berichtigung ab, so dass Neumanns vor dem Finanzgericht klagten.

 

Finanzgericht wirft Neumanns grobes Verschulden vor

 

Das Finanzgericht Niedersachsen verweist in seinem Urteil darauf, dass Korrekturen nach Ablauf der Einspruchsfrist nur zuzulassen sind, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden des steuerlichen Sachverhalts trifft. Grobe Fahrlässigkeit und damit grobes Verschulden liegt vor, wenn der Steuerpflichtige, die ihm nach persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und nicht entschuldigender Weise verletzt hat.

 

Das Gericht führt weiter aus, das reine Vertippen könne noch ein unbewusstes mechanisches Versehen sein, was nicht grob fahrlässig ist. Aber als grobe Fahrlässigkeit wurde angesehen, dass Neumanns vor dem Absenden der Daten diese nicht überprüft haben. Das Auswählen der Daten aus einem gespeicherten Ordner auf dem PC der Steuerpflichtigen sei kein Schreib- oder Rechenfehler im Sinne des Gesetzes (§ 173 a Abgabenordnung).

 

Und außerdem sei es grob fahrlässig, die übersichtliche Anzahl von Zahlen im Steuerbescheid nicht während der Einspruchsfrist überprüft zu haben.

 

Kein Einspruch vor Erteilung des Bescheids

 

Neumanns thematisierten noch einmal den Ablauf. Das Finanzamt habe die zweite Erklärung nicht einfach als Berichtigung der ersten werten dürfen. Das Gericht hielt das jedoch für zulässig.

Richtigerweise, so die Neumanns, hätte man die zweite Erklärung doch als Einspruch sehen/werten müssen. Auch dem widersprach das Gericht. Zu dem Zeitpunkt der Einreichung der zweiten Erklärung lag noch gar kein Steuerbescheid vor. Und bevor ein solcher nicht vorliege, könne auch nicht Einspruch eingelegt werden.

 

Somit wurde die Klage abgewiesen und Neumanns mussten eine Steuerlast tragen, die bei richtiger Erklärung oder fristgerechter Einspruchseinlegung nicht angefallen wäre.

 

Auch keine offenbare Unrichtigkeit

 

Neumanns halten eine Berichtigung auch wegen offenbarer Unrichtigkeit für gerechtfertigt. Es hätte doch dem Finanzamt auffallen müssen, dass sie auf einmal das doppelte an Mieteinnahmen haben sollten. Hier führt das Gericht aus, dass eine offenbare Unrichtigkeit i.S. d. § 129 AO ausscheidet, wenn sich die Unrichtigkeit nicht aus der Steuererklärung selbst ergibt, sondern dafür auf Akten der Vorjahre zurückgegriffen werden muss.

 

Immerhin wurde die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen und ist dort unter dem Aktenzeichen IX R 17/22 anhängig.

Das sagen wir dazu:

Dumm gelaufen, wird mancher sagen. Der Sachverhalt hatte natürlich noch mehr Verästelungen, aber die Sache zeigt ein grundsätzliches Problem. Immer noch vertrauen viel zu viele Menschen darauf, dass Bescheide von Behörden richtig sind, und legen sie mehr oder weniger ungelesen weg.

 

Egal von welchem Amt ein Bescheid ins Haus flattert: Ist dieser mit einer Rechtsmittelfristbelehrung versehen, dann nehmen Sie das bitte ernst und prüfen den Bescheid in diesem Zeitraum selber oder lassen ihn prüfen. Wird die Zeit zu knapp kann oft - ohne Kosten zu verursachen - Widerspruch oder Einspruch eingelegt werden, um sich damit Zeit zur Überprüfung zu verschaffen. Änderungswünsche nach Bestandskraft scheitern meist.