Bei Nachzahlungen des Arbeitgebers ist der Nettolohn wegen höherer Steuern niedriger. Diesen Steuerschaden muss der Arbeitgeber ersetzen.
Bei Nachzahlungen des Arbeitgebers ist der Nettolohn wegen höherer Steuern niedriger. Diesen Steuerschaden muss der Arbeitgeber ersetzen.


Gar nicht so selten kommt vor, dass nach Streitigkeiten der Arbeitgeber Geld nachzahlen muss. Wenn dann Gehaltsnachzahlungen mit anderen Zahlungen zusammentreffen und etwa erst im nächsten Jahr erfolgen, fallen durch die Steuerprogression deutlich höhere Steuern an.

 

Problem: Steuerprogression

 

Neumann wurde zu Oktober 2016 gekündigt. Im Oktober 2017 einigte man sich bei Gericht darauf, dass das Arbeitsverhältnis bis Februar 2017 fortbestand und Neumann das Gehalt bis zu diesem Zeitpunkt nachbezahlt wird.

 

Neumann hatte sich auf diesen Vergleich eingelassen, weil er seit März 2017 eine neue Stelle hatte und die viermonatige Arbeitslosigkeit vom November 2016 bis Februar 2017 durch die Gehaltsnachzahlung getilgt war. 

 

Falls es also schief geht mit der neuen Stelle, hätte er wieder einen vollen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Er hat sich seine alten Lohnabrechnungen genommen, die sahen wir folgt aus:

  • 3200 € brutto 
  • 553,88 Steuern (Lohnsteuer 483,75, Soli 26,60 Kirchensteuer 43,53) 
  • 664,80 Sozialabgaben (Rentenversicherung (18,7%) 299,20, Krankenversicherung (15,7 %) 268,80 Pflegeversicherung (2,8 %) 48,80 und Arbeitslosenversicherung (3 %) 48,00)
  • Nettolohn 1981,32

Gehaltsnachzahlungen sind sonstige Bezüge.

 

Sein Arbeitslosengeld beträgt ungefähr 60 %, also 1188,79 Euro. Neumann rechnet: die Agentur für Arbeit bekommt ihr Geld wieder, also monatlich 1188,79. Beim Nettolohn von 1981,32 verbliebe dann ein Restbetrag von 792,53 Euro. Für vier Monate sind das immerhin 3170,12 € netto.

Doch was passiert? Neumann , der vorher Steuerklasse I hatte, erhält eine Abrechnung im November 2017 mit der Steuerklasse VI. Für sonstige Bezüge, wie etwa Gehaltsnachzahlungen, die nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis geleistet werden, sind der Lohnsteuerermittlung die ELStAM zugrunde zu legen, die am Ende des Kalendermonats des Zuflusses Gültigkeit haben. 

 

Hierfür hat der Arbeitgeber neue ELStAM aus der Datenbank anzufordern und abzurufen. Dies ist Steuerklasse VI, wenn ein neues Beschäftigungsverhältnis aufgenommen wurde. 

 

Wegen neuem Arbeitsverhältnis ungünstigere Steuerklasse VI

 

Bei 3200 Euro brutto fällt jetzt eine Steuerlast von 980,97 an (Lohnsteuer 856,75, KiSt 77,10 Soli). Wir machen eine vereinfachte Beispielrechnung, damit das Prinzip zu verstehen ist.

 

Die neue Steuer beträgt 980,97. Wenn rechtzeitig gezahlt worden wäre betrüge die Steuer 553, 88, so dass ein Unterschied von 426,19 Euro besteht. Neumann hätte also schon bei der Nachzahlung für einen Monat 426,19 Euro weniger im Portemonnaie, als wenn er das Geld pünktlich erhalten hätte. Wegen der Steuerprogression erhöht sich die Differenz noch wesentlich, wenn vier Monatsgehälter nachbezahlt werden. 

 

Neumann ärgert sich: So war das nicht gedacht. Muss diese höheren Steuern nicht der Arbeitgeber zahlen? Der hat das doch alles verursacht durch seine unberechtigte Kündigung. Er will auf Ersatz des Schadens klagen. Aber welches Gericht ist zuständig?

 

Für Streit um Steuernachzahlung ist das Arbeitsgericht zuständig.

 

Ein Arbeitgeber trug im Verfahren vor dem Arbeitsgericht vergebens vor, dass für Steuerstreitigkeiten das Arbeitsgericht nicht zuständig sei. Dem widersprach das Arbeitsgericht und dann das Landesarbeitsgericht.

 

Der Schaden entstehe, weil Arbeitsvergütungen grundsätzlich im Steuerjahr des Zuflusses zu versteuern seien. Das gelte auch dann, wenn die Arbeitsvergütung für ein dem Steuerjahr vorangegangenes Beschäftigungsjahr nachgezahlt werde.

 

Ergebe sich dann durch die Steuerprogression eine erhöhte Steuerbelastung, könne der Arbeitnehmer diese im Wege des Schadensersatzes vor den Arbeitsgerichten geltend machen.

 

Der Steuerschaden muss vom Arbeitgeber ersetzt werden

 

So haben das diverse Landesarbeitsgericht entschieden. Die Gerichte haben in den Entscheidungen klargestellt, dass dem Arbeitnehmer grundsätzlich ein Schadensersatzersatzanspruch zum Ersatz des Steuerschadens zusteht, wenn der Arbeitgeber Arbeitsvergütung aus Vorjahren nachzahlt. So z.B. das LAG Rheinland-Pfalz 17.03.2016 5 Sa 148/15 LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 13.5.2016 2 Sa 63/16.

 

Soweit so gut, aber der Teufel liegt im Detail. Denn der Steuerschaden muss konkret durch tatsächliche Berechnung dargelegt werden. Daran scheiterte die Berufungsklägerin in einem Fall des LAG Berlin-Brandenburg.

 

Denn das Gericht hält für erforderlich, dass

 

  • die tatsächliche Steuerberechnung für die den Zahlungszeitraum bestimmenden Jahre,
  • die fiktiven Bruttobezüge für die den Zahlungszeitraum bestimmenden Jahre, sowie
  • die sich daraus ergebenden Differenzen der Steuerzahlungen dargelegt werden

 

Auch steuerfreie Leistungen wie Arbeitslosengeld erhöhen den Steuersatz

 

Wir versuchen eine Berechnung für Neumann. Im Jahr 2016 hat er 10 Monate seine Bruttovergütung erhalten und für November und Dezember Arbeitslosengeld. Arbeitslosengeld ist zwar grundsätzlich steuerfrei aber unterliegt der Steuerprogression. 

 

Es ist dann wie folgt zu rechnen: Beim ledigen Neumann hat das zu versteuernde Jahreseinkommen 25.000 betragen. Da liegt der Steuersatz nach der Grundtabelle bei 15,65 %. Insgesamt muss er 3.913 Einkommensteuer zahlen, hinzu kommen eventuell noch die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag.

 

Hat er 3.000 € Arbeitslosengeld bekommen wird in der Grundtabelle nachgeschaut. 25.000 Lohn und 3.000 Arbeitslosengeld ergeben ein Einkommen von 28.000. Wie hoch ist der Steuersatz? Er beträgt 17,15 %.

Akribische Berechnung notwendig

 

Dieser erhöhte Steuersatz wird dann auf die 25.000 berechnet und schwupps sind es schon 374,50 an reiner Einkommensteuer mehr angefallen. Dazu kommt noch höhere Kirchensteuer und höherer Solidaritätszuschlag. Das ist schon mal der Schaden für 2016.

 

Für 2017 hat er keine Steuerprogression aufgrund von Arbeitslosengeld, weil die Agentur für Arbeit nach dem Vergleich noch im Jahr 2017 ihr Geld wiederbekommen hat.

 

Er hat auch die zwei Gehälter für Januar und Februar im Jahr 2017 nachgezahlt bekommen, jedoch mit Steuerklasse VI. Lohnsteuer wird letztlich auf das Einkommen im Kalenderjahr berechnet. Daher muss nach Auffassung der Autorin jetzt akribisch gerechnet und getrennt werden. 

 

Für Steuerlaien schwierige Darlegung/Berechnung des Schadens

 

Welchen Anteil bekommt Neumann vom Finanzamt wieder, weil durch die Steuerklasse VI zu viel bezahlt wurde und welche Steuer, die er nicht vom Finanzamt erstattet bekommt, hat der Arbeitgeber durch die Nachzahlung zusätzlich verursacht? 

 

Schaden ist hier die Differenz von der Steuer, die Neumann letztlich nach Abrechnung mit dem Finanzamt mehr bezahlen muss, als wenn der Lohn monatlich zur Fälligkeit gezahlt worden wäre. Genau dieser Schaden muss dem Arbeitsgericht dann schlüssig dargelegt werden.

 

Links

 

Hier gibt es  das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13.5.2016, Az: 2 Sa 63/16 hier im Volltext zum Download

 

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Das sagen wir dazu:

Einen vom Arbeitgeber durch die Nachzahlung von Lohn verursachten Steuerschaden muss niemand hinnehmen. Die Gerichte sind sich da einig. Den Steuerschaden, den ein Arbeitnehmer durch die Nachzahlung erleidet, ist vom Arbeitgeber zu erstatten. Das ist nur gerecht. Eine solche Klage muss aber gut vorbereitet sein, wie die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zeigt. Zu wenig Darlegung führte dort endgültig zur Abweisung der Klage.

 

Rechtliche Grundlagen

§ 249 BGB

Art und Umfang des Schadensersatzes
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) 1Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. 2Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.