Wenn sie sich bewirbt, muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung informieren.  Copyright by Adobe Stock/petrushin1984
Wenn sie sich bewirbt, muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung informieren. Copyright by Adobe Stock/petrushin1984

Mit dieser Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 27. November 2019 beschäftigt.
 

Was war geschehen?

Ein Bundesland suchte eine Grafikerin. Es meldeten sich 50 Bewerber*innen. Darunter war auch eine schwerbehinderte Frau.
Die Landesverwaltung stellte alle Bewerbungsunterlagen in ein Online-Portal ein. Die Schwerbehindertenvertretung hatte Zugriff auf dieses Portal. Ein gesonderter Hinweis an die Schwerbehindertenvertretung, dass sich eine schwerbehinderte Person unter den Bewerbern befand, erfolgte nicht.
Nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens teilte das Land der schwerbehinderten Frau mit, dass sie die Stelle nicht bekomme.
Die Grafikerin zog vor das Arbeitsgericht und verlangte Schadensersatz für. Das Land habe sie wegen ihrer Behinderung benachteiligt.

Wie ist die rechtliche Situation?

Voraussetzung für Schadensersatz ist unter anderem, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vorliegt. Verstößt der Arbeitgeber gegen Vorschriften zugunsten schwerbehinderter Menschen, ist grundsätzlich zu vermuten, dass eine Benachteiligung vorliegt.
 
Das Landesarbeitsgericht hatte also die Frage zu beantworten, ob das Bundeslandes in seinem Bewerbungsverfahren gegen solche Vorschriften verstoßen hat.
 

Welche Pflichten hat der Arbeitgeber?

Bewerben sich schwerbehinderte Menschen auf eine Stelle, schreibt das Sozialgesetzbuch IX vor, dass der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung unmittelbar nach Eingang der Bewerbung darüber unterrichten muss.
 

Was ist Sinn und Zweck dieser Informationspflicht?

Der Arbeitgeber soll gegenüber der Schwerbehindertenvertretung frühzeitig Transparenz über die eingegangenen Bewerbungen schaffen. Nur so ist das Gremium in der Lage, sich inhaltlich auf Augenhöhe mit dem Arbeitgeber auseinanderzusetzen.
Die Information hat so umfassend und frühzeitig zu erfolgen, dass die Schwerbehindertenvertretung in der Lage ist, die Interessen der schwerbehinderten Menschen sachgerecht zu vertreten.
 

Welchen Schluss zieht das Landesarbeitsgericht daraus?

Dieser Zweck sei nur zu erreichen, wenn der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung zielgerichtet über eingegangene Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen informiere. Sonst bestünde die Gefahr, dass die Schwerbehindertenvertretung bei Durchsicht der Unterlagen von 50 Bewerber*innen übersieht, dass auch die Bewerbung einer schwerbehinderten Frau vorliegt.
Erforderlich sei also, dass der Arbeitgeber die Pflicht habe, die Schwerbehinderteneigenschaft der Bewerberin in transparenter Form mitzuteilen.
Dafür reiche der Zugriff auf das Portal allein nicht aus. Denn die Schwerbehindertenvertretung sei nicht bei allen Bewerbungsverfahren zu beteiligen, sondern nur bei denjenigen, bei denen sich ein schwerbehinderter Mensch bewirbt. Wenn die Vertretung jedoch nicht die ausdrückliche Information erhält, dass sich ein schwerbehinderter Mensch beworben hat, kann sie auch nicht beurteilen, in welche Bewerbungsunterlagen sie Einblick nehmen darf. Damit besteht die Gefahr, dass die Schwerbehindertenvertretung nichts von der Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen erfährt und seine Interessen deshalb nicht vertreten kann.
 

Was bedeutet das für die Klägerin?

Wegen des Verstoßes gegen die Informationspflicht, aber auch, weil das Land sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, sprach das Landesarbeitsgericht ihr Schadensersatz in Höhe von 6345,10 Euro zu.

LAG Berlin-Brandenburg Entscheidung vom 27. November 2019; 15 Sa 949/19