Alkohol und Zigaretten in der Schwangerschaft gefährden das Leben des ungeborenen Kindes in höchstem Maße – und das weiß sicher auch jede werdende Mutter. Copyright by Adobe Stock/detailblick-foto
Alkohol und Zigaretten in der Schwangerschaft gefährden das Leben des ungeborenen Kindes in höchstem Maße – und das weiß sicher auch jede werdende Mutter. Copyright by Adobe Stock/detailblick-foto

Opferentschädigung kann nur verlangen, wer vor der Geburt durch den fortgesetzten Alkoholmissbrauch seiner Mutter in der Schwangerschaft dadurch geschädigt wird, dass die Grenze zum kriminellen Unrecht überschritten ist. Das hat das Bundessozialgericht entschieden.
 

Versuchter Schwangerschaftsabbruch

Der Alkoholmissbrauch müsse auf einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft gerichtet sein, so das Bundessozialgericht in seiner Pressemitteilung.
 
Die Klägerin hatte durch den Alkoholmissbrauch ihrer Mutter in der Schwangerschaft eine erhebliche Entwicklungsverzögerung erlitten. Sie war infolgedessen schwerbehindert. Ihr Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz lehnte die Behörde jedoch ab. Auch das Sozialgericht und das Landessozialgericht sprachen der Klägerin keine Leistungen zu.
 

Erhöhter Alkoholkonsum ist nachgewiesen

Nachdem die unteren Instanzen die Eltern als Zeugen im Verfahren hörten, stellte sich zwar heraus, des die Mutter während der Schwangerschaft in erheblichem Umfang Alkohol konsumierte.
 
Das Bundessozialgericht führt in seinem Urteil aus, der Schutzbereich des Opferentschädigungsgesetzes umfasse auch die Leibesfrucht. Ein vorgeburtlicher Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft könne ein tätlicher Angriff auf das ungeborene Kind sein. Deshalb könne die Angelegenheit genauso behandelt werden, als habe die Mutter das Kind vergiften wollen.
 

Körperverletzung kommt nicht in Betracht

Das sei jedoch nur dann der Fall, wenn der Alkoholkonsum der Schwangeren auf einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft hinziele. Die Mutter müsse also versucht haben, das ungeborene Kind zu töten. Die Tatbestände der Körperverletzung, die das Gesetz ansonsten regele, würden nach dem Willen des Gesetzgebers für eine Schwangere im Verhältnis zu ihrem ungeborenen Kind nicht gelten.
 
Im Verfahren habe sich allerdings nicht feststellen lassen, dass die Mutter die Schwangerschaft vorsätzlich abbrechen wollte. Sie habe auch den Tod des ungeborenen Kindes infolge ihres Alkoholkonsums nicht als möglich angesehen und auch nicht billigend in Kauf genommen.
 
Im speziellen Fall wurde der Klägerin daher von Seiten des Bundessozialgerichts ein Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz nicht zugesprochen.

Hier geht es zur Pressemitteilung

Rechtliche Grundlagen

§ 1 OEG

(1) Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Die Anwendung dieser Vorschrift wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Angreifer in der irrtümlichen Annahme von Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds gehandelt hat.
(2) Einem tätlichen Angriff im Sinne des Absatzes 1 stehen gleich

1.
die vorsätzliche Beibringung von Gift,
2.
die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen.

(3) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden sind; Buchstabe e gilt auch für einen Unfall, den der Geschädigte bei der unverzüglichen Erstattung der Strafanzeige erleidet.
(4) Ausländerinnen und Ausländer haben dieselben Ansprüche wie Deutsche.
(5) Die Hinterbliebenen eines Geschädigten erhalten auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft erhalten Leistungen in entsprechender Anwendung der §§ 40, 40a und 41 des Bundesversorgungsgesetzes, sofern ein Partner an den Schädigungsfolgen verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt; dieser Anspruch ist auf die ersten drei Lebensjahre des Kindes beschränkt.
(6) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die ein Berechtigter oder Leistungsempfänger nach Absatz 1 oder 5 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 oder 5 des Bundesversorgungsgesetzes, eine Pflegeperson oder eine Begleitperson bei einer notwendigen Begleitung des Geschädigten durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes erleidet.
(7) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.
(8) Dieses Gesetz ist nicht anzuwenden auf Schäden aus einem tätlichen Angriff, die von dem Angreifer durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers verursacht worden sind.
(9) § 1 Abs. 3, die §§ 64 bis 64d, 64f sowie 89 des Bundesversorgungsgesetzes sind mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde tritt, sofern ein Land Kostenträger ist (§ 4). Dabei sind die für deutsche Staatsangehörige geltenden Vorschriften auch für von diesem Gesetz erfaßte Ausländer anzuwenden.
(10) § 20 des Bundesversorgungsgesetzes ist mit den Maßgaben anzuwenden, daß an die Stelle der in Absatz 1 Satz 3 genannten Zahl die Zahl der rentenberechtigten Beschädigten und Hinterbliebenen nach diesem Gesetz im Vergleich zur Zahl des Vorjahres tritt, daß in Absatz 1 Satz 4 an die Stelle der dort genannten Ausgaben der Krankenkassen je Mitglied und Rentner einschließlich Familienangehörige die bundesweiten Ausgaben je Mitglied treten, daß Absatz 2 Satz 1 für die oberste Landesbehörde, die für die Kriegsopferversorgung zuständig ist, oder die von ihr bestimmte Stelle gilt und daß in Absatz 3 an die Stelle der in Satz 1 genannten Zahl die Zahl 1,3 tritt und die Sätze 2 bis 4 nicht gelten.
(11) Im Rahmen der Heilbehandlung sind auch heilpädagogische Behandlung, heilgymnastische und bewegungstherapeutische Übungen zu gewähren, wenn diese bei der Heilbehandlung notwendig sind.