Grundsicherung im Alter: Besondere Umstände sind zu berücksichtigen. Copyright by Stockfotos-MG/Fotolia
Grundsicherung im Alter: Besondere Umstände sind zu berücksichtigen. Copyright by Stockfotos-MG/Fotolia

Ein 75-jähriges Ehepaar bezieht Altersrenten und ergänzend vom beklagten Kreis Grundsicherung im Alter. Sie bewohnen eine 62 m2 große Wohnung. Die Bruttokaltmiete beträgt 580 Euro monatlich.
Die Ehefrau ist gehbehindert. Sie kann sich in der Wohnung nur mit Gehstock und Rollator fortbewegen. Sie ist anerkannte Schwerbehinderte. Ihr wurden ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit) und B (Berechtigung für eine ständige Begleitung) zugesprochen. Zwischenzeitlich wurde ihr ein Rollstuhl verordnet.
Das Sozialamt wies die die Eheleute darauf hin, dass in ihrem Umfeld eine Bruttokaltmiete von 461 Euro monatlich angemessen sei. Sie wurden aufgefordert, eine kostengünstigere Wohnung zu suchen. Vorübergehend übernahm das Sozialamt aber noch für mehrere Jahre die tatsächlichen Kosten.
 

Sozialamt berücksichtigt nicht die besonderen Umstände

Zur Mitte des Jahres 2017 übernahm der beklagte Kreis nur noch die von ihm für angemessen gehaltenen Kosten. Begründet wurde dies damit, dass die Eheleute ausreichende Bemühungen zur Kostensenkung nicht nachgewiesen hätten. Die Kläger wandten ein, sie würden gerne in eine behindertengerechte Wohnung umziehen. Solche aber seien zu dem vom Beklagten genannten Mietpreis nicht zu bekommen. Im Übrigen könnten sie auch nicht aus ihrer Gegend wegziehen, weil ihre Töchter eigens zugezogen seien, um sie pflegerisch zu unterstützen.
 

Sozialgericht gibt den Klägern Recht

In seiner Entscheidung kommt das Sozialgericht (SG) ebenso wie der Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Wohnung der Kläger zwar nach den vorliegenden statistischen Erhebungen zu teuer sei. Es sei jedoch nachvollziehbar, dass es den betagten Klägern nicht möglich sei, ohne Hilfe eine entsprechende Wohnung zu finden. Auch habe der Beklagte Hilfestellung, etwa in Form von Übernahme der Maklerkosten, den Klägern nicht angeboten. Im Übrigen sei es zweifelhaft, ob eine günstigere behindertengerechte Wohnung  verfügbar sei.
Das Mannheimer SG verurteilte den Beklagten, die Unterkunftskosten weiterhin voll zu übernehmen.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Sollte der beklagte Kreis Rechtsmittel gegen die die erstinstanzliche Entscheidung einlegen, werden wir darüber berichten.
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Sozialgerichts Mannheim vom 22.7.2019
 
Für Interessierte:
Hier geht es zu einer Information des Bundesministeriums für Arbeit Soziales zum Thema „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung des SG Mannheim ist begrüßenswert. Im Interesse des Ehepaares ist zu hoffen, dass der beklagte Kreis davon absieht, das Verfahren in die zweite Instanz zu treiben.

Auch wenn das Landessozialgericht (LSG) die Mannheimer Entscheidung bestätigt, was nach Lage der Dinge zu hoffen ist, so wäre eine Fortführung des Verfahrens doch eine erhebliche psychische Belastung für die Kläger. Dies sollte auch auf Seiten des Beklagten bedacht sein.

Entscheidungen, die nur aufgrund der Ergebnisse statistischer Erhebungen zustande kommen, ohne die tatsächlichen sozialen Gegebenheiten zu berücksichtigen, können Zweifel an der fachlichen Qualifikation Entscheider*innen aufkommen lassen.