Mehrbedarf für schwerbehinderten Sozialhilfeempfänger in der Corona-Pandemie. Copyright by Adobe Stock/ spritnyuk
Mehrbedarf für schwerbehinderten Sozialhilfeempfänger in der Corona-Pandemie. Copyright by Adobe Stock/ spritnyuk

Ende März 2020 beantragte ein schwerbehinderter Sozialhilfeempfänger eine sofortige Pandemie-Beihilfe in Höhe von 1.000 €. Überdies begehrte er eine Erhöhung der Regelleistung um monatlich 100 €. Er begründete dies mit einer bei ihm vorliegenden chronischen Erkrankung und einer Gehbehinderung, die ihn hindere, selbst einkaufen zu gehen. Auf Lebensmittellieferungen sei er angewiesen. Sein Vorrat reiche nur für vier Wochen. Es sei absehbar, dass aufgrund der Corona Pandemie die Versorgung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln bald zusammenbrechen werde. Aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten sei ihm die offiziell empfohlene Bevorratung nicht möglich.

Landkreis verweist auf örtliches Helfersystem

Der für den Sozialhilfeempfänger zuständige Werra-Meißner-Kreis lehnte den Antrag auf Mehrleistungen ab. Eine Bevorratung sei nicht nötig. Ein örtliches Helfersystem unterstütze Bedürftige bei der Beschaffung von Lebensmitteln. Daraufhin beantragte der Sozialhilfeempfänger den Erlass einer einstweiligen gerichtlichen Anordnung.

Empfohlene Bevorratung begründet keinen Mehrbedarf

Die Richter*innen des Sozialgerichts und des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) lehnten den Antrag auf Mehrleistungen ab. Sie begründeten dies damit, dass ein akuter Mehrbedarf nicht vorliege. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, so das LSG, empfehle zur Vorsorge für Notsituationen lediglich eine Bevorratung für 10 bis 14 Tage. Abgeraten werde ausdrücklich von einer Bevorratung größerer Mengen. Es könne zwar bei der Zustellung einzelner Produkte zu einer Verzögerung um wenige Tage kommen. Konkrete Hinweise, wie von dem Antragsteller angenommen, auf schwerwiegende Störungen der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln - auch im Rahmen von Online Lieferdiensten - bestünden derzeit jedoch nicht. Letztendlich sei auch nicht erkennbar, dass der Sozialhilfeempfänger die Kosten für die empfohlene Bevorratung aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht erbringen könne. Dies ergebe sich daraus, dass er nach eigenem Bekunden bereits Vorräte für die Dauer von vier Wochen angelegt habe.

LSG: Kosten für Freizeit durch Corona Pandemie fallen kaum an

Ergänzend begründeten die Richter*innen ihre Entscheidung damit, dass aufgrund der Corona-Pandemie einige im Regelbedarf enthaltene Kosten - z.B. für Freizeit, Unterhaltung, Kultur, für Verkehr und für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen - derzeit nicht oder lediglich eingeschränkt anfielen.

Der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts ist unanfechtbar.

Hier geht es zur PM des Hessischen LSG vom 7.5.2020

Rechtliche Grundlagen

§ 27a und § 37 Zwölftes Buch SGB XII

§ 27a Sozialgesetzbuch XII
(1) Der für die Gewährleistung des Existenzminimums notwendige Lebensunterhalt umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile, persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens sowie Unterkunft und Heizung. (...)

(2) Der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt ergibt den monatlichen Regelbedarf.
(...)
(4) Im Einzelfall wird der Regelsatz abweichend von der maßgebenden Regelbedarfsstufe festgesetzt (abweichende Regelsatzfestsetzung), wenn ein durch die Regelbedarfe abgedeckter Bedarf nicht nur einmalig, sondern für eine Dauer von voraussichtlich mehr als einem Monat
1. nachweisbar vollständig oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder
2. unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe
liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können.

§ 37 Sozialgesetzbuch XII
(1) Kann im Einzelfall ein von den Regelbedarfen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden, sollen auf Antrag hierfür notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden.