Was zählt zum Hinzuverdienst? © Adobe Stock - Von Ralf Geithe
Was zählt zum Hinzuverdienst? © Adobe Stock - Von Ralf Geithe

Neumann bezieht seit drei Jahren eine teilweise Erwerbsminderungsrente und arbeitet ab diesem Zeitpunkt in Teilzeit. Der Verdienst bewegt sich unterhalb der Hinzuverdienstgrenzen, so dass ihm diese Rente weiterhin in voller Höhe zusteht.

Dann erkrankt Neumann 

Was erhält er für Bezüge? Die Rente natürlich und vom Arbeitgeber ist normal Entgeltfortzahlung für sechs Wochen zu leisten. Anders als bei einem Vollrentner hat Neumann danach Anspruch auf Krankengeld. Das ist auch nur gerecht, denn er hat nach der Rentenbewilligung durch seine Teilzeitarbeit ganz normal Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. Und nun wird daher entsprechend dem Verdienst sein Krankengeld berechnet.

Reha-Antrag gilt als Rentenantrag

Neumann wird in Reha geschickt und dort "kaputtgeschrieben". Sein Reha-Antrag gilt gem. § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag und letztlich wird ihm im August rückwirkend zum 1. März eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt.

Tarifvertrag regelt Ende des Arbeitsverhältnisses

Die für Neumanns Arbeitsverhältnis geltende tarifliche Vorschrift des § 33 Abs. 2 TVöD regelt, dass Neumanns Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats endet, in dem der Rentenbescheid zugestellt wird. Das heißt, es endet zum 31.08.2023. Er erhält eine Schlussabrechnung mit zwei Positionen, die Überstunden werden ausbezahlt, und auch Urlaubsabgeltung gewährt.

DRV sieht Hinzuverdienstgrenzen überschritten

Mit der gesamten Berücksichtigung dieser Beträge wird die Hinzuverdienstgrenze gerissen, d.h. der übersteigende Betrag kürzt die Rente. Auch wenn die Kürzung nicht hoch ist, will sich Neumann das nicht gefallen lassen und legt Widerspruch ein. Die DRV weist ihn zurück und Neumann klagt vor dem Sozialgericht.

Die Argumente beider Seiten

Die DRV ist der Auffassung, es zähle alles zum Hinzuverdienst, was vom Arbeitgeber noch gezahlt wird, weil das Arbeitsverhältnis bei Rentenbeginn noch bestanden hat.

Neumann meint, seine Überstunden habe er doch im Vorjahr erarbeitet, und nur durch die rückwirkende Bewilligung seien diese "während" des Rentenbezugs gezahlt worden. Ohne die Überstunden aus dem Vorjahr, wird die Hinzuverdienstgrenze eingehalten.

Sozialgericht Aachen erlässt Hinweis

Das Sozialgericht Aachen weist die DRV auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Essen vom 8. März 2022 hin (L 18 R 164/22). Das LSG hatte einen Fall wie folgt entschieden: Urlaubsabgeltung zählt zum Hinzuverdienst, aber die im Vorjahr erarbeiteten Stunden, die während des Rentenbezugs ausgezahlt werden, zählen nicht dazu. Eine Anrechnung als Hinzuverdienst sei nur dann gerechtfertigt, wenn das Arbeitsentgelt nicht nur während des Rentenbezugs tatsächlich zugeflossen ist, sondern dieser Zeit auch rechtlich zugeordnet werden kann. Für Weihnachtsgeld und Urlaubsabgeltung sei das der Fall, für Mehrarbeitsstunden aus dem Vorjahr oder den Gleitzeitstunden aus dem Vorjahr nicht.

Die zunächst eingelegte Revision (BSG - B 5 R 11722) wurde zurückgenommen, die LSG Entscheidung ist damit rechtskräftig.

DRV antwortet dem Gericht mit Textbausteinen

Genau wie bei Neumann war im LSG-Verfahren durch die rückwirkende Bewilligung das Arbeitsverhältnis erst mit dem Rentenbescheid beendet worden und das Arbeitsverhältnis wurde während des Rentenbezugs abgewickelt. Die DRV antwortet dem Gericht, es sei klar, dass es um sehr wenig Geld gehe. Der Vortrag bestand im Übrigen aus einem Textbaustein, in dem auf die bisherige Begründung im Widerspruchsverfahren verwiesen wird. Die aktuelle Rechtsprechung wird gar nicht erwähnt.

Sozialgericht lädt zum Termin 

Jetzt wird es unverständlich. Das Gericht ordnet das persönliche Erscheinen von Neumann an. Und dies obwohl der Sachverhalt feststeht. Der bisherige Arbeitgeber hat eine kleinteilige Auskunft erteilt, nach dem klar ist, welche Beträge aus dem Stundenkonto des Vorjahres bestanden. Wir beantragen vergebens die Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen aufzuheben. Neumann ist verunsichert, sieht die Richterin es jetzt doch anders? 

Natürlich war nicht derjenige für die DRV bei Gericht, der so lapidar geschrieben hat. Nach einem Vorspann durch das Gericht, wurde der Anspruch durch die Terminsvertreterin der DRV dann anerkannt. Die Überstunden des Vorjahres zählen nicht zum Hinzuverdienst. Die Kürzung der Rente war unberechtigt.

Das sagen wir dazu:

Zugegeben ist überall viel zu viel zu tun. Das wird aber nicht besser, wenn niemand mal etwas entscheidet. Spätestens als das Gericht auf die aktuelle Rechtsprechung hingewiesen hat, muss es doch möglich sein, dass die Behörde anerkennt. Leider begegnet uns das auf allen Ebenen. Es wird lieber ausgesessen, lapidar geantwortet, als Verantwortung für eine Entscheidung zu übernehmen.  

Die Arbeitszeit hätte für alle Beteiligte besser verwendet werden können, zumindest als die Rechtsprechung des LSG bekannt war.