Wegen einer Arbeitsunfähigkeit konnte die Klägerin die geplante Wiedereingliederung nicht beginnen. © Adobe Stock: Robert Kneschke
Wegen einer Arbeitsunfähigkeit konnte die Klägerin die geplante Wiedereingliederung nicht beginnen. © Adobe Stock: Robert Kneschke

Die 52-jährige Klägerin bezog Krankengeld, bevor sie eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation beantragte. Diese Maßnahme fand vom 20. Februar bis zum 20. März 2019 statt. Die Klägerin erhielt in diesem Zeitraum Übergangsgeld durch die Rentenversicherung. Aus dem Heilverfahren wurde sie arbeitsunfähig entlassen.

 

Nach der Entlassung aus der Reha war eine Wiedereingliederung geplant

 

Noch während der Reha beantragte die Klägerin eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in das Arbeitsleben, die am 16. April 2019, also etwa vier Wochen nach ihrer Entlassung aus dem Heilverfahren beginnen sollte. Ihr Arbeitgeber war damit einverstanden und stimmte zu.

 

Leider verschlechterte sich der Gesundheitszustand der Frau erneut. Am 11. April 2019 verschob sie deshalb den Beginn der Wiedereingliederung auf unbestimmte Zeit. Der beklagten Rentenversicherung teilte sie das am selben Tag mit und legte ein Attest ihres Hausarztes vor.

 

Nach der Entlassung aus dem Reha-Verfahren hatte die Klägerin zunächst kein eigenes Einkommen. Ihrer Meinung nach war die Rentenversicherung verpflichtet, ihr wegen des verschobenen Beginns der Wiedereingliederungsmaßnahme weiter Übergangsgeld zu zahlen.

 

Die Rentenversicherung lehnte ab. Übergangsgeld werde nach dem Gesetz nur dann gezahlt, wenn sich eine erforderliche stufenweise Wiedereingliederungsmaßnahme unmittelbar an ein Rehabilitationsverfahren anschließe. Die Klägerin habe die Wiedereingliederung nicht angetreten. Deshalb könne sie Übergangsgeld nicht weiter erhalten.

 

Die Frau musste ihre Rechte bei Gericht einklagen

 

Die Jurist*innen aus dem Rechtsschutzbüro Siegen sahen das anders und erhoben Klage. Das Sozialgericht Koblenz stellte fest, dass der Bescheid der Rentenversicherung rechtswidrig war und sprach der Klägerin Übergangsgeld zu.

 

Nach dem Gesetz müsse die Rentenversicherung das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld weiter zahlen, wenn nach dem Abschluss von Reha-Leistungen oder von Teilhabe-Leistungen weitere Leistungen zur Teilhabe erforderlich würden. Könne die Leistung nicht unmittelbar durchgeführt werden, bleibe der Anspruch auf Übergangsgeld bestehen, wenn der der*die Versicherte an der Verzögerung keine Schuld trage.

 

Übergangsgeld dient der finanziellen Absicherung

 

Grundsätzlich hänge die Gewährung Übergangsgeld mit einer Maßnahme zur Rehabilitation eng zusammen. Das Übergangsgeld solle das Ziel der Rehabilitation sicherstellen und Betroffene finanziell absichern. Übergangsgeld setze daher voraus, dass die Maßnahme, die wirtschaftlich abgesichert werden solle, auch tatsächlich durchgeführt worden sei.

 

Übergangsgeld im Zusammenhang mit einer stufenweisen Wiedereingliederung werde auch nur gezahlt, wenn eine Wiedereingliederung erforderlich sei. Das müsse spätestens mit Abschluss der vorangegangenen Leistung zur Teilhabe feststehen. Die Wiedereingliederungsmaßnahme müsse innerhalb eines Monats nach Ende der vorherigen Maßnahme geplant sein, dann sei die Maßnahme „unmittelbar“ nach Ende des Reha-Verfahrens vorgesehen.

 

Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin. Bis zur Entlassung aus der Rehabilitation am 20. März 2019 sei sie arbeitsunfähig gewesen. Eine stufenweise Wiedereingliederung habe sie ab dem 16. April 2019 beabsichtigt und diese sei zum damaligen Zeitpunkt für erforderlich gehalten worden. Der Arbeitgeber habe dem auch zugestimmt.

 

Der Besuch beim Arzt brachte Gewissheit

 

Erst der Arztbesuch vom 11. April 2019 habe ergeben, dass die Klägerin die geplante Wiedereingliederungsmaßnahme nicht antreten konnte, weil sie immer noch arbeitsunfähig war.

 

Deshalb sei es zur Verschiebung auf unbestimmte Zeit gekommen. Erst ab diesem Datum habe die Rentenversicherung davon ausgehen dürfen, dass zwischen der Rehabilitationsmaßnahme und der geplanten Wiedereingliederung kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang mehr bestand.

 

Das Gesetz setze nicht voraus, dass die geplante Maßnahme tatsächlich durchgeführt werden muss, so das Sozialgericht. Das Gesetz wolle vielmehr in erster Linie sicherstellen, dass zwischen zwei Leistungen Übergangsgeld gewährt wird. Es setze dabei nur voraus, dass eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgeschlossen ist und der Versicherungsträger dafür Übergangsgeld gezahlt hat. Im Anschluss an diese erste Maßnahme müsse dann eine weitere Rehabilitationsmaßnahme erforderlich gewesen sein, für die es wiederum Unterhaltssicherungsleistungen gegeben hätte.

 

Die Planung einer weiteren Maßnahme reicht aus

 

Für die nachfolgend geplante Leistung fordere das Gesetz lediglich, dass diese erforderlich sei, nicht jedoch, dass sie tatsächlich stattgefunden habe. Dass die Maßnahme zur Wiedereingliederung der Klägerin erforderlich gewesen sei, stehe fest.

 

Bis zum 11. April 2019, dem Tag des Arzttermins, habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte Übergangsgeld zahlen würde. Daher habe sie sich um eine weitere wirtschaftliche Absicherung, etwa bei der Agentur für Arbeit, bis zu diesem Zeitpunkt nicht bemüht und auch nicht bemühen müssen.

 

Ab dem Tag, an dem die Klägerin erfahren habe, dass sie die Wiedereingliederung aufgrund von Arbeitsunfähigkeit nicht antreten konnte, hätte sie sich um eine wirtschaftliche Absicherung kümmern müssen. Ab diesem Zeitpunkt müsse die Rentenversicherung kein Übergangsgeld mehr zahlen.

 

Hier geht es zum Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Koblenz

 

Rechtliche Grundlagen

§ 71 SGB IX

§ 71 Weiterzahlung der Leistungen

(1) Sind nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben weitere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlich, während derer dem Grunde nach Anspruch auf Übergangsgeld besteht, und können diese Leistungen aus Gründen, die die Leistungsempfänger nicht zu vertreten haben, nicht unmittelbar anschließend durchgeführt werden, werden das Verletztengeld, das Versorgungskrankengeld oder das Übergangsgeld für diese Zeit weitergezahlt. Voraussetzung für die Weiterzahlung ist, dass
1. die Leistungsempfänger arbeitsunfähig sind und keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben oder
2. den Leistungsempfängern eine zumutbare Beschäftigung aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, nicht vermittelt werden kann.

(2) Leistungsempfänger haben die Verzögerung von Weiterzahlungen insbesondere dann zu vertreten, wenn sie zumutbare Angebote von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur deshalb ablehnen, weil die Leistungen in größerer Entfernung zu ihren Wohnorten angeboten werden. Für die Beurteilung der Zumutbarkeit ist § 140 Absatz 4 des Dritten Buches entsprechend anzuwenden.

(3) Können Leistungsempfänger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben allein aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr, aber voraussichtlich wieder in Anspruch nehmen, werden Übergangsgeld und Unterhaltsbeihilfe bis zum Ende dieser Leistungen, höchstens bis zu sechs Wochen weitergezahlt.

(4) …

(5) Ist im unmittelbaren Anschluss an Leistungen zur medizinischen Rehabilitation eine stufenweise Wiedereingliederung (§ 44) erforderlich, wird das Übergangsgeld bis zum Ende der Wiedereingliederung weitergezahlt.