Leistungssportler werden in der Reha sicher nicht geschaffen, aber das persönliche Wohlbefinden wächst und damit auch die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben. Copyright by Adobe Stock/ Studio Romantic
Leistungssportler werden in der Reha sicher nicht geschaffen, aber das persönliche Wohlbefinden wächst und damit auch die Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben. Copyright by Adobe Stock/ Studio Romantic

Der 52-jährige Baggerfahrer war nach einem Krankenhausaufenthalt schon einmal zur Reha. Dort konnte er sein Gewicht um Einiges reduzieren. Nun - vier Jahre später - stagnierten seine Versuche jedoch, weiter abzunehmen und seine Leistungsfähigkeit zu verbessern. Er war nach der Arbeit einfach zu erschöpft.
 

Übergewicht und Atemnot beeinträchtigten den Kläger

Neben dem Übergewicht quälte ihn vor allem eine schwere Erkrankung der Atemwege. Die Arbeit konnte er nur bewältigen, weil seine Kollegen ihn unterstützten. Damit er sich nicht krankschreiben lassen musste, setze er Urlaubstage und Freizeitguthaben ein. Damit konnte er sich einigermaßen durch den beruflichen Alltag quälen.
 
Sicher geht es vielen anderen auch so. Eine Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation könnte da vielleicht helfen. Diesen Weg geht die Rentenversicherung aber nicht immer mit. Ambulante Maßnahmen gehen vor, sagt sie. Erst einmal müssten Versicherte vor Ort alle möglichen Maßnahmen ausschöpfen, die eine gesundheitliche Besserung bringen können. Das solle dann die Krankenversicherung zahlen, sei also kein Fall für die Rentenkasse.
 

Rentenversicherung kann den Kläger nicht auf ambulante Maßnahmen verweisen

Was ist aber, wenn das einfach nicht klappen will? So ging es dem hiesigen Kläger. Unterstützt durch die Kollegen*innen des DGB Rechtsschutzes aus Pirmasens zog er vor das Sozialgericht Speyer  - und gewann dort.
 
Das Sozialgericht hielt die Rentenversicherung für zuständig. Diese könne den Kläger nicht auf ambulante Maßnahmen verweisen, die die Krankenkasse bezahlen müsse. Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation müsse die Rentenversicherung bewilligen, wenn Versicherte wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich in ihrer Erwerbsfähigkeit gefährdet oder gemindert seien.
 

Die Erwerbsfähigkeit muss gemindert oder gefährdet sein

Die gewünschte Maßnahme müsse eine bereits bestehende, erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit abwenden können. Sei die Erwerbsfähigkeit bislang nur gemindert, müsse durch die Maßnahme zu Rehabilitation oder Teilhabe am Arbeitsleben eine wesentliche Verschlechterung verhindert werden können. Bestehe diese Möglichkeit nicht, so solle es zumindest möglich sein, den bisherigen Arbeitsplatz erhalten zu können oder einen anderen, geeigneten Arbeitsplatz zu erlangen.
 

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers war gefährdet

Der Kläger leide an einer schweren Erkrankung der Atemwege. Er habe außerdem starkes Übergewicht, das sich nachteilig auf sein Herz auswirke. Die Leistungsfähigkeit des Klägers sei dadurch innerhalb der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit eingeschränkt. Ein Verbleib an diesem Arbeitsplatz sei damit ebenso wie seine Erwerbsfähigkeit gefährdet. Der Kläger könne seine Tätigkeit als Berufskraftfahrer, Baggerfahrer und Sortierer bei seinem Arbeitgeber nicht in allen Bereichen ausüben, die er abdecken müsse.
 
Der Kläger über einen körperlich schweren Beruf aus. Dass er diese Arbeit bislang weiter verrichten könne, hänge damit zusammen, dass er Urlaubs- und Überstundenzeiten einsetze, um Krankschreibungen zu vermeiden. Zum anderen könne er sich die Arbeit (noch) einteilen.
 

Gefährdung der Erwerbsfähigkeit muss innerhalb der nächsten drei Jahre drohen

Nach dem Gesetz sei die Erwerbsfähigkeit gefährdet, wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen und Funktionseinschränkungen ohne Teilhabeleistungen voraussichtlich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit herbeiführten. Erheblich sei diese Gefährdung dann, wenn sie in den nächsten drei Jahren drohe.
 
All dies müssten medizinische Gutachten feststellen. Entsprechende Befunde und Gutachten lägen vor. Beim Kläger sei die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit nach den vorliegenden Gutachten erwiesen, denn er leide an vielen Erkrankungen unterschiedlichster Art, die sich auf seine Leistungsfähigkeit auswirkten.
 

Der Kläger leidet an vielen Krankheiten

Seit der letzten Rehabilitationsmaßnahme habe der Kläger noch einmal mehrere Kilogramm zugenommen. Dies belaste seine Atmung zunehmend. Die Bronchialerkrankung habe sich dadurch auch weiter verschlechtert. Wirke der Kläger dem nicht entgegen, müsse er damit rechnen, dass seine Erwerbsfähigkeit innerhalb der nächsten drei Jahre zunehmend nachlasse.
 
Der Kläger leide auch an vielen unterschiedlichen Krankheiten. Unabhängig von dem erheblichen Übergewicht stehe die Erkrankung der Atemwege im Vordergrund. Auch das Herz sei zwischenzeitlich angegriffen. Der Kläger müsse sich daher einer umfassenden Behandlung unterziehen, die sich mit sämtlichen Erkrankungen befasse. Das sei nur im Rahmen einer stationären Therapie sinnvoll.
 

Durch die Reduzierung des Gewichts verbessert sich der Allgemeinzustand

Nur dort könne der Kläger sein Gewicht dauerhaft reduzieren und damit seinen Allgemeinzustand verbessern. Das führe dann auch dazu, dass seine Leistungsfähigkeit im Beruf gestärkt werden könne. Der Kläger habe von der früheren Rehabilitationsmaßnahme bereits profitiert und das scheine auch nun möglich.
 
Eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz scheide demgegenüber aus. Die Rentenversicherung dürfe Leistungen nicht mit der Begründung verweigern, die Erwerbsfähigkeit sei zwar für die bisherige Tätigkeit, nicht aber für vergleichbare Tätigkeiten eingeschränkt. Leistungen seien deshalb auch dann durchaus zweckmäßig, wenn dadurch der bisherige Beruf im Erwerbsleben erhalten werden könne.
 

Es geht um den Weg, der für den Kläger am effektivsten ist

Dem Gericht erscheine die Bewertung des Gutachters nachvollziehbar, dass der Kläger den unterschiedlichen gesundheitlichen Beschwerden in verschiedenen Bereichen mit einer umfassenden Behandlung begegnen könne. Dieser Weg sei für den Kläger am effektivsten. Der Sachverständige habe das nachvollziehbar erläutert.
 
Nehme der Kläger ambulante Behandlungsmöglichkeiten in Anspruch, so sei dies keineswegs gleich effektiv. Neben der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten habe der Kläger sich schon dauerhaft ambulant behandeln lassen. Dies habe jedoch nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Damit stehe fest, dass eine stationäre medizinische Rehabilitation die Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Klägers abwenden könne. Der Kläger habe damit die Möglichkeit, seine Beschäftigung zu erhalten und die damit verbundenen Aufgaben zu bewältigen.

 

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Ambulante Maßnahmen gehen regelmäßig stationären Rehabilitationsmaßnahmen vor. Das ist nicht nur eine Kostenfrage. Ambulante Maßnahmen bezahlt in der Regel nämlich die Krankenkasse. Für Heilverfahren sind demgegenüber die Rentenversicherungsträger zuständig.

Allzu oft werden Versicherte daher darauf verwiesen, sie sollen sich erst einmal umfassend ambulant behandeln lassen. Selbst wenn das im Einzelfall möglich ist, reicht es oft nicht aus. Unter stationären Bedingungen können intensiv Behandlungsformen und Lebensgewohnheiten erarbeitet werden, die anschließend dauerhaft in das tägliche Leben eingebracht werden können. Ambulant ist dies oft schlecht zu erreichen.

Versicherte sind deshalb regelmäßig gut beraten, genau diesen Aspekt bei ihrer Antragstellung berücksichtigen.

Rechtliche Grundlagen

§ 10 SGB VI

(1) Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2.
bei denen voraussichtlich

a)
bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b)
bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c)
bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben

aa)
der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann oder
bb)
ein anderer in Aussicht stehender Arbeitsplatz erlangt werden kann, wenn die Erhaltung des bisherigen Arbeitsplatzes nach Feststellung des Trägers der Rentenversicherung nicht möglich ist.

(2) Für Leistungen zur Teilhabe haben auch Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt,

1.
die im Bergbau vermindert berufsfähig sind und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder
2.
bei denen der Eintritt von im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit droht und bei denen voraussichtlich durch die Leistungen der Eintritt der im Bergbau verminderten Berufsfähigkeit abgewendet werden kann.

(3) Für die Leistungen nach den §§ 14, 15a und 17 haben die Versicherten oder die Kinder die persönlichen Voraussetzungen bei Vorliegen der dortigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.