Rentenversicherung versäumt Weiterleitung eines Antrags an zuständigen Rehabilitationsträger.
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Rentenversicherung versäumt Weiterleitung eines Antrags an zuständigen Rehabilitationsträger. Copyright by andyller/Fotolia

Der Kläger war als Bereichsleiter in einem IT-Dienstleistungsunternehmen tätig, als er im Alter von 54 Jahren im Februar 2012 einen Hirninfarkt erlitt. Nach akutmedizinischen Behandlungen mit mehreren Operationen sowie zwei Frührehabilitationsmaßnahmen auf Kosten der Krankenkasse, stellte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) im November 2012 fest, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten gemindert sei.
 

Kein Anspruch auf Rehamaßnahme nach Versicherungsrecht

Er könne, so der MDK, dauerhaft weder seinen Beruf, noch eine leichte körperliche Tätigkeit ausüben. Die Krankenkasse schloss sich der Auffassung des MDK an. Sie forderte den Kläger auf, bei der Rentenversicherung eine Rehamaßnahme zu beantragen. Die Rentenversicherung lehnte diesen Antrag ab. Sie begründete dies damit, dass nicht zu erwarten sei, dass die Erwerbsfähigkeit durch die beantragte Rehabilitationsmaßnahme wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden könne.
 
Gegen diese Entscheidung erhob der Versicherte Klage vor dem Sozialgericht (SG) Heilbronn. Auf eigene Kosten nahm er ab März 2013 eine mehrwöchige tagesstationäre neurologische Rehabilitationsmaßnahme in Anspruch.
 
Das SG Heilbronn verurteilte die Rentenversicherung auf Basis eines Sachverständigengutachtens, der Witwe des zwischenzeitlich verstorbenen Versicherten Kosten die für die Rehabilitationsmaßnahme zu erstatten.
 
Der Versicherte habe allerdings keinen Anspruch auf die Rehabilitationsmaßnahme nach rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften gehabt. Denn bei ihm habe keine positive Erfolgsprognose bestanden, seine Erwerbsfähigkeit zu bessern oder gar wiederherzustellen.
 

Rentenversicherung hat dennoch tatsächliche Rehakosten zu erstatten

Die Beklagte hätte die Rehabilitationsmaßnahme aber nach krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften gewähren müssen, da sie den Rehabilitationsantrag nicht an die Krankenkasse als zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet habe.
 
Hieran ändere auch nichts, dass der Versicherte den Rehabilitationsantrag nach Aufforderung der Krankenkasse gestellt habe. Die Rehabilitationsmaßnahme sei auch notwendig gewesen, um die Pflegebedürftigkeit zu mindern. Ohne die Rehabilitation wäre der Versicherte gehunfähig geworden. Auch hätten sich seine kognitiven Störungen wahrscheinlich noch weiter verschlechtert.
 
Schließlich seien auch die Grundsätze der Wirtschaftlich- und Sparsamkeit nicht verletzt. Soweit die von dem Versicherten in Anspruch genommenen Rehaleistungen nach dem Selbstzahlertarif und nicht nach den gegebenenfalls niedrigeren Sätzen für Rehabilitationsträger abgerechnet wurden, falle dies zulasten der Beklagten. Denn der Berechtigte solle so gestellt werden, wie er bei rechtmäßiger Leistungsgewährung dastünde. Die tatsächlichen Aufwendungen seien somit in voller Höhe zu erstatten.
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Sozialgerichts Heilbronn vom 05.02.2019

Rechtliche Grundlagen

§ 51 SGB V, § 40 SGB V, § 9 SGB VI, § 14 SGB IX, § 15 SGB IX

§ 51 Sozialgesetzbuch (SGB) V
(1) Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, kann die Krankenkasse eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen haben (…).
(3) Stellen Versicherte innerhalb der Frist den Antrag nicht, entfällt der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der Frist. (…)

§ 40 Sozialgesetzbuch (SGB) V
(1) Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, (…) erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen (…). (2) Reicht die Leistung nach Absatz 1 nicht aus, so erbringt die Krankenkasse erforderliche stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer (…) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung (…).

§ 9 Sozialgesetzbuch (SGB VI)
Für Leistungen zur Teilhabe haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, (…) deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und (…) bei denen voraussichtlich (…) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann (…).

§ 14 Sozialgesetzbuch (SGB) IX
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (…). 2Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. (…).

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. (…)

§ 15 Sozialgesetzbuch (SGB9 IX
Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 genannten Fristen entschieden werden, teilt der Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit. Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger (…) eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (…).