Fleißig eingezahlt hatte die Frau – aber nur freiwillige Beiträge. © Adobe Stock: megaflopp
Fleißig eingezahlt hatte die Frau – aber nur freiwillige Beiträge. © Adobe Stock: megaflopp

Dass die Betroffene voll erwerbsgemindert war, stand fest. Das hatten die eingeholten ärztlichen Gutachten und Befunde ergeben. Seit Mai 2019 war die Frau nicht mehr in der Lage, einer geregelten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dennoch lehnte die Rentenversicherung deren Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab.

 

Pflichtbeitragszeiten fehlten

 

Ihr Versicherungskonto weise keine ausreichende Zahl von Pflichtbeiträgen auf. Für die letzten fünf Jahre seien nicht wenigstens drei Jahre (36 Monate) an Pflichtbeitragszeiten darin enthalten.

 

Die Mindestzahl von Pflichtbeiträgen sei zwar nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung etwa durch einen Arbeitsunfall oder innerhalb von sechs Jahren nach einer Ausbildung eingetreten sei. Das ergebe sich aus § 43 SGB VI. Dies sei bei der Versicherten jedoch nicht der Fall.

 

Die Wartezeit vor 1984 war nicht erfüllt

 

Außerdem sei die Mindestzahl von Pflichtbeiträgen dann nicht erforderlich, wenn der:die Versicherte bereits vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren zurückgelegt habe und die Zeit seit dem 1. Januar 1984 bis zum Eintritt der Erwerbsminderung ohne Unterbrechung mit Pflichtbeiträgen, freiwilligen Beiträgen oder anderen sogenannten Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sei (§ 241 SGB VI).

 

Diese Fälle sind angesichts des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs aber nur noch sehr selten. Eine Erwerbstätigkeit müsste dafür nämlich bis spätestens Ende der 70-er Jahre aufgenommen worden sein.

 

Auch dies konnte die Betroffene nicht nachweisen. Die 1964 geborene Versicherte hatte die erforderliche Wartezeit vor 1984 nicht erfüllt.

 

Die Versicherte beschritt den Rechtsweg

 

Die Frau erhob Widerspruch und nach dessen Ablehnung Klage beim Sozialgericht Bremen. Dabei brachte sie als weiteres Argument für ihren Rentenantrag vor, in der Zeit von Mai 2014 bis Mai 2019 freiwillige Beiträge entrichtet zu haben, so dass ihrer Ansicht nach keine Lücke im Versicherungsverlauf angenommen werden durfte.

 

Doch auch das half nicht weiter. Das Sozialgericht Bremen wies ihre Klage ab. Die Klägerin habe weder einen Anspruch auf eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung.

 

§ 43 SGB VI regelt die Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente

 

Ein Anspruch der Klägerin folge nicht aus § 43 SGB VI, so das Gericht.

 

Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. voller Erwerbsminderung,

·       wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,

·       in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

·       vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

 

Dies war im Fall der Klägerin nicht gegeben. Das Gericht konnte nicht feststellen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung diese versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt hatte.

 

Die Klägerin war voll erwerbsgemindert

 

Unstreitig sei die Klägerin voll bzw. teilweise erwerbsgemindert wie es das Gesetz für eine Erwerbsminderungsrente fordere. Hiernach seien zumindest teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande seien, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei der Klägerin sei die Erwerbsminderung nachgewiesen und zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

 

Die Klägerin könne jedoch in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegen.

 

Dieser Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung könne sich bei ihr auch nicht verlängern.

 

Das Gesetz lässt eine Verlängerung des Fünfjahreszeitraums zu

 

Nach § 43 Abs. 4 SGB VI ist das möglich, wenn innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung eine der folgenden Zeiten vorliegt:

 

·       sogenannte Anrechnungszeiten (z.B. Zeiträume des Bezuges von Krankengeld oder Arbeitslosengeld),

·       Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter  Erwerbsfähigkeit,

·       Berücksichtigungszeiten (z.B. Zeiten der Kindererziehung)

·       Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist.

 

Da gilt aber nur, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung/Tätigkeit bzw. für eine Anrechnungs- oder Berücksichtigungszeit liegt. Der Zeitraum von fünf Jahren verlängert sich darüber hinaus, wenn Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres darin liegen. Die Berücksichtigung solcher Zeiten kommt allerdings nur in Betracht, wenn nicht gleichzeitig Pflichtbetragszeiten gegeben sind.

 

Für die Klägerin verlängert sich der Zeitraum nicht

 

Im Fall der Klägerin gebe es in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbsminderung weder Pflichtbeitragszeiten noch eine der anderen im Gesetz aufgeführten Zeiten, die zu einer Verlängerung des Fünfjahreszeitraumes führten, urteilt das Sozialgericht.

 

Ausweislich des vorliegenden Versicherungsverlaufes habe die Klägerin seit Januar 2005 lediglich freiwillige Beitragszahlungen geleistet. Soweit die Klägerin die Auffassung vertrete, dass ihre freiwilligen Beitragszahlungen zu berücksichtigen seien, treffe dies nicht zu. Das Gericht verweist dazu auf den klaren Gesetzeswortlaut.

 

Auch der Ausnahmetatbestand des § 43 Abs. 5 SGB VI liege nicht vor. Danach sei eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung etwa auf Grund eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit, einer Wehr- bzw. Zivildienstbeschädigung oder innerhalb von sechs Jahren nach einer Ausbildung eingetreten sei.

 

Die Rentenversicherung hatte damit zu Recht den Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente abgelehnt und zwar trotz Zahlung freiwilliger Beiträge. Die können erst im Fall der Antragstellung auf eine Altersrente berücksichtigt werden und wirken sich dort auch erhöhend aus. Ein für den Moment sicher geringer Trost.

 

Rechtliche Grundlagen

§ 43 SGB VI; § 55 SGB VI; § 241 SGB VI

§ 43 SGB VI Rente wegen Erwerbsminderung
(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:
1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2. Berücksichtigungszeiten,
3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.
(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.
(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

§ 55 SGVB VI Beitragszeiten
(1) Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Pflichtbeitragszeiten sind auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Als Beitragszeiten gelten auch Zeiten, für die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen.
(2) Soweit ein Anspruch auf Rente eine bestimmte Anzahl an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit voraussetzt, zählen hierzu auch
1.freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten, oder
2. Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 oder § 4 genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten, oder
3. Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat.

§ 241 SGB VI Rente wegen Erwerbsminderung
(1) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240), in dem Versicherte für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben müssen, verlängert sich auch um Ersatzzeiten.
(2) Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240) sind für Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240) mit
1. Beitragszeiten,
2. beitragsfreien Zeiten,
3. Zeiten, die nur deshalb nicht beitragsfreie Zeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag, eine beitragsfreie Zeit oder eine Zeit nach Nummer 4, 5 oder 6 liegt,
4. Berücksichtigungszeiten,
5. Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder
6. Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992
(Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit (§ 240) vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, ist eine Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten nicht erforderlich.