Krankenkassenrecht: Das BSG entscheidet einen Streit zur Genehmigungsfiktion zugunsten der Versicherten.
Krankenkassenrecht: Das BSG entscheidet einen Streit zur Genehmigungsfiktion zugunsten der Versicherten.


Das Bundessozialgericht (BSG) hat über zwei Fälle entschieden. In beiden Fällen haben gesetzlich Krankenversicherte bei ihrer Krankenkasse eine Straffung der Bauchhaut (Abdominalplastik) beantragt, nachdem sie stark an Gewicht verloren hatten. 

Die Krankenkassen haben beide Anträge erst nach etwa 8 Wochen abgelehnt. Und damit später als das Gesetz vorsieht. 

Die Genehmigungsfiktion im Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen

Die gesetzliche Grundlage ist § 13 Absatz 3a des fünften Sozialgesetzbuches (SGB 5):   

Danach hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig nach Antragseingang zu entscheiden. Zügig bedeutet spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen, nachdem der Antrag eingegangen ist. Wenn eine gutachtliche Stellungnahme vom Medizinischer Dienst erforderlich ist, hat die Krankenkasse fünf Wochen Zeit. 

Kann die Krankenkasse diese Fristen nicht einhalten, muss sie dies dem Versicherten mitteilen (schriftlich unter Darlegung der Gründe). Bleibt eine Mitteilung eines triftigen Grundes aus, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. 

Folge der Genehmigungsfiktion?

Juristisch spricht man hier von einer Genehmigungsfiktion. Seit Einführung dieser Regelung in das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung herrscht Streit über die Folgen der fingierten Genehmigung.  

Einige Gerichte sind der Ansicht, Folge sei nur ein Anspruch auf Kostenerstattung. Dies wird mit dem Gesetzestext begründet. Dort heißt es im Anschluss an die Genehmigungsfiktion: Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

Der Gesetzgeber habe lediglich einen weiteren Tatbestand zulässiger Selbstbeschaffung mit Anspruch auf Kostenerstattung schaffen wollen.

Andere Gerichte haben Probleme damit, dass bei dieser Lesart des Gesetzes diejenigen benachteiligt werden, die die Kosten nicht vorstrecken (können). 

Naturalleistungsanspruch eigener Art?

Die Frage, die das BSG zu entscheiden hatte, war, ob § 13 Absatz 3a SGB V einen Naturalleistungsanspruch eigener Art gewährt. Das soll heißen: Besteht in den Fällen, in denen die Krankenkasse nicht rechtzeitig entscheidet und die Leistung als genehmigt gilt, ein Anspruch auf die Leistung? 

Die Antwort des Bundessozialgerichts ist ein klares Ja. Der Anspruch der Kläger*innen gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit einer Abdominalplastik bestehe kraft Genehmigungsfiktion. 

Unproblematisch konnten die Richter die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion bejahen. Die Beklagten entschieden über die Anträge nicht innerhalb der gesetzlichen Frist und sie führten auch keine Fristverlängerung herbei. Zudem durften die Versicherten die Abdominalplastik für erforderlich halten.

Kann die Krankenkasse eine fingierte Genehmigung zurücknehmen?

Die weitere Frage, die das BSG zu beantworten hatte, war, inwiefern solche Ansprüche durch die Krankenkasse wieder beseitigt werden können. Denn die Krankenkassen hatten in den Verfahren die fingierte Genehmigung wieder zurückgenommen. 

Das BSG entschied: Der Leistungsanspruch ist auch nicht später erloschen. Die Krankenkassen konnten die fingierten Genehmigungen nicht zurücknehmen mit der Begründung, dass die Leistung medizinisch nicht notwendig sei. Denn es komme nicht darauf an, ob ein Anspruch auf die medizinische Leistung besteht, sondern nur darauf, ob die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion erfüllt sind. 

Die Beklagten durften also die fiktiven Bescheide nicht zurücknehmen, weil diese nicht rechtswidrig waren.

Zu langsames Arbeiten der Krankenkassen wird sanktioniert 

Das schriftliche Urteil des Bundessozialgerichts liegt noch nicht vor. Das BSG unterstreicht aber ganz klar mit seiner Entscheidung den Sanktionscharakter der Regelung des § 13 SGB V. Die Krankenkassen sollen schneller entscheiden und sich nicht hinterher herausreden können, wenn sie die gesetzlichen Fristen versäumt haben. 

Unter diesem Gesichtspunkt ist es eigentlich schon zwangsläufig, dass dies auch gilt, wenn die Versicherten sich die Leistung noch nicht selbst beschafft haben. 

Links: 

Lesen Sie von einer erfolgreichen Klage gegen eine „bummelige“ Krankenkasse.

Um das Thema Genehmigungsfiktion geht es auch in unserem Artikel „Zu spät entschieden - Krankenkasse muss Kosten für Psychotherapie übernehmen!“