Nicht unüblich: Der Kläger erhielt stets im Winter eine Kündigung vom Arbeitgeber, verbunden mit der Zusage, ihn zu Beginn der Bausaison wiedereinzustellen. Copyright by Wellnhofer Designs/Adobe Stock
Nicht unüblich: Der Kläger erhielt stets im Winter eine Kündigung vom Arbeitgeber, verbunden mit der Zusage, ihn zu Beginn der Bausaison wiedereinzustellen. Copyright by Wellnhofer Designs/Adobe Stock

Der Kläger ist seit Jahren bei ein und demselben Arbeitgeber, einem Bauunternehmer, beschäftigt gewesen. Während der auftragsschwachen Wintermonate erfolgte stets eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, verbunden mit einer Wiedereinstellungszusage zum Beginn der Bausaison im Frühjahr.
 
In den Wintermonaten bezog er Arbeitslosengeld und arbeitete im Rahmen eines Minijobs kleinere Aufträge für seinen Arbeitgeber ab.
 

Im „arbeitsfreien“ Winter kommt die Diagnose Krebs

Nunmehr erkrankte der Kläger während einer solchen Winterpause an einem Prostatakarzinom. Dies wurde im Januar 2017 festgestellt. Der Kläger war jedoch mit dieser Diagnose weiter arbeitsfähig. Im März 2017 begannen erste Vorbereitungen für eine Behandlung in Form einer Strahlentherapie. So erhielt der Kläger unter anderem eine Verordnung über die Bezahlung von Taxifahrten.
 
Die Frage nach einer Arbeitsfähigkeit während der Therapie beantworteten die behandelnden Ärzte des Klägers mit einem uneindeutigen „Das muss man ausprobieren!“
 

Arbeitsunfähigkeit von April bis September

Anfang April 2017 schloss der Kläger dann wegen der verbesserten Auftragslage mit seinem Arbeitgeber wieder einen Arbeitsvertrag. Arbeitsbeginn war der 10. April. An diesem Tag erhielt der Kläger die Information, dass am Folgetag ein Aufklärungsgespräch über die Strahlentherapie stattfindet. Am 11. April erfolgte dann eine Krankschreibung durch den beratenden Arzt.
 
Erst im September 2017 nahm der Kläger nach überstandener Erkrankung seine Tätigkeit wieder auf.
 

Die Reaktion der Krankenkasse

Nach Ende der Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber verweigerte die beklagte Krankenkasse, die BKK VBU, dem Kläger die Zahlung von Krankengeld. Die Begründung: Er hätte bereits bei Vertragsschluss über seine schwere Diagnose und die damit einhergehende Arbeitsunfähigkeit Bescheid gewusst. Insofern habe er den Arbeitsvertrag nur geschlossen, um einen Anspruch auf Krankengeld zu erhalten.
 
Die Krankenkasse stellte sogar zwischenzeitlich eine Strafanzeige wegen Betrugs, die jedoch im Sand verlief.
 

Der Kläger hat gewerkschaftlichen Rechtsschutz

Gegen diese Behauptung wandte sich der Kläger an das örtlich zuständige Sozialgericht, unterstützt durch seine Gewerkschaft IG Bau und der DGB Rechtsschutz GmbH. Er legte dar, dass das Arbeitsverhältnis in jedem Fall geschlossen worden wäre, und er mit seinem Arbeitgeber über Entlastungen bei der beruflich anspruchsvollen Tätigkeit gesprochen hatte. Er war am 10. April auch noch arbeiten gegangen und hatte die Absicht, trotz Strahlentherapie weiterzuarbeiten.
 
Dass der Kläger letztendlich länger arbeitsunfähig war, lag unter anderem an der zeitlich nicht kalkulierbaren Lage der Bestrahlungstermine sowie den Auswirkungen der Bestrahlung auf sein Wohlbefinden.
 

Die Rechtslage

Bereits 1998 (Az.: B 1 KR 10/96 R) urteilte das Bundessozialgericht zum „gefakten“ Arbeitsverhältnis:  Eine Beschäftigung begründe dann keine Krankenversicherungspflicht, wenn ein Arbeitsverhältnis nur zum Schein begründet wird. Das gelte auch, wenn ein Arbeitsverhältnis in der Absicht begründet wird, die Tätigkeit wegen Arbeitsunfähigkeit gar nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben.
 
Das BSG führte jedoch ebenfalls aus, dass es für eine solche Annahme nicht ausreicht, wenn der Betroffene von seiner Arbeitsunfähigkeit weiß oder Tatsachen kennt, welche es in Frage stellen, ob er für die geforderte Tätigkeit ausüben kann. Das sei noch kein Beweis für die Absicht eines Arbeitnehmers, eine Beschäftigung lediglich vorzutäuschen.
 

Die Auffassung des Sozialgerichts

Zunächst vertrat das Gericht die Auffassung, es liege ein Fall eines vorgetäuschten Arbeitsverhältnisses vor. Es hörte sogar den Arbeitgeber als Zeugen, um den Kläger des Betruges zu überführen.
 
Alle Indizien sprächen für eine fingierte Vertragsunterzeichnung durch den Kläger. Ihm müsse doch klar gewesen sein, dass er mit einer derart schweren Erkrankung unter Bestrahlung nicht mehr arbeitsfähig sei. Zumal die behandelnden Ärzte das Problem doch schon erkannt und ihm entsprechend einen Transportschein für die Behandlungen ausgestellt hätten.
 

Der Kläger wehrt sich gegen das Bild eines Sozialschmarotzers

Das ließ sich der Kläger nicht gefallen. Schließlich war er nicht nur am 10. April, sondern auch in den Wintermonaten zuvor immer wieder arbeiten gegangen und hatte sich nicht auf einer Arbeitsunfähigkeit ausgeruht. Er hat sich ebenso bei der Agentur für Arbeit abgemeldet und seine Beschäftigung angetreten. Nicht typisch für jemanden, der es auf Sozialleistungen abgesehen habe.
Zudem ist der Arbeitgeber an ihn wegen eines Vertragsschlusses herangetreten und nicht umgekehrt. Und sein jahrelanger Kollege war ebenso zum 10. April wiedereingestellt worden.
Außerdem hatte der Kläger die Information, er müsse am 11. April zum Vorgespräch für die Bestrahlung kommen, erst am 10. April auf der Arbeit erhalten. Insofern war das Eintreten der Arbeitsunfähigkeit zu dem frühen Zeitpunkt nach Beschäftigungsbeginn Zufall.
 
Letztendlich konnte das Gericht dann doch keine Anhaltspunkte für ein fingiertes Arbeitsverhältnis mehr finden. Es gab nach zähem Ringen dem Kläger Recht.
 

Die Folgen: Krankenkasse muss Krankengeld nachzahlen

Für den Kläger bedeutet das nicht nur die Nachzahlung von Krankengeld für etwa zweieinhalb Monate, sondern auch die Rückerstattung freiwilliger Beiträge zur Krankenversicherung, die er aufgrund der Versicherungslücke zahlen musste. Weiterhin kann er für eine absolvierte Rehabilitationsmaßnahme nunmehr auf die Zahlung von Übergangsgeld hoffen.
 
Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Es bleibt jedoch zu hoffen, dass die Krankenkasse nach nunmehr zweijährigem Kampf ein Einsehen hat und die Unterstellung krimineller Machenschaften seitens des Klägers ad acta legt.