Krank im Urlaub – Welche Kosten erstattet die Krankenklasse? Copyright by LoloStock/Fotolia
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Mit dieser Frage beschäftigt sich das Sozialgericht Gießen in seinem Urteil vom 12. März 2019.

Herzattacke zwingt zur Notfallbehandlung

Bei einem Ausflug erleidet die Urlauberin 150 Kilometer entfernt von ihrem Hotel eine Herzattacke. Sanitäter bringen die bewusstlose Frau in eine Privatklinik. Die Ärzte setzen ihr einen Herzschrittmacher ein. Dafür stellen sie der Klägerin 13.000 € in Rechnung. Die Urlauberin bezahlte die Rechnung zunächst mit Hilfe von Verwandten. Zurück in Deutschland wollte sie die gesamte Summe von ihrer Krankenkasse zurückerstattet bekommen.

Krankenkasse verweist auf türkisches Recht

Die Krankenkasse erstattet lediglich ca. 1.250 €. Das ist der Betrag, der nach türkischem Recht angefallen wäre, hätte die Klägerin nicht eine Privatklinik, sondern ein normales Vertragskrankenhaus aufgesucht. Die Urlauberin klagt vor dem Sozialgericht. Sie will erreichen, dass die Krankenkasse auch den Differenzbetrag ausbezahlt.

Sozialgericht prüft mehrere rechtliche Aspekte

Das Sozialgericht beschäftigt sich unter anderem mit zwei Regelungen, auf die sich die Klägerin berufen könnte:

  • Kostenübernahme bei Behandlung außerhalb der Europäischen Union
  • Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über soziale Sicherheit (DT-SVA)

 

Kostenübernahme bei Behandlung außerhalb der Europäischen Union

Eine Übernahme der Kosten komme nach Auffassung des Sozialgerichts in Betracht, wenn sich Männer und Frauen wegen ihres Alters oder wegen entsprechender Vorerkrankungen nicht privat gegen Krankheit versichern können und die Krankenkasse dies vor Eintritt der Krankheit festgestellt habe.
Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Denn die Klägerin habe vor ihrem Urlaub keinen Kontakt mit der Krankenkasse aufgenommen.

Regelungen des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über soziale Sicherheit (DT-SVA)

Nach diesem Abkommen kann Versicherten in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung ein Anspruch auf Leistungen zustehen, wenn die Erkrankung während des vorübergehenden Aufenthalts in der Türkei eintritt. Außerdem müssen wegen der Krankheit sofortige Leistungen notwendig sein.
Das Sozialgericht räumt ein, dass ein Notfall ein sofortige Behandlung erforderlich gemacht habe. Aber das DT-SVA bestimme, dass sich der Anspruch auf Erstattung nach dem türkischen Recht richte. Danach seien nur die Kosten zu erstatten, die für eine vergleichbare Behandlung in einem türkischen Vertragskrankenhaus angefallen wären. Und dies seien nach einer Auskunft des türkischen Sozialversicherungs-trägers lediglich ca. 1.250 €. Die erhebliche Differenz ergebe sich daraus, dass die Kosten für die Behandlung in einer Privatklinik auch in der Türkei üblicherweise um ein Vielfaches höher als für die Behandlung in einem staatlichen Vertragskrankenhaus seien.

Urteil das Sozialgerichts Gießen rechtskräftig

Die Klägerin legte gegen das Urteil keine Berufung ein. Es steht also fest, dass sie auf dem Differenzbetrag sitzen bleibt. Das mag juristisch korrekt sein. Es ist aber ausgesprochen misslich, weil die bewusstlose Klägerin mutmaßlich keinerlei Einfluss darauf nehmen konnte, in welche Klinik sie die türkischen Sanitäter bringen.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des Sozialgerichts Gießen 12. März 2019 AZ: S 7 KR 261/17