wo gilt welches Recht? – gar nicht so einfach zu entscheiden! Copyright by cbies/Fotolia
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Die Klägerin des Verfahrens ist deutsche Staatsangehörige. Sie bezog vom Jobcenter Einstiegsgeld zur Förderung einer selbständigen Tätigkeit als Heilpraktikerin. Die Förderungsgelder wurden später wieder zurückgefordert. Grund dafür war, dass die Klägerin eine positive Geschäftsentwicklung nicht nachweisen konnte.
 
Die Klägerin nahm dennoch ihre Tätigkeit als selbständige Heilpraktikerin mit 15 Stunden wöchentlich auf. Sie erzielte anfangs ein Monatseinkommen in Höhe vom 500,- €. Dies erfuhr ihre frühere Krankenkasse.  Diese vertrat die Auffassung, die Klägerin sei als Heilpraktikerin hauptberuflich selbständig tätig. Sie müsse deshalb freiwillige Beiträge in der Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Dies gelte im Übrigen auch für einen späteren Zeitraum, als sie die Tätigkeit mit weniger Wochenstunden nebenberuflich ausgeübt habe.
 
Völlig unberücksichtigt blieb dabei, dass die Klägerin gleichzeitig ein Arbeitsverhältnis zu einem italienischen Arbeitgeber eingegangen war. Für diesen sollte sie 20 Stunden wöchentlich in Luxemburg arbeiten. Es kam allerdings tatsächlich nie zu einer Arbeitsaufnahme. Die notwendigen Räumlichkeiten standen nämlich wegen fehlender Mietzahlungen der italienischen Firma nicht zur Verfügung.
 

Keine Krankenversicherungsbeiträge im Ausland nachweisbar

Mangels Tätigkeitsaufnahme wurden dann allerdings wohl auch keine Krankenversicherungsbeiträge entrichtet. Das Sozialgericht wies im erstinstanzlichen Urteil darauf hin, dies habe sich nicht ausreichend aufklären lassen. Diesen Aufklärungsmangel habe allerdings die Klägerin zu vertreten. Sie könne deshalb sozialversicherungsrechtlich nicht so gestellt werden, wie dies bei nachgewiesener Beitragsentrichtung der Fall gewesen wäre.
 
Die Klägerin wurde durch die DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Die Jurist*innen aus Mainz schafften die Wende vor dem Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG). Das LSG sah die Rechtslage völlig anders als zuvor das Sozialgericht.
 

Deutsches Sozialversicherungsrecht nicht anwendbar

Deutsches Sozialversicherungsrecht sei vorliegend nicht anwendbar, so das LSG. Vorliegend gebe es eine Kollision von Sozialversicherungsvorschriften Deutschlands und Luxemburgs. Die Klägerin war in Deutschland selbständig tätig und sollte gleichzeitig von einem italienischen Arbeitgeber in Luxemburg beschäftigt werden.
 
Grundsätzlich komme jedoch nur das Sozialversicherungsrecht eines Mitgliedstaates zur Anwendung. Maßgeblich sei nach EU-Recht das Recht des Landes, in dem die Klägerin einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit nachgehe.
 

Beschäftigung hat Vorrang vor selbständigen Tätigkeit

Die Klägerin habe vorliegend nachgewiesen, in Italien ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen zu sein. Gleichzeitig sei sie in Deutschland selbständig tätig gewesen. Sozialversicherungsrechtliche gehe die Beschäftigung einer selbständigen Tätigkeit aber vor.
 
Werde in unterschiedlichen Mitgliedstaaten eine versicherungspflichtige Beschäftigung und eine selbständige Tätigkeit ausgeübt, seien immer die Rechtsvorschriften des Landes anwendbar, in welchem die Beschäftigung als Arbeitnehmer*in erfolge.
 
Weil die Klägerin laut Arbeitsvertrag mit dem italienischen Arbeitgeber in Luxemburg eingesetzt werden sollte, sei deshalb auch luxemburgisches Sozialversicherungsrecht anwendbar.
 

Nachweis der Krankenversicherung nicht erforderlich

Die Klägerin habe dabei auch nicht nachweisen müssen, dass sie tatsächlich Krankenversicherungsbeiträge entrichtet habe.
 
Sie konnte belegen, in der italienischen Rentenversicherung gemeldet gewesen zu sein. In einer dortigen Auskunft waren im entsprechenden Zeitraum Beitragszeiten vermerkt. Gleichzeitig enthielt die Auskunft den Hinweis, dass die Klägerin keine Fehlzeiten wegen Krankheit oder Unfall hatte. Das reichte dem LSG aus. Es nahm eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Luxemburg an.
 
Damit stand fest, dass das deutsche Krankenversicherungsrecht keine Anwendung finden konnte. Die beklagte Krankenkasse durfte damit von der Klägerin keine freiwilligen Beiträge fordern.

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