Der Anspruch auf Krankengeld kann an einer falschen Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen scheitern. Copyright by Adobe Stock/ Gerhard Seybert
Der Anspruch auf Krankengeld kann an einer falschen Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen scheitern. Copyright by Adobe Stock/ Gerhard Seybert

Der DGB Rechtsschutz Bielefeld konnte für das Gewerkschaftsmitglied beim Sozialgericht Detmold ein Anerkenntnis der AOK NordWest erreichen. Nach über zwei Jahren zahlt die Kasse nun Krankengeld nach. 
 
Wie kam es dazu?
 

Kein Krankengeld mehr für Rückenschmerzen

Der Kläger arbeitet als Maschinenbediener in der Kunststoffherstellung. Im Januar 2018 hat ihn sein Orthopäde wegen Beschwerden in der Lendenwirbelsäule, verursacht durch eine Schädigung oder Reizung einer Nervenwurzel, krankgeschrieben.
 
Seine Krankenkasse schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein. Dieser stellte das Ende der Arbeitsunfähigkeit zu Mitte Februar 2018 fest. Als Folge zahlte die AOK kein Krankengeld mehr. Damit stand der Kläger erstmal ganz ohne Geld da.
 

Rechtsstreit beim Sozialgericht zieht sich hin

Nachdem er mit seinem Widerspruch gegen die Krankenkasse nichts erreichte, bekam er Unterstützung durch den gewerkschaftlichen Rechtsschutz.
 
Lange Zeit sieht es so aus, als sei in der Sache nichts zu erreichen. Die von Klägerseite aufgeworfenen Zweifel am MDK-Gutachten „verpuffen“ ohne erkennbare Reaktion des Gerichts. Auch dass der Kläger eine Rehabilitation im Juni 2018 arbeitsunfähig beendet, lässt die AOK nicht zweifeln.  
 
Dann schreibt der Richter den Arbeitgeber des Klägers an und erkundigt sich nach der genauen Tätigkeit des Klägers. Wie oft und schwer muss er heben und kommt es zu Zwangshaltungen der Wirbelsäule?
Die Antworten des Arbeitgebers überraschen den Kläger in weiten Teilen. Es handele sich um einfache, körperlich eher leichte Tätigkeiten. Diese verrichte der Mitarbeiter im Wechsel stehend und sitzend. Zu körperlichen Zwangshaltungen komme es nicht.
 

Es folgt eine medizinische Begutachtung nach Aktenlage

Das Sozialgericht holt ein orthopädisches Gutachten ein. Der bestellte Sachverständige untersuchte den Kläger dafür nicht persönlich, sondern bewertet die vorliegenden Unterlagen.
 
Die Fragen des Gerichts beantwortet er auf der Grundlage dessen, was der Arbeitgeber zu den Tätigkeiten des Klägers geschrieben hat. Das Ergebnis ist deshalb: der Kläger habe im fraglichen Zeitraum schon wieder arbeiten können.
 
Der Mediziner sieht aber immerhin, dass der Kläger seine Tätigkeit anders geschildert hat. Gegebenenfalls müsse das Gericht hierzu weiter aufklären.
 

Schichtleiter sagt als Zeuge aus

Als endlich ein Termin beim Sozialgericht stattfindet, ist der direkte Vorgesetzte des Klägers als Zeuge geladen. Das Beweisthema: Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und körperliche Anforderungen der Tätigkeit.
 
Dabei stellt sich heraus, dass nicht alle Angaben, die der Arbeitgeber dem Gericht schriftlich mitgeteilt hatte, so ganz der Realität entsprechen. Die einzelnen Teile, die zu verpacken sind, sind leicht. Beim Packen in eine Gitterbox oder einen Karton müssen sich die Mitarbeiter aber drehen und bücken und beim Sortierten nach vorne beugen. Die Kartons können voll bis zu 20kg wiegen und werden auf Paletten gestapelt.
 

Nicht nur leichte Arbeit in frei wechselnder Körperhaltung

Die Bescheinigung des Arbeitgebers war also keine gute Basis für das Sachverständigengutachten. Deshalb bat das Gericht den Mediziner darum, die Sache noch einmal zu bewerten.
 
Er kam  - wen wundert`s  - zu einem anderen Ergebnis. Der Kläger konnte mit seinen Rückenbeschwerden nicht arbeiten. Die AOK erkannte den Anspruch auf Krankengeld an.

Das sagen wir dazu:

Zwei Jahre hat es letztlich gedauert, die falsche Feststellung des MDK richtig zu stellen. Der Kläger erhielt eine Nachzahlung für etwa fünf Monate, die er allerdings zuvor erst einmal finanziell überbrücken musste.

Die Mühe, die in Gutachten des Medizinischen Dienstes steckt, wird sicher in qualitativer und quantitativer Hinsicht unterschiedlich sein. In allen Fällen hängt aber der Anspruch auf Krankengeld daran.
Der Fall zeigt, wie schwer und langwierig es sein kann, zum richtigen Ergebnis zu kommen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich alle Mediziner der Krankenkassen ihrer Verantwortung gegenüber den Versicherten bewusst wären und entsprechend gründlich arbeiteten. Und die Krankenkassen sollten als Grundlage für ausreichend Personal sorgen.