Wenn die Krankschreibung vor einem Brückentag ausläuft oder man zum Vertretungsarzt muss, kommt es immer wieder zu Lücken in der ärztlichen Bescheinigung. Copyright by stockpics /Adobe Stock
Wenn die Krankschreibung vor einem Brückentag ausläuft oder man zum Vertretungsarzt muss, kommt es immer wieder zu Lücken in der ärztlichen Bescheinigung. Copyright by stockpics /Adobe Stock

Neumann war bis Dienstag arbeitsunfähig geschrieben. Die Praxis seines Arztes war wegen Urlaubs geschlossen und die Vertretung hatte an diesem Nachmittag keine Sprechstunde. Neumann ging also am Mittwochmorgen zum Vertretungsarzt. Doch es war rappelvoll und man vertröstete ihn auf den Donnerstag.

Gefährliche Unterbrechung von Krankmeldungen

Am Donnerstag untersuchte ihn der Vertretungsarzt und schrieb ihn ab sofort weiter arbeitsunfähig. Ergebnis: Die Arbeitsunfähigkeit war nicht nahtlos attestiert, der Mittwoch fehlte. Die Krankmeldung enthält also für einen Tag eine Lücke.
 
Dieser Fall ist nicht konstruiert. In vielen Arztpraxen scheint den Mitarbeiter*innen sowie der Ärztin/dem Arzt die Brisanz der nahtlosen Krankschreibung nicht so bewusst zu sein. Wenn die Krankschreibungen vor Brückentagen auslaufen oder in Vertretungsfällen, kommt es immer wieder zu Lücken in der ärztlichen Bescheinigung. So etwa auch an regionalen „Feiertagen“ wie Rosenmontag, wo es zumindest im Rheinland ganz schwer ist, eine offene Arztpraxis zu finden. Es kommt ebenfalls vor, dass die Versicherten sich einfach vertun und für das Ende der Krankmeldung einen falschen Tag im Kopf haben. So oder in ähnlicher Weise kommt es immer wieder zu Unterbrechungen bei der Krankschreibung.

Folgen bei bestehendem Arbeitsverhältnis

Hat Neumann einen Job, verliert er lediglich für einen Tag seinen Krankengeldanspruch. Da er für den Mittwoch keinen Nachweis darüber hat, dass er krank war, zahlt die Krankenkasse für diesen Tag kein Krankengeld.
Probleme mit dem Arbeitgeber sind möglich, aber unwahrscheinlich. Neumann könnte unentschuldigtes Fehlen vorgeworfen werden. Bei all den Streitigkeiten mit den Krankenkassen, haben wir bisher nie einen entsprechenden arbeitsrechtlichen Streit gehabt.
Hätte der Arzt einen Tag rückwirkend krankgeschrieben, dann läge kein unentschuldigter Fehltag vor.
Für den Anspruch auf Krankengeld hilft eine rückwirkende ärztliche Feststellung allerdings nicht, denn die Krankengeldzahlung hängt vom Tag der ärztlichen Feststellung ab. Das Datum der Untersuchung ist hier entscheidend.
 
Wer über das Arbeitsverhältnis versichert ist, für den spielt die Lücke in der Krankmeldung für die weitere Mitgliedschaft in der Krankenkasse keine Rolle. Ab der neuen Meldung muss die Kasse wieder Krankengeld zahlen und die Mitgliedschaft bleibt erhalten.

Folgen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht

Neumann war aber schon länger krank, der Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis gekündigt. Er erhielt über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus Krankengeld. Einige Tage nach Einreichen der letzten Krankmeldung schreibt seine Kasse ihn an und teilt mit, dass ab Donnerstag kein Krankengeld mehr gezahlt wird. Zudem sei seine Mitgliedschaft mit Ende der Krankmeldung zu Dienstag beendet.
 
Die Auffassung der Kasse war nach der bisherigen Regelung zutreffend. Neumann zahlt ja keine Beiträge, sondern seine Mitgliedschaft besteht nach § 192 SGB V nur deshalb weiter, weil er Krankengeld bekommt. War die Arbeitsunfähigkeit nicht nahtlos ärztlich festgestellt, verlor er mit dem Tag vor der Lücke die Mitgliedschaft.
Das wäre übrigens auch so, wenn der Vertretungsarzt rückwirkend einen Tag arbeitsunfähig geschrieben hätte.
 
In solchen Fällen entwickelt sich regelmäßig ein Horrorscenario. Weil Neumann krankgeschrieben ist, kann er sich auch nicht arbeitslos melden. Dafür muss er verfügbar für den Arbeitsmarkt sein und das ist er als Kranker nicht. Es bliebe nur Hartz IV Leistungen oder eine schnelle Genesung, damit er sich
arbeitslos melden kann und dann über den Bezug von Arbeitslosengeld wieder krankenversichert ist. Andernfalls besteht die Gefahr für einen langen Zeitraum ganz ohne Geld dazustehen.

Familienversicherung gibt keinen Anspruch auf Krankengeld

Frau Neumann ist als Arbeitnehmerin sozialversicherungspflichtig tätig. Neumann kann daher in diese Versicherung als Familienversicherter einsteigen. Damit ist er wieder versichert und kann Arztleistungen in Anspruch nehmen.
 
Aber: durch die Familienversicherung erwirbt er keinen Anspruch auf Krankgengeldzahlungen.

Das neue Terminservice und Versorgungsgesetz TSVG entschärft die Krankengeldfalle

Das TSVG ist am 11. Mai 2019 in Kraft getreten. Wesentlich ist das Ziel schnellerer Arzttermine und einer besseren Versorgung. Aber das Gesetz hat noch mehr zu bieten. Es ändert einige Regelungen des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V Gesetzliche Krankenversicherung). So auch den § 46 (Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld). Diese Norm wird um einen wichtigen Satz für Versicherte ergänzt, deren Mitgliedschaft vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist.
 
Mit dem neuen § 46 SGB V bleibt der Anspruch auf Krankengeld bestehen, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlicherseits festgestellt wird. Dies spätestens innerhalb eines Monats nach dem Ende der letzten Feststellung.
 
Für die nicht nachgewiesenen Zeiten ruht der Anspruch auf Krankengeld.

Was heißt das für Neumann?

In unserem Fall bleibt er weiter in seiner Kasse versichert und erhält auch mit der neuen Krankmeldung wieder Krankengeld. Der Mittwoch, also der Tag für die Arbeitsunfähigkeit nicht ärztlich nachgewiesen war, wird nicht bezahlt.

Das sagen wir dazu:

Jeder ist nach wie vor gut darin beraten, lückenlos den Nachweis der Arbeitsunfähigkeit zu führen.
Die negativen Folgen einer Lücke bei der Krankmeldung werden aber durch das neue Gesetz erheblich entschärft. Nach dem alten Gesetz konnte mit der Mitgliedschaft der gesamte zukünftige Krankengeldanspruch entfallen. Gerade psychisch Kranke sind schnell aus dem Raster gefallen, wenn sie aufgrund ihrer Krankheit nicht in der Lage waren, Arzttermine einzuhalten.
Mit dem TSVG bleibt die Mitgliedschaft bestehen, nur die Lückentage werden nicht bezahlt. Technisch heißt das, der Anspruch ruht.

Rechtliche Grundlagen

§§ 46, 49 SGB V zum Anspruch und Ruhen von Krankengeld

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung
§ 46 Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld
Der Anspruch auf Krankengeld entsteht

1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an,
2.im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an.

Der Anspruch auf Krankengeld bleibt jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage. Für Versicherte, deren Mitgliedschaft nach § 192 Absatz 1 Nummer 2 vom Bestand des Anspruchs auf Krankengeld abhängig ist, bleibt der Anspruch auf Krankengeld auch dann bestehen, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nicht am nächsten Werktag im Sinne von Satz 2, aber spätestens innerhalb eines Monats nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. (…)

§ 49 Ruhen des Krankengeldes
(1) Der Anspruch auf Krankengeld ruht, (…)
5.
solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt, (…)
8.
solange bis die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit nach § 46 Satz 3 ärztlich festgestellt wurde.