Krankenkassen haben auch Pflichten, wenn’s ums Geld geht. Copyright by M.Schuppich / Fotolia
Krankenkassen haben auch Pflichten, wenn’s ums Geld geht. Copyright by M.Schuppich / Fotolia

Ist die Entgeltfortzahlung beendet, zahlt die Krankenkasse Krankengeld. Dazu muss eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden. Die Versicherten haben dafür eine Woche Zeit.
 
Geht die Meldung später ein, bringt die Kasse das Krankengeld so lange zum Ruhen, bis die Bescheinigung eingeht. Was geschieht jedoch, wenn eine Meldung zu spät eingeht und der*die Versicherte meint, das nicht verschuldet zu haben?
 


Meldeobliegenheit beim Arzt?

Gegenstand mehrerer Verfahren bei unterschiedlichen Landessozialgerichten und inzwischen auch beim Bundessozialgericht war in den letzten Jahren die Frage, wer es vertreten muss, wenn der Patient meint, der Arzt werde die Meldung bei der Krankenkasse machen.
 
Im Hinblick auf eine Regelung im Entgeltfortzahlungsgesetz vertraten unterschiedliche Gerichte die Auffassung, die Verpflichtung der Meldung sei auf den Arzt übergegangen. Normalerweise sei der* die Versicherte zur Meldung verpflichtet.
 
Wenn der*die Versicherte die Arbeitsunfähigkeit jedoch rechtzeitig „gemeldet“ habe, der Zugang der Meldung aber durch Umstände verhindert worden seien, die er*sie nicht zu vertreten habe, könne ihm das nicht vorgehalten werde. In dem Fall sei die verspätete Meldung ihm*ihr nicht zurechenbar.
 
Das Entgeltfortzahlungsgesetz regele dazu, dass die Meldepflicht beim Arzt liege. Sie sei dem Versicherten damit abgenommen. Wenn der Arzt die Meldung dann versäume, müsse der*die Versicherte das nicht vertreten.
 


BSG: Anspruch ruht auch bei fehlendem Verschulden

Diese Rechtsprechung hat sich höchstrichterlich nicht durchgesetzt. Das Bundessozialgericht sagt inzwischen ganz klar, dass ein Krankengeldanspruch auch dann ruht, wenn den*die Versicherte*n kein Verschulden am rechtzeitigen Zugang der Krankmeldung bei der Krankenkasse treffe.
 
Die Regelung des Entgeltfortzahlungsgesetztes zu dieser Thematik lasse sich auf die Gewährung von Krankengeld nämlich nicht übertragen. Außerdem sei ein vertragsärztliches Fehlverhalten der Kasse nicht ohne Weiteres zuzurechnen.
 
Damit wird Versicherten für eine Vielzahl von Fällen die Verantwortung für ein etwaiges (Fehl-)verhalten des Arztes übertragen. Abweichungen von diesem Grundsatz sind nur sehr schwer durchsetzbar. Genaueres dazu wird sich aus dem vollständigen Urteil ergeben. Die Entscheidung liegt bislang nur in einer Pressemitteilung vor.
 
Es gibt aber auch Ausnahmefälle!
Im Einzelfall sollte daher immer eine individuelle Prüfung des Einzelfalles erfolgen, wie das jüngst vom SG Speyer gesprochene Urteil zeigt.
 


Nachsendeauftrag bei Umzug der Kasse für ein Jahr

Gemeinsam mit der DGB Rechtsschutz GmbH trug eine in Rheinland-Pfalz wohnende Klägerin vor, sie habe ihre Krankmeldung wie zuvor auch, an die ihr bekannte Anschrift der Krankenkasse geschickt. Der Brief kam jedoch als unzustellbar zurück. Die Klägerin schickte die Meldung anschließend an die Hauptverwaltung ihrer Kasse. Sie sah sich für den damit zusammenhängenden verspäteten Eingang der Krankmeldung nicht in der Verantwortung.
 
Das SG Speyer bestätigte nun diese Auffassung. Demnach kam die Ruhensregelung des Gesetzes in diesem Fall nicht zur Anwendung.
 
Das Gesetz gehe als Regelfall davon aus, dass der*die Versicherte die erforderlichen Schritte unternehme, wenn Arbeitsunfähigkeit auftrete. Dazu gehörten die ärztliche Feststellung, aber auch die Meldung bei der Krankenkasse. Fehler hierbei habe er*sie dabei grundsätzlich selbst zu vertreten.
 


Verantwortungsbereich der Krankenkasse

Das Gesetz habe aber trotz der strikten Anwendung dieser Regelungen auch Fälle vorgesehen, die in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fielen. Diese seien nicht dem Versicherten zuzurechnen. Entsprechendes sei hier anzunehmen.
 
Die Kasse habe es nämlich versäumt, ihre Versicherte darauf hinzuweisen, dass sie umgezogen war. Die ursprüngliche Geschäftsstelle existierte noch zum Zeitpunkt der erstmaligen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin. Die Klägerin habe sich zu Beginn ihres Krankengeldbezuges ausreichend und umfassend informiert. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei damals auch an die existierende Geschäftsstelle der Krankenkasse geschickt worden.
 
Es sei der Kasse in diesem Zusammenhang zumutbar gewesen, die Klägerin über die Schließung oder zumindest über die Beendigung des Nachsendeauftrages zu informieren. Statt dessen habe man diese „sehenden Auges“ in die Ruhensproblematik laufen lassen.
 


Keine Erkundigungspflicht vor Versand eines Briefes

Es könne auch nicht verlangt werden, dass sich Versicherte vor dem Versand eines jeden Schreibens erkundigen müssten, ob die Geschäftsstelle auch tatsächlich noch bestehe.
 
Dies gelte zumindest in solchen Fällen, in welchen auf Grund fortbestehenden Krankengeldbezuges ein Dauerschriftverkehr stattfinde und an die nicht rechtzeitige Meldung Konsequenzen geknüpft würden. Hieraus erwachse die Verpflichtung der Kasse, über die Schließung zu informieren.
 
Erfolge diese Information nicht, trage die Krankenkasse die Hauptverantwortung am verspäteten Eingang der Meldung. Ein Ruhen des Krankengeldanspruchs käme dann aber nicht in Betracht.
 
Trotz der zwischenzeitlich sehr restriktiven Gesetzesauslegung durch das Bundessozialgericht zeigt dieser Fall, dass es durchaus noch Fälle geben kann und auch geben wird, in welchen nicht von vorne herein der*die Versicherte die Verantwortung für eine verspätete Meldung tragen muss.
 
Hier geht es zu den Entscheidungen, die dem Artikel zugrunde lagen:
 
SG Speyer, Urteil vom 28.01.2019  - S 7 KR 303/17
BSG, Urteil vom 25.10.2018  - B 3 KR 23/17 R
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2017  - L 5 KR 2067/17
LSG NRW, Urteil vom 26.04.2018  - L 5 KR 783/17