Nach dem Gesetz erhalten Versicherte Krankengeld im Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit für längstens 78 Wochen. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlängert sich die Leistungsdauer aber nicht. Die Zeiten werden zusammengerechnet.

Bei der Klägerin kamen viele Krankheiten zusammen

Danach sah es bei der vom DGB Rechtsschutzbüro Wiesbaden vertretenen Klägerin aus. Sie litt an einer Vielzahl von Gesundheitsstörungen unterschiedlichster Art. Krankgeschrieben war sie 2016/2017 und erneut ab 2018 so häufig, dass die Krankenkasse ankündigte, wegen Erreichens der 78-Wochen-Frist die Krankengeldzahlungen einzustellen.

In seinem Urteil wies das Sozialgericht Wiesbaden darauf hin, es komme darauf an, welche Krankheit bei der Klägerin zunächst zu Arbeitsunfähigkeit führte und ob eine weitere Krankheit hinzugekommen sei, die der Verlängerung des Krankengeldanspruchs nach dem Ablauf von 78 Wochen entgegenstand.

Eine Fachärztin für Lungenheilkunde hatte bei der Klägerin eine obstruktive Ventilationsstörung festgestellt. Es handelte sich hierbei um eine COPD. Diese Erkrankung wurde Ende 2018 bei der Klägerin erstmals diagnostiziert und war Grundlage der aktuellen Krankschreibung.

Zum Asthma kam eine COPD

Die Bescheinigungen der Ärzte enthielten 2016 und 2017 schon die Diagnose eines Asthma bronchiale. Die Krankenkasse meinte nun, bei dem 2018 diagnostizierten COPD handele es sich um eine Erkrankung, die mit dem Asthma bronchiale gleichzusetzen sei. Infolgedessen müssten beide Arbeitsunfähigkeitszeiten zusammengerechnet und auf den 78-Wochen Zeitraum angerechnet werden.

Das Sozialgericht sah das anders. COPD und Asthma bronchiale seien voneinander unabhängige Erkrankungen der Bronchien. Die frühere Arbeitsunfähigkeitszeit der Klägerin sei deshalb auf die neue Arbeitsunfähigkeit nicht anzurechnen.

Bei Krankheiten, die nacheinander auftreten, handele es sich um dieselbe Krankheit, wenn der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand, der die Krankheitsursache bilde, auf ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden zurückzuführen sei. Das gelte beispielsweise für gesundheitliche Beeinträchtigungen, die wiederholt in unterschiedlicher Ausprägung auftreten. Man dürfe aber nicht eng fachmedizinisch betrachten.

Das Grundleiden muss fortbestehen

Eine später auftretende Gesundheitsstörungen sei dieselbe Krankheit, wenn sie im Vergleich zu einer früheren Krankheit dieselbe Krankheitsursache habe. Es reiche aus, wenn ein medizinisch nicht ausgeheiltes Grundleiden latent weiterbestehe und nach einem beschwerdefreien oder beschwerdearmen Intervall erneut Krankheitssymptome hervorrufe.

Das umfasse auch nacheinander auftretende Erkrankungen oder Krankheitsschübe, die wiederholt in unterschiedlicher Ausprägung auftreten. Umfasst sei auch eine wiederholt auftretende, nicht ausgeheilte Lungenentzündung.

Die behandelnde Ärztin habe bei der Klägerin 2018 eine COPD diagnostiziert. Es handelte sich dabei nicht um die gleiche Erkrankung wie das früher festgestellte Asthma bronchiale. Zwar handele es sich in beiden Fällen um eine obstruktive Atemwegserkrankung. Das Asthma bronchiale sei aber allergiebedingt, wohingegen das COPD in direktem Zusammenhang mit einem Nikotingebrauch stehe.

Das Asthma der Klägerin war nie Ursache der Arbeitsunfähigkeit

Das Asthma sei im Rahmen der früheren Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im Übrigen zwar genannt gewesen, es habe jedoch damals nicht zur Arbeitsunfähigkeit geführt. Aus Sicht des Sozialgericht reicht es nicht aus, dass eine chronische Erkrankung neben einer Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit führt, ohne eigenen Beitrag zu dieser Arbeitsunfähigkeit besteht. Die Arbeitsunfähigkeit müsse durch die chronische Erkrankung zumindest mitverursacht werden. Das sei bei der Klägerin nicht ersichtlich.

Die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, in welchen bei der Klägerin zunächst das Asthma und später die COPD diagnostiziert worden waren, durfte die Krankenkasse deshalb nicht zusammenzählen. Die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der COPD führte bei der Klägerin zum Beginn einer neuen 78-Wochen-Frist. Das Krankengeld musste die Kasse weiter zahlen.

Das Urteil des Sozialgericht Wiesbaden, Urteil vom 24. Juni 2021 – S 2 KR 388/19 hier im Volltext

Rechtliche Grundlagen

§ 48 I SGB V

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)
§ 48 Dauer des Krankengeldes
(1) Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert.
(2) Für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für achtundsiebzig Wochen Krankengeld bezogen haben, besteht nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate
1.
nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und
2.
erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen.
(3) Bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes werden Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht für Zeiten des Bezuges von Verletztengeld nach dem Siebten Buch.
Fußnote
§ 48 Abs. 2: Mit dem GG vereinbar gem. BVerfGE v. 24.3.1998 I 1526 - 1 BvL 6/92 -