Keine Kostenübernahme für Nikotin-Entzug eines Babys. Copyright by VRD/fotolia
Keine Kostenübernahme für Nikotin-Entzug eines Babys. Copyright by VRD/fotolia

Das Geburtsgewicht eines Frühchens, das in der 30. Schwangerschaftswoche von seiner 38jährigen Mutter im Krankenhaus zur Welt gebracht wurde, betrug 1060 Gramm.
 
Während der Schwangerschaft, so die behandelnden Ärzte, hatte die Mutter das Kind durch Tabakkonsum "kleingeraucht". Nach der Geburt litt das Kind an erheblichen Atem- und Herzproblemen. Ein intensivmedizinischer Nikotinentzug war ebenso erforderlich wie eine künstliche Beatmung. Über sieben Wochen bedurfte das Kind stationärer Behandlung.

Krankenhaus stellt Kosten für Drogenentzugssyndrom in Rechnung

In der Schlussrechnung berechnete das Krankenhaus u.a. ein Drogenentzugssyndrom. Die Krankenkasse vergütete die Kosten nicht. Sie begründete dies damit, das Tabak und Nikotin keine Drogen seien. Im Klageverfahren argumentierte das Krankenhaus, dass die Fachgesellschaft der Kinderkrankenhäuser als Drogenentzugssyndrome bei Neugeborenen neben den Folgen von Opiaten, Methadon und Heroin auch die Folgen von Alkohol und Nikotin benenne. Auch führe der Nikotinentzug zu verstärkter Unruhe, Herz- und Atembeschwerden und deutlich höherem Pflegeaufwand. Eine Abrechnung als Drogenentzugssyndrom werde dem Krankheitsbild spezifisch gerecht.
 

Landessozialgericht: Tabak und Nikotin sind keine Drogen im Sinne des Krankenhausvergütungsrechts.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen schloss sich der Rechtsauffassung der Krankenkasse an.


Zur Begründung führten die Richter*innen des LSG aus, dass Tabak und Nikotin keine Drogen im Sinne des Krankenhausvergütungsrechts seien. Die Systematik der Bestimmungen zeige, dass Tabak und Nikotin einerseits und sogenannte harte Drogen andererseits verschiedenen Begriffskategorien zuzuordnen seien.


Im allgemeinen Sprachgebrauch werde zwar kontrovers diskutiert, was konkret unter einer Droge zu verstehen sei. Allein entscheidend seien jedoch die Abrechnungsbestimmungen, die nach ihrem Wortlaut und ihrer Systematik eng anzuwenden seien. Im Rahmen einer solchen Betrachtungsweise ergebe sich, dass eine Erstattung der vom Krankenhaus begehrten Kosten nicht möglich sei.
 

Etwaige Fehlentwicklungen sind durch die Selbstverwaltung zu korrigieren

Bei seiner Entscheidung hat das LSG offenkundig erkannt, dass das Vergütungssystem einer Änderung bedarf. Denn die Selbstverwaltung müsse etwaige Fehlentwicklungen für die Zukunft selbst korrigieren, da das Vergütungssystem als System angelegt sei, das sich weiterentwickelt und lernt.
 
Hier geht es zur vollständigen Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 19.06.2018