In dem vom Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg entschiedenen Fall war die Auszubildende in der Zeit vom 15.05.2013 bis zum Ende des Ausbildungsverhältnisses am 21.01.2014 arbeitsunfähig erkrankt. Während dieses Zeitraums bestand somit keine Arbeitspflicht gegenüber dem Ausbildungsbetrieb.

Krankenkasse kürzt Krankengeld, Klägerin verklagt Ausbildungsbetrieb

Die Krankenkasse der Klägerin teilte dieser mit Schreiben vom 15.01.2014 mit, dass sie für die Tage, an denen sie die Berufsschule besucht habe, keinen Anspruch auf Krankengeld habe. Nach Auskunft der Berufsschule seien dies im Zeitraum 15.05.2013 bis 17.12.2013 insgesamt 44 Tage gewesen, um welche das Krankengeld gekürzt werde. Nachdem die Krankenkasse Krankengeldzahlungen für 44 Berufsschultage verweigerte, verklagte die Klägerin, nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung, ihren Ausbildungsbetrieb auf Zahlung der Vergütung an den Berufsschultagen.

Erfolgreich in I. Instanz – Berufungsgericht hebt Entscheidung des Arbeitsgerichts auf und weist die Klage ab

Mit Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 24.07.2014 ( Az.: 7 Ca 124/14) wurde der Klage auf Bezahlung der Ausbildungsvergütung stattgegeben. 

Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ein, welches zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung der Ausbildungsvergütung für die Tage des Besuchs der Berufsschule hat.

Die Begründung der LAG–Entscheidung stützt sich darauf, dass eine Vergütung der Berufsschultage nur in Frage kommt, wenn der/die Arbeitgeber*in dadurch ihrer Pflicht zur Freistellung nach § 15 BBiG nachkommt.

Wenn aber eine arbeitsunfähig erkrankte Auszubildende nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit am Berufsschulunterricht teilnimmt, so erfolgt dies nicht durch Freistellung nach § 15 BBiG, so dass sie für diese Tage keine Fortzahlung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG vom Ausbilder verlangen kann. 

Denn, so die 13. Kammer des LAG Baden-Württemberg: Ein eigenständiger Zahlungsanspruch gegen den Ausbildungsbetrieb allein wegen der Teilnahme am Berufsschulunterricht besteht nicht. Eine Freistellung für die Teilnahme am Berufsschulunterricht nach § 15 BBiG kommt nur in Betracht, wenn der/die Auszubildende anderenfalls verpflichtet wäre, im Betrieb des Ausbildenden zu erscheinen. Besteht eine solche Pflicht nicht, weil der/die Auszubildende arbeitsunfähig erkrankt ist, kann er/sie nicht nach § 15 BBiG für die Teilnahme am Berufsschulunterricht freigestellt werden.

Anmerkung: „Aufs falsche Pferd gesetzt“ 

Im Ergebnis ist der Entscheidung des LAG zuzustimmen. Da für die Tage der Teilnahme am Berufsschulunterricht keine Freistellung durch den Ausbilder nach § 15 BBiG erfolgte, besteht für diese Tage kein Fortzahlungsanspruch wie sich dies aus § 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG ergibt.

 

Wie der Entscheidung des LAG zu entnehmen ist, hat die Krankenkasse der Klägerin für die Dauer der Berufsschulbesuche Krankengeldzahlungen verweigert. Da es sich hierbei um immerhin 44 Tage handelte, für die die Auszubildende kein Krankengeld erhalten hat, hätte es aus Sicht der Autors nahe gelegen, gegen den Bescheid der Krankenkasse Widerspruch und im Falle der Nichtabhilfe Klage beim Sozialgericht zu erheben und Krankengeldzahlungen für 44 Tage zu verlangen. 

 

Da Krankengeldberechnungen grundsätzlich auf den Entgeltabrechnungszeitraum abzustellen sind, welcher vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgelaufen und abgerechnet ist (§ 47 SGB V), sind keine vernünftigen Gründe erkennbar, die die Krankenkasse zur Verweigerung des Krankengeldes hätte berechtigen können. Bei vergleichbaren Fällen (Azubi ist länger als sechs Wochen krank und besucht die Berufsschule, Krankenkasse kürzt Krankengeld für die Tage der Teilnahme am Berufsschulunterricht) könnte es Sinn machen, Ansprüche gegenüber der Krankenkasse geltend zu machen. Wie die Entscheidung des LAG Baden-Württemberg zeigt, macht eine Klage gegen den Ausbildungsbetrieb keinen Sinn da es nach der gemäß § 15 BBiG notwendigen Freistellung für die Teilnahme am Berufsschulunterricht mangelt.

 

DOWNLOAD:

Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 14. Januar 2015 – 13 Sa 73/14

 

§§ 15 und 19 Berufsbildungsgesetz (BBiG), sowie § 47 SGB V im Praxistipp

Rechtliche Grundlagen

§§ 15 und 19 Berufsbildungsgesetz (BBiG), sowie § 47 SGB V

Berufsbildungsgesetz (BBiG)

§ 15 Freistellung

Ausbildende haben Auszubildende für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Prüfungen freizustellen. Das Gleiche gilt, wenn Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte durchzuführen sind.

§ 19 Fortzahlung der Vergütung

(1) Auszubildenden ist die Vergütung auch zu zahlen
1.für die Zeit der Freistellung (§ 15),
2.bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn sie
a) sich für die Berufsausbildung bereithalten, diese aber ausfällt oder
b) aus einem sonstigen, in ihrer Person liegenden Grund unverschuldet verhindert sind, ihre Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen.
(2) Können Auszubildende während der Zeit, für welche die Vergütung fortzuzahlen ist, aus berechtigtem Grund Sachleistungen nicht abnehmen, so sind diese nach den Sachbezugswerten (§ 17 Abs. 2) abzugelten.

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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477)

§ 47 Höhe und Berechnung des Krankengeldes

(1) Das Krankengeld beträgt 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 vom Hundert des bei entsprechender Anwendung des Absatzes 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Für die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts nach Satz 2 ist der sich aus dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag nach Absatz 2 Satz 6 ergebende Anteil am Nettoarbeitsentgelt mit dem Vomhundertsatz anzusetzen, der sich aus dem Verhältnis des kalendertäglichen Regelentgeltbetrages nach Absatz 2 Satz 1 bis 5 zu dem sich aus diesem Regelentgeltbetrag ergebenden Nettoarbeitsentgelt ergibt. Das nach Satz 1 bis 3 berechnete kalendertägliche Krankengeld darf das sich aus dem Arbeitsentgelt nach Absatz 2 Satz 1 bis 5 ergebende kalendertägliche Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Das Regelentgelt wird nach den Absätzen 2, 4 und 6 berechnet. Das Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt. Ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit dreißig Tagen anzusetzen. Bei der Berechnung des Regelentgelts nach Satz 1 und des Nettoarbeitsentgelts nach den Sätzen 2 und 4 sind die für die jeweilige Beitragsbemessung und Beitragstragung geltenden Besonderheiten der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches nicht zu berücksichtigen.

(2) Für die Berechnung des Regelentgelts ist das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum, mindestens das während der letzten abgerechneten vier Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde. Das Ergebnis ist mit der Zahl der sich aus dem Inhalt des Arbeitsverhältnisses ergebenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden zu vervielfachen und durch sieben zu teilen. Ist das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen oder ist eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich, gilt der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt. Wenn mit einer Arbeitsleistung Arbeitsentgelt erzielt wird, das für Zeiten einer Freistellung vor oder nach dieser Arbeitsleistung fällig wird (Wertguthaben nach § 7b des Vierten Buches), ist für die Berechnung des Regelentgelts das im Bemessungszeitraum der Beitragsberechnung zugrundeliegende und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Arbeitsentgelt maßgebend; Wertguthaben, die nicht gemäß einer Vereinbarung über flexible Arbeitszeitregelungen verwendet werden (§ 23b Abs. 2 des Vierten Buches), bleiben außer Betracht. Bei der Anwendung des Satzes 1 gilt als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit die Arbeitszeit, die dem gezahlten Arbeitsentgelt entspricht. Für die Berechnung des Regelentgelts ist der dreihundertsechzigste Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach § 23a des Vierten Buches der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat, dem nach Satz 1 bis 5 berechneten Arbeitsentgelt hinzuzurechnen.

(3) Die Satzung kann bei nicht kontinuierlicher Arbeitsverrichtung und -vergütung abweichende Bestimmungen zur Zahlung und Berechnung des Krankengeldes vorsehen, die sicherstellen, daß das Krankengeld seine Entgeltersatzfunktion erfüllt.

(4) Für Seeleute gelten als Regelentgelt die beitragspflichtigen Einnahmen nach § 233 Abs. 1. Für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer sind, gilt als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend war. Für nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Versicherte ist das Regelentgelt aus dem Arbeitseinkommen zu berechnen, das der Beitragsbemessung für die letzten zwölf Kalendermonate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zugrunde gelegen hat; dabei ist für den Kalendertag der dreihundertsechzigste Teil dieses Betrages anzusetzen. Die Zahl dreihundertsechzig ist um die Zahl der Kalendertage zu vermindern, in denen eine Versicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz nicht bestand oder für die nach § 234 Abs. 1 Satz 3 Arbeitseinkommen nicht zugrunde zu legen ist. Die Beträge nach § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 bleiben außer Betracht.

(5) (weggefallen)

(6) Das Regelentgelt wird bis zur Höhe des Betrages der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt.

Fußnote

(+++ § 47 Abs. 1 u. 2: Zur Anwendung vgl. SGB 6 § 301a und SGB 7 § 47 Abs 1a F. 21.12.2000 +++)