Das Umleiten der Post muss die Krankenkasse vertreten. © Adobe Stock: ghazii
Das Umleiten der Post muss die Krankenkasse vertreten. © Adobe Stock: ghazii

Wenn Beschäftigte längerfristig erkranken und die sechs Wochen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ausgeschöpft sind, bekommen sie anschließend in der Regel Krankengeld von der Krankenkasse. Dafür muss im Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit ein Arbeitsverhältnis bestehen.

 

Deshalb ist größte Vorsicht geboten, wenn das Arbeitsverhältnis während der Arbeitsunfähigkeit beendet wird: Der Anspruch auf Krankengeld besteht nur fort, wenn die Arbeitsunfähigkeit lückenlos dokumentiert und die Meldung spätestens eine Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse zugegangen ist.

 

Geht die Meldung allerdings deshalb nicht rechtzeitig zu, weil die Behörde eine Postumleitung eingerichtet hat („Umroutung“), geht dies zulasten der Behörde. Das hat das Sozialgericht Berlin entschieden und einer Klägerin einen Krankengeldanspruch über das Ende ihres Arbeitsverhältnisses hinaus zugesprochen. Dieser Fall zeigt anschaulich, dass auch eine Lücke von nur einem Tag den Krankengeldanspruch zu Fall bringen kann.

 

Ablehnung wegen verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeit

 

Die Klägerin war vom 24. November  bis zum 9. Dezember 2016 (Freitag) arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete bereits einen Tag zuvor, am 8. Dezember 2016. Am Montag, dem 12. Dezember 2016, also nach Ende des Arbeitsverhältnisses, war die Klägerin erneut wegen einer anderen Diagnose arbeitsunfähig.

 

Noch am Abend des 25. November 2016 hatte die Klägerin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in einen Postkasten der Krankenkasse eingeworfen.

Im Februar 2017 wurde die Klägerin dann von einem Ablehnungsbescheid der Krankenkasse überrascht: Diese hatte ihren Krankengeldantrag abgelehnt, weil ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den ersten Zeitraum erst am 12. Dezember 2016 eingegangen sei. Deshalb sei die Meldung der Arbeitsunfähigkeit nicht fristgemäß innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eingegangen. Der Krankengeldanspruch ruhe bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit am 9. Dezember. Da das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich geendet habe, bestehe auch kein Anspruch auf Krankengeld ab dem 12. Dezember 2016.

 

Verzögerungsrisiko bei Postumleitungen trifft die Behörde

 

Dem trat das Sozialgericht Berlin entgegen und gab der Klägerin in vollem Umfang recht. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei fristgerecht eingegangen. Es gehe nicht zulasten der Klägerin, dass die Behörde am „Postrouting“ teilnehme und Sendungen automatisiert in einem Dienstleistungszentrum an die Krankenkasse zugestellt würden. Wenn die Behörde schon in den gewöhnlichen Postablauf eingreife, trage sie auch das Risiko einer Verzögerung, so das Gericht. Deshalb komme es ausnahmsweise nicht darauf an, dass die Meldung bei der Behörde eingehe.

 

Denn das Risiko der rechtzeitigen Übermittlung treffe hier nicht die Versicherte, sondern die Krankenkasse. Die Klägerin habe auf einen rechtzeitigen Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei gewöhnlichem Postablauf vertrauen dürfen. Sie konnte nicht wissen, dass Dokumente, die sie der Behörde schickt, umgeleitet würden. Diese Umleitung stelle einen Organisationsmangel der Krankenkasse dar. Die Behörde habe den rechtzeitigen Zugang durch eigene, organisatorische Vorkehrungen vereitelt. Sie könne sich deshalb nicht anschließend auf einen verspäteten Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung berufen.

 

Weil die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fristgerecht eingegangen ist, stand der Klägerin Krankengeld bis zum 9. Dezember 2016 (Freitag) zu. Da die Klägerin auch für den nächsten Werktag, Montag, dem 12. Dezember 2016, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hatte, bestand auch keine Lücke. Deshalb sprach das Gericht der Klägerin das Krankengeld über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses hinaus zu.

Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Berlin.