Oft folgt eine Krankheit der nächsten und dann kann es Probleme mit der Zahlung von Krankengeld geben. © Adobe Stock: joyfotoliakid
Oft folgt eine Krankheit der nächsten und dann kann es Probleme mit der Zahlung von Krankengeld geben. © Adobe Stock: joyfotoliakid

Neumann ist pflichtversichert und Arbeiter in der Metallindustrie. Er war öfter krank, zuletzt schon seit zwei Monaten mit einer Nervenwurzelreizung im Rücken. Dem Arbeitgeber reichte es, er kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.1. Im Folgenden soll nun nur auf die Krankzeiträume und das Krankengeld eingegangen werden, also auf die sozialrechtliche Bewertung.

 

Neumann war weiter aufgrund dieser Erkrankung bis zum 12.2. arbeitsunfähig. Ab 13.2. erfolgte eine Krankenhausbehandlung wegen Kniegelenkverschleiß, danach eine Reha ebenfalls wegen des Knieleidens bis zum 5.4.

 

 

Krankenkasse zahlt nur bis 12.2.

 

Neumann stand schon im Krankengeldbezug. Der läuft auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus. Die Kasse machte aber einen Schnitt zwischen Nervenwurzelerkrankung und Erkrankung wegen des Knieleidens. Sie war der Auffassung, dass ab dem 13.2. eine neue Erkrankung die Arbeitsunfähigkeit verursachte und keine Überschneidung von wenigstens einem Tag vorliege. Mit diesem Schnitt endete ihrer Auffassung nach die Mitgliedschaft von Neumann in der Krankenkasse. Daher müsse sie ab dem 13.2. kein Krankengeld zahlen.

 

Was? auf einmal nicht mehr versichert, das kann nicht sein, denkt Neumann. Er hatte doch Jahrzehnte lang Beiträge vom Bruttolohn gezahlt. Und jetzt wirft die Kasse ihn ohne Verschulden raus! Das kann nicht richtig sein, überlegt er und klagt auf Zahlung von Krankengeld vor dem Sozialgericht.

 

Wann endet Mitgliedschaft zur Krankenkasse?

 

Für Neumann, der Pflichtmitglied in der Krankenkasse ist, wurden von seinem Bruttolohn Beiträge, also Mitgliedsbeiträge an die Kasse gezahlt. Die Zahlung endet, wenn er selbst eine Leistung in Form von Krankengeld bekommt. Dann muss er für den gleichen Zeitraum natürlich keine Beiträge mehr zahlen, sondern er ist weiter versichert über den Bezug von Krankengeld.  Dies dauert aber nur, solange er im Bezug von Krankengeld steht. Lücken in der Krankschreibung nach Ende des Arbeitsverhältnisses haben eine böse Folge.

 

Das hat nichts mit Rauswerfen oder Kündigung zu tun. Der Normalfall ist: Neumann wird wieder gesund, arbeitet und ist dann durch die Zahlung der Beiträge weiter versichert. Oder, wenn er nicht gesund wird, teilt ihm die Kasse irgendwann mit, wann er ausgesteuert ist, er meldet sich arbeitslos und ist dann weiter versichert, da vom Arbeitslosengeld ebenfalls Beiträge an die Kasse abgeführt werden.

 

Besteht  jedoch kein Krankengeldanspruch mehr und zahlt Neumann auch nicht nahtlos wieder Beiträge, endet auch die Mitgliedschaft zur Krankenkasse mit Ende des Bezugs vom Krankengeld. Das ergibt sich aus § 192 SGB V.

 

Wäre eine Überschneidung der Arbeitsunfähigkeit der Erkrankungen nötig wie die Krankenkasse in seinem Fall meint, um weiter krankenversichert zu bleiben, wäre Neumann raus. Das wäre fatal, weil er ja ab dem 13.2. auch krank ist, sich nicht arbeitslos melden kann und allenfalls Sozialleistungen beantragen könnte. Und das ohne eigenes Verschulden.

 

BSG verurteilt zur weiteren Krankengeldzahlung

 

Die Vorinstanzen und zum Glück auch das BSG teilten die Meinung der Kasse nicht, die vortrug Neumann sei ja erst am 13.2. um 9:05 im Krankenhaus aufgenommen worden, weshalb keine Überschneidung vorliegen soll.  Das BSG bezog sich auf § 46 SGB V. Bei einer Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge- oder Reha-Einrichtungen besteht danach von Beginn an ein Krankengeldanspruch, im Übrigen von dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Es sei unerheblich, dass Neumanns Arbeitsunfähigkeit erst im Laufe des Tages erfolgt ist, an dem der Anspruch entstanden ist.

 

Maßgeblich für die mitgliedschaftserhaltende Wirkung sei, dass überhaupt ein Anspruch auf Krankengeld besteht. Übersetzt heißt das, er musste nicht schon um Null Uhr im Krankenhaus sein, sondern im Laufe des Tages reichte aus.

 

Hauptsache nahtlos

 

Ohne Bedeutung sei deshalb, welche der Krankengeldtatbestände den Anspruch auslösten. Es spiele keine Rolle, ob unterschiedliche Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen unterschiedlicher Erkrankungen vorlägen (so  BSG vom 7.4.2022 - B 3 KR 9/21 R)  oder ob Krankengeldansprüche wegen stationärer Behandlung und Arbeitsunfähigkeit sich nahtlos aneinander anschließen (BSG vom 7.4.2022 -  B 3 KR 4/21 R). In beiden Fällen bleibe die Mitgliedschaft bestehen. Neumann könne daher Krankengeld bis zum 5.4. beanspruchen.

 

Meist argumentieren Kassen mit hinzutretenden Erkrankungen

 

Hier wich die Kasse von der üblichen Argumentation ab.

 

Wir kennen in unseren Rechtsschutzbüros eine typische Fallgestaltung. Neumann erhält die Mitteilung, dass der Krankengeldbezug nach 18 Monaten (inkl. der 6 wöchigen Entgeltfortzahlung) endet und denkt sich, das kann doch nicht sein. Ich war erst auf das Knie krank und dann wegen dem Herz. In diesen Fällen argumentiert die Kasse regelmäßig, das Knieleiden sei nicht ausgeheilt, als das Herzleiden hinzukam, somit seien die Zeiten zusammenzurechnen und die Kasse kommt zu einer viel früheren Aussteuerung.

 

In diesen Verfahren ist zu klären, ob das tatsächlich so ist. Ein Kniegelenkverschleiß führt ja nicht immer zur Dauerarbeitsunfähigkeit, der Verschleiß bleibt, aber ob zu einem Zeitpunkt auch Arbeitsunfähigkeit vorlag ist dort zu klären.

 

Hier geht es zum ersten Urteil des BSG vom 7. April 2022.

Hier geht es zum zweiten Urteil des BSG vom 7. April 2022.

Das sagen wir dazu:

So einfach wird die Kasse also teurere sprich kranke, Mitglieder nicht los. Die hiesige Auffassung der Krankenkasse hätte gravierende Folgen, denn der Streit ob es eine hinzugetretene Erkrankung oder eine neue ist, wäre wirtschaftlich existentiell und die Neumanns hingen in der Luft. Schön, dass das BSG hier klar zugunsten der Versicherten entschieden hat.

 

Und für die Versicherten gilt wie so oft: nahtlos muss es sein, also nicht abweisen lassen, weil es in der Arztpraxis zu voll ist, oder der Vertreter einen erst am nächsten Tag drannehmen will. Die fatalen Auswirkungen fürs Krankengeld haben gerade die für die Termine zuständigen Mitarbeiter*innen der Praxen nicht im Blick.