Kein Unfallversicherungsschutz nach Verlassen des direkten Weges aus Sicherheitsgründen? Copyright by arborpulchra/Fotolia
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Die seit fast 20 Jahren bei einem Juwelier beschäftigte Klägerin biegt auf ihrem Weg zur Arbeit morgens gewohnheitsmäßig kurz vor dem Juweliergeschäft zu einem ca. 180 m entfernten Parkhaus ab. Dort trifft sie sich mit ihrer Kollegin, der Geschäftsführerin und Besitzerin des Schlüssels für das Juweliergeschäft. Beide legen den Weg vom Parkhaus zum Juweliergeschäft dann gemeinsam zurück und schließen das Juweliergeschäft auf.
Im Februar 2018 rutschte die Klägerin mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Parkhaus auf Glatteis weg. Hierbei erlitt sie einen Bruch des Wadenbeins. Bei der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) beantragte sie die Anerkennung eines Wegeunfalls.

Berufsgenossenschaft verweigert Anerkennung

Die beklagte BG lehnte die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Begründet wurde die Nichtanerkennung des Unfalls damit, dass die Klägerin sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem direkten Weg zu ihrer Arbeitsstätte befunden habe.

Klägerin wendet sich gegen die Entscheidung der BG

Gegen diese Entscheidung wandte die Klägerin ein, dass sie sich aus Sicherheitsgründen immer mit ihrer Kollegin am Parkhaus treffe. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Vernehmung des Eigentümers des Juweliergeschäfts als Zeugen hat sich das Sozialgericht (SG) Osnabrück der Einlassung der Klägerin angeschlossen.

Sozialgericht gibt der Klage statt

Zur Begründung führt das SG aus, dass auch der Weg zum Parkhaus als versicherter Weg zu sehen ist, da auch dieser Weg der versicherten Beschäftigung zuzurechnen sei. Die Klägerin habe den unmittelbaren Weg nicht aus eigenwirtschaftlichen Gründen verlassen. Sie wollte sich am nahegelegenen Parkhaus mit ihrer Kollegin, der Schlüsselträgerin und ihr gegenüber weisungsbefugten Geschäftsführerin, treffen. Der Weg vom Parkhaus zum Juweliergeschäft und auch das Öffnen des Juweliergeschäftes sei ein aus Sicherheitsaspekten dem Unternehmen dienender Grund und nicht nur eine nette Geste der Klägerin. Die Begleitung sei objektiv sinnvoll, da der Gefahr eines Überfalls begegnet werden solle.
Hier geht es zur Pressmitteilung der Sozialgerichts Osnabrück

Rechtliche Grundlagen

Auszüge aus Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII)
§ 7 Begriff
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

§ 8 Arbeitsunfall
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. 1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2. 2. […]