Sturz im Internatszimmer. Arbeitsunfall Ja oder Nein? Copyright by Adobe Stock/ Janni
Sturz im Internatszimmer. Arbeitsunfall Ja oder Nein? Copyright by Adobe Stock/ Janni

Mit dieser Frage hatte sich das Sozialgericht (SG) Osnabrück zu befassen.
Der 1997 geborene Kläger, bei dem eine autistische Erkrankung vorliegt, absolvierte eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik in einem Berufsbildungswerk. Diese Maßnahme wurde von der Bundesagentur für Arbeit gefördert.

Während seiner Ausbildung bewohnte der Kläger allein ein Zimmer in einem Internat. Nach der Hausordnung des Internats wurde das von dem Kläger bewohnte Zimmer als Privatsphäre bezeichnet. Die Gestaltung der Zimmer oblag den Internatsbewohnern.
An einem Sonntag war der Kläger nach einem Wochenendbesuch bei seiner Familie abends wieder ins Internat zurückgekehrt. In seinem Zimmer rutschte er aus. Er fiel auf den rechten Arm und erlitt eine Ellenbogenfraktur.

Kläger beantragt Anerkennung eines Arbeitsunfalls

Dem Antrag des Auszubildenden bei der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG), den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen, war kein Erfolg beschieden.
Die BG lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Freizeit in den Internatszimmern grundsätzlich dem privaten Bereich zuzuordnen sei. Ein Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung sei deshalb nicht gegeben. Der Kläger vertrat die Auffassung, er sei durch die Internatsordnung nach Wochenendbesuchen zur Rückkehr ins Internat am Sonntagabend verpflichtet gewesen. Somit habe seine Freizeit mit Beginn der Rückreise geendet.

Sozialgericht folgt der Rechtsauffassung der BG

Ebenso wie die beklagte BG lehnte auch das SG Osnabrück die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Kläger zwar im Zeitpunkt des Unfallereignisses als Teilnehmer einer Bildungsmaßnahme in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen sei. In keinem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit habe jedoch der sonntägliche Aufenthalt in seinem Zimmer gestanden. Da die Bildungsmaßnahme wochentags tagsüber stattfinde, ergebe sich auch hieraus, dass von einem Versicherungsschutz nicht ausgegangen werden könne.

In seiner Entscheidung verwies das Osnabrücker SG auch auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG). Einen lückenlosen Versicherungsschutz mit der Erwägung, dass der Versicherte gezwungen sei, sich an einem fremden Ort in einer fremden Umgebung aufzuhalten, habe das BSG seither stets abgelehnt. So entfalle beispielsweise auch auf Geschäftsreisen der Versicherungsschutz, wenn der Reisende sich rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr wesentlich beeinflussten Belangen widme. Bei seiner Entscheidungsfindung berücksichtigte das SG, dass ein Zusammenhang bejaht werden könne, wenn eine Gefahrenquelle unfallursächlich sei, die in ihrer besonderen Eigenart dem Versicherten an seinem Wohnort nicht begegnet wäre. Hiervon sei jedoch in der Sache des Kläger nicht auszugehen. Denn diesem sei sein Zimmer im Internat seit eineinhalb Jahren bekannt gewesen.
Hier geht es zur Pressmitteilung des Sozialgerichts Osnabrück vom 27.2.2020
Für Interessierte:
Hier geht es zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.3.2008, Az: B 2 U 13/07 R
Sturz im Hotelzimmer während Dienstreise ist kein Arbeitsunfall

Rechtliche Grundlagen

§ 2 Abs. 1 Nr. 14 b und §§ 7 und 8 Sozialgesetzbuch VII

§ 2 Abs. 1 Nummer 14 b SGB VII
Kraft Gesetzes sind versichert […]
14. Personen, die
a) […]
b) an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird.

§ 7 SGB VII Begriff
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

§ 8 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfall
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.