Mit Urteil vom 14.10.2016 hat das Sozialgericht (SG) Karlsruhe entschieden, dass eine Sehnenscheidenentzündung im Bereich beider Ellenbogen bei einem Straßenbauer und Pflasterer nicht als Berufskrankheit anerkannt werden kann.
Kläger leidet unter beidseitiger Sehnenscheidenentzündung
Der 1966 geborene Kläger begehrte die Anerkennung von Gesundheitsstörungen der Arme/Hände als Folge einer Berufskrankheit der Nr. 2101 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung.
Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland war er zwischen Oktober 1995 und Dezember 2000 - mit Unterbrechungen - als Waldarbeiter beschäftigt. Ab Februar 2001 bis September 2015 arbeitete er als Straßenbauer und Pflasterarbeiter.
Bei diesen Tätigkeiten musste er auch Tätigkeiten mit Druckluftkompressoren, einer Rüttelplatte, schweren Bohrmaschinen, Asphaltschneidemaschinen, Drucklufthämmern und Grabenstampfern verrichten und Pflastersteine mit einem Gummihammer im Betonbett ausrichten und einklopfen. Seit etwa 2007 litt der Kläger unter anderem an Schmerzen in beiden Armen und Händen.
Der behandelnde Orthopäde diagnostizierte beim Kläger im Dezember 2014 eine Epicondylopathie humeri radialis beidseits und eine Brachialgie beidseits unklarer Genese. Unter anderem wegen einer rezidivierenden Epicondylitis ulnaris humeri beidseits hatte der Kläger im Frühjahr 2008 ein Heilverfahren in einer Reha-Klinik absolviert.
Sein über die Krankenkasse gestellter Antrag auf Anerkennung dieser Gesundheitsschäden als Folge einer Berufskrankheit der Nr. 2101 blieb erfolglos, nachdem der Präventionsdienst der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit verneint hatte.
Arbeitstechnische Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit fehlen
Die gegen die negative Entscheidung der BG erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Nach den Feststellungen der Richter*innen der 1. Kammer des SG Karlsruhe leide der Kläger zwar an einem Krankheitsbild im Sinne der streitigen Berufskrankheit. Die für die Feststellung erforderlichen sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen erfülle er jedoch nicht.
Bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Straßenbauer und Pflasterer seien durchaus Erschütterungs- bzw. Vibrationseinwirkungen auf das Hand-Arm-Schulter-System durch den Einsatz der Arbeitsgeräte anzunehmen. Hierbei handle es sich um Schwerarbeit, die einen erheblichen Kraftaufwand zum Führen der Arbeitsgeräte im Sinne einer dynamischen Muskelarbeit erfordere.
Langjährige Schwerarbeiten, auch "eintönige Fließarbeit", so die Karlsruher Sozialrichter*innen, kommen als arbeitstechnische Voraussetzungen nur in Betracht, sofern es sich dabei um unphysiologische Bewegungsabläufe bzw. unnatürliche Haltungen der beteiligten Gliedmaßen handele. Ohne unphysiologische Bewegungsabläufe bzw. unnatürliche Haltungen der beteiligten Gliedmaßen sei dagegen eine rasche Gewöhnung (Trainingseffekt) zu erwarten, die eine Störung des Anpassungsgleichgewichts verhindere.
Abwechslungsreiches Tätigkeitsprofil und keine relevanten Arbeitsunfähigkeitszeiten = Keine Anerkennung als Berufskrankheit
Das Tätigkeitsprofil des Klägers sei abwechslungsreich gewesen und habe nicht zu einseitigen, lang andauernden mechanischen Beanspruchungen der Arme, Beine oder anderer Körperteile geführt. Die Arbeiten habe er wechselseitig in stehender, gebückter, nach vorn gebeugter und teilweise auch in kniender Körperhaltung durchgeführt.
Hierbei habe es sich nicht um "ungewohnte Arbeiten" gehandelt, weil der Kläger schon während der Tätigkeit als Straßenbauer und Pflasterer - wenn auch mit Unterbrechungen - als Waldarbeiter - einer körperlich schweren und anstrengenden Tätigkeit - gearbeitet habe. Überdies habe er die Tätigkeit als Straßenbauer und Pflasterer über einen langen Zeitraum von rund 14 ½ Jahren ohne relevante Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen einer Erkrankung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2101 ausführen können.
Die Ärzte der Reha-Klinik hätten 2008 keine grundsätzlichen gesundheitlichen Einschränkungen für die Fortsetzung der Tätigkeit als "Straßenarbeiter" gesehen. Bei den Gesundheitsstörungen im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2101 handele es sich um entzündliche Veränderungen, die relativ kurzfristig nach nicht gewohnter einseitiger Belastung bei entweder fehlender Anpassung oder wegen körperlicher Gegebenheiten aufträten. Erste Beschwerden im Bereich der Arme und Hände habe der Kläger jedoch erst im Jahr 2007 bemerkt und sich deswegen in ärztliche Behandlung begeben. Bei einem Zeitraum von rund sechs Jahren seit Tätigkeitsbeginn handele es sich jedoch nicht um ein zeitnahes Auftreten erster Beschwerden.
Hier geht es zur Pressemitteilung des Sozialgerichts Karlsruhe zum Urteil vom 14.10.2016 - S 1 U 431/16
Das sagen wir dazu:
Berufskrankheiten sind beileibe keine Seltenheit. Und wenn eine Verdachtsanzeige gestellt wird, beginnt für die Erkrankten oft ein regelrechter Hürdenlauf. Den können sie nicht alleine bewältigen, dazu benötigen sie die Unterstützung ihrer Gewerkschaft. Eine Anerkennung oder gar Entschädigung zu erreichen ist schwer, und das ist politisch so gewollt. Das gesamte Berufskrankheitenrecht ist ungerecht und in Vielem veraltet. Berufskrankheiten stehen immer auch für ein Versagen
der Prävention.
Aus den Fachinformationen zur Arbeitsgestaltung Nr.47/2013 der IG Metall ergibt sich, welchen beschwerlichen „Hürdenlauf“ Arbeitnehmer*innen zu bewältigen haben auf dem Weg zur Anerkennung einer Berufskrankheit. Diese Information kann unter folgenden Link abgerufen werden:
Fachinformationen zur Arbeitsgestaltung Nr.47/2013 der IG Metall
Ohne rechtliche Unterstützung wird es kaum möglich sein, sich gegen die Berufsgenossenschaften und den von diesen beauftragten Gutachtern*innen durchzusetzen.
Gutachten nach Aktenlage oftmals anfechtbar!
Die Gutachter*innen halten sich in der Regel an die in der Akte zusammengetragenen Daten. Sind diese lückenhaft oder gar falsch, kann auch das Gutachten nicht zu einer zutreffenden Schlussfolgerung kommen. Um dem entgegenzuwirken sollten Mitglieder der DGB Gewerkschaften dann, wenn es zu Auseinandersetzungen mit der Berufsgenossenschaft kommt, Rechtsschutz bei ihrer Gewerkschaft beantragen um sich von den Juristen*innen der DGB Rechtsschutz GmbH, die in 111 Büros bundesweit tätig sind, außergerichtlich, oder auch gerichtlich, vertreten zu lassen.
Rechtliche Grundlagen
Nr. 2101 der Anlage. 1 zur Berufskrankheitenverordnung
Nr. 2101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung
Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Das sagen wir dazu