Der Traum vom Schritt in die Selbständigkeit erhielt nach der Ablehnung der Arbeitsagentur einen herben Dämpfer. © Adobe Stock: Superingo
Der Traum vom Schritt in die Selbständigkeit erhielt nach der Ablehnung der Arbeitsagentur einen herben Dämpfer. © Adobe Stock: Superingo

Mit 31 wurde der staatlich anerkannten Erzieher arbeitslos. Die Arbeitsagentur bewilligte ihm Arbeitslosengeld für eine Anspruchsdauer von 330 Tagen. Rund ein halbes Jahr später stellte sie die Zahlung von Arbeitslosengeld wieder ein, da der Mann eine selbständige Tätigkeit aufgenommen hatte. Da bestand noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld von weniger als 150 Tagen.

 

 

Alle Antragsunterlagen reichte der Betroffene frühzeitig ein

 

                                  

Bereits unmittelbar nachdem er arbeitslos wurde, teilte der Mann mit, er strebe eine selbständige Tätigkeit als Tagesvater an. Er durchlief ein vorgeschriebenes dreiwöchiges betriebliches Praktikum bei einer Tagesmutter und beantragte er einen Existenzgründungszuschuss. Er reichte die erforderlichen Unterlagen ein. Lediglich die vom Landkreis zu erteilende Pflegeerlaubnis fehlte noch.                 

 

Zwischenzeitlich war einige Zeit verstrichen. Der Landkreis ließ sich Zeit. Nachdem alle Hürden genommen waren und die notwendigen Unterlagen vorlagen, erteilte der Landkreis die notwendige Pflegeerlaubnis sogar rückwirkend. Dem Schritt in die Selbstständigkeit stand nichts mehr entgegen. Seinen Antrag auf Zahlung eines Gründungszuschusses lehnte die Agentur für Arbeit allerdings ab.

 

Problem war die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes

 

Um einen Gründungszuschuss erhalten zu können, müsse sein Restanspruch auf Arbeitslosengeld wenigstens noch 150 Tage betragen, wenn die selbständige Tätigkeit aufgenommen wird.

 

Angesichts des eingetretenen Zeitablaufs liege zwischenzeitlich der tatsächliche Restanspruch unter dieser Grenze.

 

Widerspruch und Klage führten nicht zum gewünschten Erfolg. Der Betroffene trug dabei keinerlei Schuld an der Verzögerung des Verfahrens.

           

Das Sozialgericht stellte in seinem Urteil fest, der Kläger habe tatsächlich nur noch 144 Tage lang Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt, als er den Schritt in die Selbstständigkeit vollzog. Das Gesetz schreibe demgegenüber einen Mindestanspruch von 150 Tagen vor. Die überlange Bearbeitungszeit spiele keine Rolle.

 

Der Antrag auf Gründungszuschuss ist mit vorbereitenden Maßnahmen verbunden

 

Nach den gesetzlichen Bestimmungen sei der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen, um nachzuweisen, dass die Existenzgründung tragfähig ist. Fachkundige Stellen seien insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

 

Nach § 93 SGB III können dabei diejenigen Arbeitnehmer*innen, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

 

Das Sozialgericht hatte zu entscheiden, wie die vorbereitenden Tätigkeiten zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit, rechtlich zu werten sind.

 

Bedeutet „Aufnahme“ der selbständigen Tätigkeit nur die tatsächliche Aufnahme?

 

Im Fall des Klägers: letztlich ja. So entschied es das Gericht. Es beruft sich dabei auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Das Gesetz umschreibe nicht näher, was unter „Aufnahme der selbständigen Tätigkeit" zu verstehen sei. Eine ausdrückliche Regelung, aus der zu schließen wäre, dass die Tätigkeit erst dann aufgenommen ist, wenn mit der eigentlichen Geschäftstätigkeit begonnen werde, also Waren produziert oder Dienstleistungen erbracht würden, existiere nicht.

 

Eine solche Tätigkeit werde nach einer früheren Entscheidung des Bundessozialgerichts mit der erstmaligen Vornahme einer unmittelbar auf berufsmäßigen Erwerb gerichteten und der Gewinnerzielung dienenden Handlung mit Außenwirkung aufgenommen.

 

Danach bleibe offen, inwieweit Vorbereitungshandlungen mit Außenwirkung einzubeziehen seien.

 

Es kommt auf den Einzelfall an

 

Das Bundessozialgericht habe jedoch deutlich gemacht, dass der genaue Zeitpunkt der „Aufnahme" maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles abhänge. Das entspreche dem offenen Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes, eine gezielte Förderung zu erreichen und die Nachhaltigkeit von Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit zu stärken.

 

Eine Existenzgründung stelle keinen punktuellen Vorgang dar. Sie könne schon vor der eigentlichen „Geschäftseröffnung" aufgenommen worden sein. Unter bestimmten Umständen liege eine „Aufnahme" damit schon vor, wenn vorbereitende Tätigkeiten durchgeführt würden. Diese müssten jedoch Außenwirkung im Geschäftsverkehr entfalten und nach dem zugrundeliegenden Gesamtkonzept ernsthaft und unmittelbar auf die spätere Geschäftstätigkeit ausgerichtet sein.

 

„Durch die Aufnahme" der Tätigkeit müsse außerdem die Arbeitslosigkeit beendet sein. Das heiße, sie müsse mindestens den im Gesetz geforderten zeitlichen Umfang, also wenigstens 15 Stunden, erreichen.

 

15 Stunden pro Woche konnte der Kläger nicht nachweisen

 

Der Landkreis habe dem Kläger die Bewilligung rückwirkend erteilt. Das sei für den Zeitpunkt der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit unerheblich. Hierfür maßgeblich sei letztlich der Beginn der Betreuung von Kindern durch den Kläger im Rahmen der Kindertagespflege.

 

Die erste auf die Ausübung der Tätigkeit als Tagesvater ausgerichtete Vorbereitungshandlung mit Außenwirkung sei der Antrag auf Erlaubnis zur Kindertagespflege gewesen. Es lasse sich dabei nicht feststellen, wie viel Zeit der Kläger wie viel Zeit der Kläger aufgewandt habe, den Antrag zu stellen.

 

Er könne auch nicht nachweisen, dass die Tätigkeiten, die er zur Erfüllung der räumlichen und persönlichen Eignung verrichtete, ihn 15 Stunden oder mehr pro Woche in Anspruch genommen hätten.

 

Das dreiwöchige betriebliche Praktikum bei einer Tagesmutter sei nicht unmittelbar auf die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ausgerichtet gewesen. Es habe der Feststellung der persönlichen Eignung gedient. Das Praktikum könne daher ebenfalls nicht berücksichtigt werden.

 

Schadenersatz muss die Arbeitsagentur nicht zahlen

 

Auch einen sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch, ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer Pflichtverletzung der zuständigen Behörde, sprach das Sozialgericht dem Kläger nicht zu.

 

Dieser erfordere eine Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen sei. Im Fall des Klägers lasse sich nicht feststellen, dass der Agentur für Arbeit eine etwaige Pflichtverletzung des Landkreises in Form der Verzögerung in der Antragsbearbeitung zugerechnet werden müsse.

 

So ging der Kläger leer aus. Bleibt zu hoffen, dass er inzwischen, fünf Jahre nach der Versagung des Gründungszuschusses finanzielle Sicherheit erreichen konnte.

 

Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Stade.

Das sagen wir dazu:

Schwere Kost, diese Entscheidung. Der Mann hatte aus seiner Sicht alles richtig gemacht. Seinen Antrag hatte er frühzeitig gestellt und sich durchweg darum bemüht, die erforderlichen Unterlagen rechtzeitig einzureichen. Das einzige, was ihn daran hinderte, die selbständige Tätigkeit aufzunehmen, war das Fehlen der notwendigen Bescheinigung des Landkreises.

 

Auf deren Erteilung hatte der Kläger keinerlei Einfluss. Dass sich alles hinzog, blieb aber trotzdem an ihm hängen. Im Vertrauen auf eine ordnungsgemäße Bearbeitung durch die zuständigen Ämter ging ihm viel Geld verloren. Da mag einem das Vertrauen in Recht und Gesetz abhanden gehen.

 

Im Grunde genommen hilft nur eines: Auch bei zunächst rechtlich klaren Angelegenheiten, kundigen Rechtsrat einzuholen, sich Auskünfte dokumentieren zu lassen und im Fall nicht nachvollziehbarer Verzögerungen nicht davor zurück zu schrecken, gegebenenfalls auch Eilverfahren bei den zuständigen Gerichten einzuleiten.

 

Gewerkschaften gewähren ihren Mitgliedern dafür kostenlosen Rechtsschutz.

 

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Rechtliche Grundlagen

§ 93 SGB III

Gründungszuschuss

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.

(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht,
2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und
3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
Zum Nachweis der Tragfähigkeit der Existenzgründung ist der Agentur für Arbeit die Stellungnahme einer fachkundigen Stelle vorzulegen; fachkundige Stellen sind insbesondere die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, berufsständische Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute.

(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.