Wer Arbeitslosengeld beziehen möchte, muss eine Grundvoraussetzung erfüllen: Arbeitslosigkeit. Wer arbeitslos ist, hat der Gesetzgeber definiert und fasst darunter Arbeitnehmer*innen, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, sich bemühen, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen.
Über die Frage, ob eine Studentin den Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit auch dann zur Verfügung steht, wenn sie täglich von 9:00 bis 16:00 Uhr Vorbereitungskurse für ihr künftiges Studiums besucht, hatte das Sozialgericht Gießen zu entscheiden.
Ablehnung von Arbeitslosengeld wegen mangelnder Verfügbarkeit
Die Klägerin nahm zum 1.Oktober 2021 ein Studium an einer Hochschule auf und wollte bis zu diesem Zeitpunkt Arbeitslosengeld beziehen. Die Beklagte lehnte dies jedoch ab und bewilligte Arbeitslosengeld lediglich für den Zeitraum bis zum 5. September 2021. Begründet wurde dies damit, dass die Klägerin einer Sachbearbeiterin der Bundesagentur für Arbeit in einem Telefonat mitgeteilt habe, ab dem 6. September 2021 Vorkurse für ihr künftiges Studium zu besuchen. Aus diesem Grund sollten Termine zur Arbeitsvermittlung angesichts der Kurse nur bis zum Kursbeginn um 9 Uhr täglich stattfinden.
Die Bundesagentur für Arbeit stellte sich aufgrund dieses Telefonats auf den Standpunkt, dass die Klägerin den Vermittlungsbemühungen faktisch nicht zur Verfügung steht, da die Kurse täglich im Zeitraum von 9:00 bis 16:00 Uhr stattfanden. Mit der Ankündigung der Kursbesuche habe die Studentin sich ausdrücklich vom Leistungsbezug abgemeldet.
Sozialgericht sieht Verfügbarkeit bei freiwilligen Kursbesuchen als erfüllt an
Das Sozialgericht Gießen entschied zugunsten der Klägerin und verurteilte die Bundesagentur für Arbeit, Arbeitslosengeld auch für die Zeit bis zum Beginn des Studiums zu zahlen. Trotz des Besuchs der Kurse stünde die Klägerin den Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit ausreichend zur Verfügung. In der Erklärung der Klägerin hätte keine Abmeldung zum Leistungsbezug gelegen.
Die Verfügbarkeit für die Behörde habe dabei rechtlich eine Doppelnatur. So werde zwischen einer objektiven Verfügbarkeit und einer subjektiven Verfügbarkeit unterschieden. Eine objektive Verfügbarkeit habe bereits deshalb vorgelegen, da die Klägerin imstande gewesen sei, eine mindestens 15 Stunden umfassende Tätigkeit aufzunehmen.
In subjektiver Hinsicht erfordere die Verfügbarkeit jedoch auch, dass Beschäftigungslose bereit sein müssen, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende, zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben. Darüber hinaus müssten sie bereit sein, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.
Diese Voraussetzung sah das Gericht als erfüllt an, da es sich bei den von der Klägerin besuchten Kursen um freiwillige Kurse handelt, um beispielsweise Kenntnisse aus dem Abitur zur Vorbereitung des Studium aufzubessern. Nach glaubhafter Angabe der Klägerin wäre sie jederzeit bereit gewesen, die Kurse zu unterbrechen und an Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit teilzunehmen.
Fehlender Hinweis auf Rechtsfolgen erzeugt Zweifel an tatsächlich gewollter Erklärung
In der Erklärung, die Vorkurse besuchen zu wollen, könne auch keine Abmeldung vom Leistungsbezug gesehen werden. Hierzu äußert das Gericht bereits Zweifel daran, ob die Klägerin überhaupt die Folgen ihrer Erklärung erkennen konnte.
Nach dem Inhalt eines Vermerks über das Telefonat zwischen der Klägerin und der Sachbearbeiterin der Bundesagentur für Arbeit wurde die Klägerin nicht danach gefragt, ob die Kurse verpflichtend oder freiwillig seien bzw. abgebrochen werden könnten. Ebenso wenig gebe es einen Hinweis darauf, was die Konsequenz sei, wenn die Klägerin sich tatsächlich vom Leistungsbezug abmelden würde - eben, dass sie kein Arbeitslosengeld mehr beziehen könnte. Sie hätte also etwaige Folgen einer solchen Erklärung nicht überblicken können.
Das Sozialgericht verwies schließlich auf eine rechtliche Parallele zu Fällen, in denen Arbeitslose während der Arbeitslosigkeit mit der Kinderbetreuung befasst sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schließe auch eine Kinderbetreuung die Verfügbarkeit nicht aus. Voraussetzung sei jedoch, dass die beschäftigungslose Person im Falle eines Arbeitsangebots die Betreuung anderweitig sicherstelle und die eigene Betreuungstätigkeit aufgebe.