Hier hat sich das Probearbeiten als Falle erwiesen!
Hier hat sich das Probearbeiten als Falle erwiesen!

Neumann ist Berufskraftfahrer und hat seinen Job verloren. Da bei ihm als kinderloser das Arbeitslosengeld nur ungefähr 60 % seines vorherigen Nettolohnes beträgt, reichen die bewilligten 1.200 € kaum bis gar nicht.

 

Angebot zur Probearbeit

Eine Spedition bietet ihm, an eine Woche zur Probe zu arbeiten. Umsonst arbeiten? Er hofft auf eine Festanstellung und arbeitet Anfang Februar fünf Tage.

 

Der Job, der ihm dann angeboten wird, ist aber eine Spätschicht mit Arbeitszeiten bis in die Nacht hinein. Das kann er aus familiären Gründen wegen der Erkrankung seiner Frau nicht annehmen. Geld hat er für die Probearbeit nicht erhalten.

 

Anhörung zur Überzahlung

 Auf einmal bekommt Neumann Ende April ein Anhörungsschreiben von der Agentur für Arbeit. Er soll gezahlte Leistungen für den Zeitraum Februar bis April zurückzahlen.

 

Die Agentur für Arbeit geht davon aus, er habe am 1. Februar ein Arbeitsverhältnis aufgenommen. Die nächste persönliche Meldung sei erst zum 1. Mai erfolgt. Damit habe keine Arbeitslosigkeit mehr in den drei Monaten bestanden.

 

Rückforderungsbescheid

Die Agentur für Arbeit fordert von ihm das Arbeitslosengeld zurück. Einschließlich gezahlter Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ergibt das satte 5.000 €.

 

Neumann wehrt sich mit Widerspruch, dann Klage und schließlich Berufung. Leider erfolglos.

 

Rückzahlung nicht nur für die gearbeiteten Tage

Neumann hätte noch verstehen können, wenn er das Arbeitslosengeld für die Zeit seines Probearbeitens hätte zurückzahlen müssen. Aber warum für drei Monate?

 

Neumanns Fehler lag darin, sich nicht erneut arbeitslos gemeldet zu haben. Er hat durch das Probearbeiten in Vollzeit die Kurzzeitgrenze überschritten. Nach § 138 Abs. 3 SGB III schließt die Ausübung einer Beschäftigung die Beschäftigungslosigkeit nur dann nicht aus, wenn die Arbeitszeit weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst. Soll heißen: Wer mehr als 15 Stunden in der Woche arbeitet, gilt nicht als arbeitslos. Und Neumann war die wenigen Tage in Vollzeit beschäftigt, also mehr als 15 Stunden.

Auch ein Probearbeitsverhältnis ist eine Beschäftigung im Sinne des § 138 Abs. 3 SGB III, und das auch dann,  wenn kein Arbeitsentgelt gezahlt wurde. Durch die Aufnahme der Beschäftigung ist die Wirkung der letzten Arbeitslosmeldung entfallen.

 

Neumann hat auch die Aufnahme einer Beschäftigung nicht angezeigt. Dass er das tun muss, ergibt sich aus dem Merkblatt für Arbeitslose. Dies war ihm auch bekannt, damit hat Neumann grob fahrlässig gehandelt.

 

Bestätigung durch das Landessozialgericht

Neumann muss drei Monate Arbeitslosengeld und die Beiträge für die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zurückzahlen.

Er argumentiert vergeblich, dass seine unbezahlte Probearbeit nur aus Mitfahren und Beobachten der Arbeitskollegen bestanden hat. Er selbst habe keine Arbeit verrichtet. Es sei kein Lohn gezahlt worden. Diese Probearbeit dürfe nicht mit einer normalen Beschäftigung gleichgestellt werden.

 

Außerdem habe er gerade nicht erkennen können, dass die von ihm ausgeübte Probearbeit zum Wegfall des Arbeitslosengeldes führen könnte. Damit meint er, er habe nicht fahrlässig gehandelt. Das ließ das LSG jedoch nicht gelten.

 

Probearbeit ist nicht nur zuschauen

Von einer Beschäftigung im Arbeitslosenrecht ist auszugehen, wenn der Versicherte seine Arbeitskraft einem Dritten unterstellt, also sich dessen Direktionsrecht unterwirft. Die persönliche Abhängigkeit erfordert zum einen die Eingliederung in den Betrieb und zum anderem die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsleistung.

 

Neumanns Behauptung, er sei nur mitgefahren und habe den anderen bei der Arbeit zugeschaut, kauft ihm das LSG nicht ab. Nach Auffassung des Gerichts widerspricht es sowohl der Lebenserfahrung als auch dem Wesen eines Probearbeitsverhältnisses, dass keinerlei Arbeitsleistung erbracht worden sein soll. Schließlich wolle sich der zukünftige bzw. potentielle Arbeitgeber mittels der Probearbeit einen Eindruck von der Arbeitsleistung des Bewerbers verschaffen. Dies sei unmöglich, wenn der Bewerber sich ausschließlich passiv verhält (nämlich nur mitfährt und den Arbeitskollegen bei deren Arbeit zusieht). Bei lebensnaher Betrachtungsweise sei ausgeschlossen, dass der Kläger nicht auch „mit angepackt“ hat, z.B. beim Be- und Entladen der Kraftfahrzeuge.

 

Somit hat Neumann zumindest auch Arbeiten von wirtschaftlichem Wert erbracht. Dem stehe nicht entgegen, dass er unentgeltlich tätig geworden ist, so das LSG. Denn auf die Höhe des erzielten Entgelts komme es bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Arbeitslosigkeit“ generell nicht an (so zum Beispiel: Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R).

 

Revision wurde nicht zugelassen

Das LSG ließ eine Revision zum Bundessozialgericht nicht zu. Damit sind die Instanzen durchlaufen und es steht fest: Neumann muss für den gesamten Zeitraum bis zur nächsten Arbeitslosmeldung das erhaltene Arbeitslosengeld zurückzahlen.

 

Wie kam die Agentur für Arbeit an die Info?

Das fragt sich Neumann. Hat ihn jemand angeschwärzt? Die Antwort: Datenabgleich war es. Und dies, weil der Probearbeitgeber zunächst für die Zeit des Probearbeitsverhältnisses Neumann als versicherungspflichtigen Arbeitnehmer angemeldet hat. Da gibt es einen Datenabgleich. Auf Nachfrage wurde vom Probearbeitgeber zwar die Meldung dahingehend korrigiert, dass kein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestand. Die Agentur für Arbeit ist durch die Meldung aufmerksam geworden und hat den Verwaltungsvorgang einer Rückforderung in Gang gesetzt.

Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Januar 2021 - AZ.: L 11 AL 15/19

Das sagen wir dazu:

Eigeninitiative bei der Arbeitssuche ist sicher gefragt: Doch eine Arbeit auf Probe sollte höchstens wenige Stunden betragen. Man will ja nur den Arbeitsplatz kennenlernen, und beide Seiten sollen eine bessere Vorstellung voneinander bekommen können, als in einem Bewerbungsgespräch.

Aber auch ein Probearbeiten von weniger Stunden sollte mit der Agentur für Arbeit vorbesprochen werden, wenn man Arbeitslosengeld bezieht. 

 

Im Zweifel sollte man sich bei einem gescheiterten Versuch einer Probearbeit dringend persönlich bei der Arbeitsagentur arbeitslos melden. Das ist neuerdings auch online möglich. In Neumanns Fall hätte er das Arbeitslosengeld nur für die beschäftigten Tage zurückzahlen müssen.