Nichts bleibt – nur Ärger! © Adobe Stock: Rainer Fuhrmann
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Bis zum September 2018 hatte der Kläger des Verfahrens vor dem Sozialgericht Ulm fast 40 Jahre im Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber gestanden. In seiner Betriebsstätte waren Wartungsverträge weggefallen. Von Dezember 2017 bis September 2018 glich der Kläger seine Überstunden aus. Danach endete das Arbeitsverhältnis.

 

Abschluss eines Vorruhestandsvertrages

 

Schon im Dezember 2015 hatte der Kläger mit seinem Arbeitgeber einen „Vorruhestandsvertrag“ abgeschlossen. Darin hieß es, die ordentliche Kündigung sei bei Wegfall des Arbeitsplatzes für diejenigen Arbeitnehmer*innen möglich, die das 50. Lebensjahr vollendet haben und dem Unternehmen mindestens 20 Jahre ununterbrochen angehörten. Dies gelte, wenn ein anderer, angemessener Arbeitsplatz nicht angeboten werden könne oder der*die Arbeitnehmer*in diesen ablehne.

 

Zunächst sei unter Beteiligung des Betriebsrates der Versuch zu unternehmen, einen Ausgleich der beiderseitigen Interessen herbeizuführen. Gelinge das nicht, sei eine Kündigung unabhängig davon möglich, wenn dem*der Arbeitnehmer*in betriebliche Leistungen bis zum Bezug einer vorgezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder wegen Altersteilzeit gewährt würden.

 

Außer dem Kläger war niemand mehr vor Ort

 

Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war der Kläger schon der letzte Mitarbeiter in der Betriebsstätte. Die Arbeitsvertragsparteien stellten klar, dass es für den Kläger aktuell sowie in absehbarer Zukunft keine Beschäftigungsmöglichkeiten in der Gesellschaft gebe und deshalb das Anstellungsverhältnis auf Veranlassung der Gesellschaft beendet werden sollte.

 

Die Beklagte zahlte von Dezember 2017 bis September 2018 eine monatliche brutto-Abfindung, die auf anderes Einkommen nicht anrechenbar sein sollte.

 

Schon im März 2018 fand der Kläger eine Anschlussbeschäftigung. Das Arbeitsverhältnis war befristet bis Ende November 2018, ging also zwei Monate über das Ende des Arbeitsverhältnisses zum bisherigen Arbeitgeber hinaus, das bereits im September geendet hatte.

 

Antrag auf Arbeitslosengeld ab Dezember 2018

 

Ab Dezember 2018 beantragte der Kläger Arbeitslosengeld. Die Agentur für Arbeit stellte eine zwölfwöchige Sperrzeit und eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld mit der Begründung fest, der Kläger habe die Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses beim langjährigen Arbeitgeber selbst herbeigeführt. Die Firma habe ihm auch eine konkrete Kündigung nicht angedroht.

 

Das Sozialgericht Ulm bestätigte die Rechtmäßigkeit der festgesetzten Sperrzeit.

 

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der*die Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne dass hierfür ein wichtiger Grund vorliegt.

 

Arbeitslose müssen Tatsachen darlegen und nachweisen, die für die Beurteilung der Frage maßgeblich sind, ob ein wichtiger Grundes vorliegt, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder ihrem Verantwortungsbereich liegen. Ihr Verhalten muss außerdem ursächlich für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gewesen sein.

 

Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis durch eine Vorruhestandsvereinbarung gelöst. Diese habe die Arbeitslosigkeit auch verursacht, denn das anschließende Arbeitsverhältnis habe mit dem Auslaufen der Befristung geendet.

 

Die wesentliche Bedingung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit

 

Die Arbeitslosigkeit müsse nicht unmittelbar durch die Lösung vom Beschäftigungsverhältnis herbeigeführt worden sein. Sie müsse aber „wesentliche Bedingung“ für den Eintritt der Arbeitslosigkeit sein.

 

Als der Kläger die Vorruhestandsvereinbarung abgeschlossen habe, wusste er noch nichts von der Möglichkeit einer befristeten Anschlussbeschäftigung. Dies habe zwar den Eintritt der Arbeitslosigkeit für zwei Monate verhindert. Dennoch sei der Vorruhestandsvertrag wesentlicher Grund für die Arbeitslosigkeit.

 

Der Kläger habe auch mindestens fahrlässig gehandelt, denn er habe wissen müssen, dass mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses bei seinem früheren Arbeitgeber im September 2018 bzw. später Arbeitslosigkeit eintreten werde.

 

Das Sozialgericht blickt auf die Versichertengemeinschaft

 

Ein wichtiger Grund stehe dem Kläger nicht zur Seite. Die Sperrzeitregelung gebe der Versichertengemeinschaft die Möglichkeit, sich gegen Risikofälle zu wehren, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten habe oder an deren Behebung er ohne Grund nicht mithelfe.

 

Eine Sperrzeit solle eintreten, wenn ein anderes Verhalten zugemutet werden könne. Maßgeblich seien dabei nicht die subjektiven Vorstellungen des Versicherten. Ein wichtiger Grund müsse objektiv gegeben sein. Ob das Verhalten des Versicherten der Versichertengemeinschaft tatsächlich einen Schaden zufüge, sei demgegenüber unbeachtlich.

 

Der bevorstehende Arbeitgeberkündigung

 

Ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts, der den Abschluss eines Aufhebungsvertrages rechtfertigen könne, sei die Drohung des Arbeitgebers mit einer objektiv rechtmäßigen, nicht verhaltensbedingten Kündigung. Betroffenen dürfe die Hinnahme dieser Kündigung nicht zumutbar sein.

 

Es müsse Anhaltspunkte dafür geben, dass mit einer Kündigung Nachteile vermieden würden. Das sei beispielsweise der Fall, wenn durch den Aufhebungsvertrag eine Abfindung gesichert werden könne.

 

Der Kläger aus Ulm hatte sich im Verfahren jedoch widersprochen, insbesondere was die Drohung einer bevorstehenden Kündigung anbelangte. Das Gericht zweifelte an dessen Aussagen. Die tatsächliche Gefahr einer Arbeitgeberkündigung und die fehlenden Versetzungsmöglichkeiten hatte der Kläger aus Sicht des Gerichts nicht umfassend dargelegt und bewiesen. Einen wichtigen Grund konnte das Sozialgericht in seinem Fall nicht feststellen. Es blieb bei der Sperrzeit.

Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Ulm.

Das sagen wir dazu:

Vertreten wurde der Kläger durch das DGB Rechtsschutzbüro Ulm.  Der Kläger habe von Beginn an geahnt, dass keine großen Erfolgsaussichten bestanden, teilt uns seine Prozessbevollmächtigte mit. Der Mann habe es dennoch wissen wollen. Was würde ein Gericht zu seinem Fall sagen?

Auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtete er jedoch.

 

Ein Tipp für die Praxis

 

Das Verfahren zeigt: Der einfache Hinweis im Prozess auf eine bevorstehende Kündigung reicht nicht.

 

Kläger*innen bleiben beweispflichtig. Betroffene sollten versuchen, im Verfahren möglichst zusätzliche Nachweise oder Zeugenaussagen vorzulegen. Nur dann sind Sozialgerichte verpflichtet, einer derartigen Behauptung weiter nachzugehen.

 

Bei widersprüchlichen Angaben hilft selbst der Grundsatz nichts, dass das Sozialgericht von Amts wegen ermitteln muss. Wer einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, trägt letztlich die Konsequenzen. Und die münden meist in einer Sperrzeit, wenn man anschließend irgendwann Arbeitslosengeld beantragt.