Normales "Hartz IV" reicht auch während der Pandemie, meint das Sozialgericht Konstanz. Copyright by Adobe Stock/ Gina Sanders
Normales "Hartz IV" reicht auch während der Pandemie, meint das Sozialgericht Konstanz. Copyright by Adobe Stock/ Gina Sanders

Rudolf und Martha Blecker (Namen von der Redaktion geändert) beziehen seit Jahren Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (Hartz IV). Als Hilfsbedürftige sind sie besonders von der Corona-Pandemie betroffen. Sie kommen auch ohne Pandemie gerade so über die Runden. Weil sie jetzt für viele Lebensmittel mehr ausgegeben müssen, beantragten sie bei Jobcenter, Ihnen 500,00 € für Desinfektionsmittel/Hygieneartikel und Grundnahrungsmittel als Zuschuss oder jedenfalls als Darlehen zu gewähren. Den Antrag begründeten sie dezidiert.

Grundnahrungsmittel sind nach Erfahrung des Antragstellers zu normalen Preisen kaum noch zu bekommen

Durch „Hamsterkäufe“ seien in den Supermärkten nicht selten preiswerte Produkte an Grundnahrungsmitteln wie Reis, Nudeln, Feuchttücher, Fleisch, Konserven, Seife und Toilettenpapier häufig ausverkauft und wenn es sie gebe, würden sie nur zu überhöhten Preisen abgegeben.  Statt einer 500 g-Packung Nudeln für 0,45 € hätten sie zuletzt eine Packung für 2,70 € kaufen müssen. Preise wie 2,40 € für eine Salatgurke oder 1,00 € für eine einzelne Orange seien vor kurzem undenkbar gewesen. Hygieneartikel und spezielle Schutzmasken bzw. -kleidung seien auf dem freien Markt zu gewöhnlichen Preisen nicht zu beschaffen.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe rate zu einer Notbevorratung von Lebensmittel und Wasser für mindestens zehn Tage, was mehrere hundert Euro koste. Komme es tatsächlich zu einer „häuslichen Quarantäne“, dürften infizierten Verdachtsfälle ihre Wohnung mindestens 14 Tage lang nicht verlassen und keinen direkten Kontakt zur Außenwelt haben.

Sozialgericht Konstanz: es ist nicht glaubhaft, dass alles teurer ist

Da das Jobcenter den Antrag ablehnte, stellten Herr und Frau Blecker einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht in Konstanz.
Das Gericht wies den Antrag ab. Zur Begründung führte es aus, der Regelbedarf würde die aufgeführten Kosten berücksichtigen.

Es sei nicht glaubhaft, dass Grundnahrungsmittel nur zu höheren Preisen beschaffen werden könnten, weil günstigere Produkte im Lebensmittelhandel aufgrund großer Nachfrage („Hamsterkäufe“) nicht mehr zu bekommen seien. Dazu bedürfe es konkreter Hinweise auf schwerwiegende Störungen der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, die nicht bestünden.

Das Sozialministerium Baden-Württemberg habe vielmehr erklärt: „Auch wenn in dem ein oder anderen Fall ein Produkt in den Lebensmittelgeschäften vergriffen ist: Die Handelsketten versichern, dass dies an noch nicht angepassten logistischen Abläufen liegt. Es liegen explizit keine Versorgungsprobleme vor, die Versorgung mit Lebensmitteln ist weiterhin gesichert. Der Handel hat zugesichert, auf die verstärkte Nachfrage zu reagieren und das Sortiment aufzustocken.“

Auch nach den Angaben der Bundesregierung sei die Versorgung mit Lebensmitteln in Deutschland gesichert, das habe Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner auf der Bundespressekonferenz vom 17. März 2020, versichert.

Der Antragsteller spare zudem derzeit, weil er nicht ins Konzert gehen oder Urlaub machen könne

Das schließe nicht aus, dass in einzelnen Geschäften, an einzelnen Tagen bestimmte besonders nachgefragte Lebensmittel ausverkauft seien. Dem Antragsteller sei es aber in einem solchen Fall zuzumuten, für eine kurze Zeit auf andere Lebensmittel, etwa auf Kartoffeln statt Nudeln, auszuweichen oder auf andere Geschäfte bzw. Einkaufsmöglichkeiten als die gewohnten zurückzugreifen.

Wenn im Einzelfall das ein oder andere Produkt mehr kosten solle als üblich, lägen diese in einem Bereich von wenigen Euro. Dies ist vom Leistungsberechtigten im Rahmen der pauschalen Betrachtung des Regelbedarfs hinzunehmen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass viele im Regelbedarf enthalten Kosten aktuell nicht oder nur eingeschränkt anfallen könnten (41,43 € für Freizeit, Unterhaltung, Kultur, 35,99 € für Verkehr, 10,76 € für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen).

Seife kostet nicht mehr als sonst und Schutzkleidung gibt es ohnehin nicht

Es bestünde auch kein unabweisbarer bedarf für Hygiene (Seife, Reinigungs-, Desinfektionsmittel) sowie auf Schutzmasken und Schutzkleidung. Zwar werde angesichts der Corona-Pandemie allgemein empfohlen, Abstand von anderen Personen zu halten, Berührungen zu vermeiden, bestimmte Regeln beim Husten und Nießen einzuhalten und sich regelmäßig die Hände zu waschen. Die Aufwendungen für Seife und vergleichbare Reinigungsmittel sind jedoch im Regelbedarf enthalten (34,26 € für andere Waren und Dienstleistungen, 16,42 € für Gesundheitspflege im Einpersonenhaushalt).

Schutzmasken, die ihren Träger wirksam vor Corona-Viren schützen (sog. FFP3-Masken), oder gar spezielle Schutzkleidung seien derzeit im allgemeinen Handel ohnehin kaum erhältlich. Ihr Einsatz durch Personen, die nicht in Arztpraxen oder Krankenhäusern tätig seien, fände sich derzeit in keiner der zahlreichen Empfehlungen, die von Seiten der maßgeblichen öffentlichen Stellen an die Bürger gegeben würden.

Das Sozialgericht Konstanz war also davon überzeugt, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II keine Mehrkosten hätten, die sie nicht aus ihrer Regelleistung würden zahlen können.
 
Hier geht es zur Entscheidung des Sozialgerichts Konstanz