Das Grundgesetz garantiert ein menschenwürdiges Existenzminimum. Der Gesetzgeber muss einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz der Menschen in unserem Land sichern. Der Mensch hat gemäß unserer Verfassung Würde, die niemand antasten darf, auch der Staat selbst nicht. Diese Würde geht nicht einmal bei Menschen verloren, die sich selbst unwürdig verhalten.
Bundesverfassungsgericht: Sanktionen unterliegen strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit
Auf diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Urteil vom November 2019 über Sanktionen bei Empfängern von Hartz-IV-Leistungen entschieden. Werde eine Mitwirkungspflicht ohne wichtigen Grund nicht erfüllt und sanktioniere der Gesetzgeber das durch den vorübergehenden Entzug existenzsichernder Leistungen, schaffe er eine außerordentliche Belastung. Dies unterliege strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit.
Der ansonsten weite Einschätzungsspielraum zur Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit von Regelungen zur Ausgestaltung des Sozialstaates sei hier beschränkt. Der Gesetzgeber müsse daher die Sanktionen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende neu regeln.
Das Bürgergeld soll ab 2023 die Mitwirkungspflichten und die Folgen der Verstöße dagegen neu regeln
Laut Koalitionsvertrag der „Ampel“ wird die Bundesregierung die Mitwirkungspflichten spätestens bis Ende 2022 gesetzlich neu ordnen. Damit will sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2019 umsetzen. Das sogenannte Bürgergeld soll ab dem kommenden Jahr die Mitwirkungspflichten und die Folgen der Verstöße dagegen neu regeln. Wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktische Erfahrungen aus der Zeit der Pandemie können in die Konzeption des Bürgergeldes einfließen. Auch mit dem Bürgergeld sollen in einer Teilhabevereinbarung - bisher Eingliederungsvereinbarung - Mitwirkungspflichten vereinbart werden.
Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, das sogenannte "Sanktionsmoratorium", beschlossen. Nach dem Entwurf werden die Sanktionen wegen Pflichtverletzungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende bis zum 31. Dezember 2022 ausgesetzt. Daher können bis dahin keine Sanktionen bei Pflichtverletzungen verhängt werden. Wer ohne wichtigen Grund nicht zu vereinbarten Terminen im Jobcenter erscheint, muss − wie bisher auch − weiterhin mit leistungsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Hier geht es zum Gesetzentwurf der Bundesregierung: PDF
Hier geht es zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 2019: PDF