Das Gewerkschaftliche Centrum für Revision und Europäisches Recht vom DGB Rechtsschutz war erneut vor dem Bundessozialgericht erfolgreich.
Das Gewerkschaftliche Centrum für Revision und Europäisches Recht vom DGB Rechtsschutz war erneut vor dem Bundessozialgericht erfolgreich.


Sind Arbeitnehmer*innen für längere, nicht absehbare Zeit arbeitsunfähig krank, erhalten sie unter gewissen weiteren Voraussetzungen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Diese wird in aller Regel für einen befristeten Zeitraum von maximal drei Jahren gewährt.
 

Wenn der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt mit Arbeitslosigkeit beginnt

 
Hat sich in dieser Zeit der Gesundheitszustand gebessert, kann der Arbeitnehmer auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Oft fällt dieser Wiedereinstieg allerdings schwer, sodass die Rückkehr mit Arbeitslosigkeit beginnt.
 
Um insoweit auch Arbeitslosengeld bekommen zu können, muss in den letzten 24 Monaten eine Zeit versicherungspflichtige Zeit von mindestens 12 Monaten zurückgelegt worden sein. Das ist beim Bezug einer Erwerbsminderungsrente problematisch, da diese Zeit nicht per se als versicherungspflichtige Zeit gilt.
 

Uneinigkeit in der Rechtsprechung beim Begriff „unmittelbar“

 
Häufig waren die ehemaligen Bezieher einer Erwerbsminderungsrente vor dem Rentenbezug aber für kurze Zeit arbeitslos. Diesbezüglich bestimmt eine Regelung im Arbeitsförderungsrecht (§ 26 Abs. 2 Nr. 3 SGB III), dass der Bezug einer Erwerbsminderungsrente dann versicherungspflichtig ist, wenn „unmittelbar“ vor Rentenbeginn Arbeitslosengeld bezogen worden war.
 
Darüber was unter dem Begriff „unmittelbar“ zu verstehen ist, bestand in der Rechtsprechung verschiedener (Landes-)Sozialgerichte seit längerem Uneinigkeit. Überwiegend wurde die Auffassung vertreten, dass ein längerer Zeitraum als ein Monat nicht mehr unmittelbar sein könnte.
 

Klägerin hat Lücke von zwei Monaten zwischen Arbeitslosengeld und Rente

 
In dem nun vom BSG entschiedenen Fall hatte die Klägerin bis zum 8.3.2012 Arbeitslosengeld bezogen. Da der Rentenversicherungsträger die verminderte Erwerbsfähigkeit  - und damit den Beginn der Rentenzahlung  - erst zum 01.05.2012 festgellte hatte, entstand eine Lücke von fast zwei Monaten. 
 
Auf diese Lücke bis zum Beginn der Erwerbsminderungsrente am 01.5.2012 hatte die Klägerin keinen Einfluss, da es von der Verwaltungspraxis des Rentenversicherers abhängt, ob dieser schnell über einen Rentenantrag entscheidet oder sich Zeit lässt.
 

Arbeitsagentur lehnt Anspruch auf Arbeitslosengeld mangels „Unmittelbarkeit“ ab

 
Nachdem die Klägerin bis zum 31.12.2013 eine Erwerbsminderungsrente bezogen hatte, besserte sich ihr Befinden erfreulicher Wiese so sehr, dass sie wieder erwerbsfähig war. Da sie aber nicht sofort eine Stelle fand, beantragte sie Arbeitslosengeld.
 
Die Arbeitsagentur gewährte aber nur einen Restanspruch von wenigen Tagen Dauer aus der Zeit vor der Rente. Vor einen gänzlich neuen Arbeitslosengeldanspruch für die Dauer von 12 Monaten, fehle es an der Versicherungspflichtzeit von ebenfalls 12 Monaten innerhalb der letzten zwei Jahre. Dies begründete die Arbeitsagentur damit, dass zwischen dem Beginn der Erwerbsminderungsrente (01.05.2012) und dem letzten Arbeitslosengeldbezug (bis zum 08.03.2012) keine zeitliche Unmittelbarkeit mehr bestehe.
 

Klägerin unterlag in den ersten beiden Instanzen

 
Hiergegen klagte die Klägerin vor dem Sozial- und dem Landessozialgericht. Beide Gerichte wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass die besagte zeitliche Lücke zu lang wäre, um noch von Unmittelbarkeit ausgehen zu können.
 
Das BSG entschied nun anders: Trotz des Zeitraums von 43 Tagen zwischen dem Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld und dem Beginn der Rente wegen voller Erwerbsminderung sei hier noch von einem unmittelbar vorhergehenden Leistungsbezug im Sinne des § 26 Abs. 2 SGB III auszugehen.
 

BSG bejaht „Unmittelbarkeit“ trotz Unterbrechung von mehr als einem Monat

 
Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung würden es nicht ausschließen, bei einzelnen Tatbeständen trotz Unterbrechungszeiträumen von mehr als einem Monat eine Versicherungszeit anzuerkennen. Der Schutzzweck der jeweiligen Regelung erfordere jeweils die Prüfung, welche besonderen Umständen zur Unterbrechung geführt haben.
 
Das Landessozialgericht hatte seine Entscheidung unter anderem damit begründet, dass in der Rechtsprechung des BSG geklärt sei, dass ein „unmittelbarer“ zeitlicher Zusammenhang im Rahmen der verwandten Regelung des § 28 a SGB III nur bei einem Zeitraum von bis zu einem Monat anzunehmen sei. Zwar trifft das zu, jedoch argumentierten die Richter des BSG, dass hier eine funktionsdifferente Betrachtung vorzunehmen sei. So soll § 28 a SGB III in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Weiterversicherung für Selbstständige ermöglichen, während hier regelmäßig die Rückkehr ins Erwerbsleben erleichtert werden soll.
 
„Da Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet werden und deshalb nicht vor Beginn des siebten Monats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit einsetzen würden, könnten immer dann Lücken von mehr als einem Monat zwischen dem Ende des Arbeitslosengeldbezugs und dem Beginn der Erwerbsminderungsrente auftreten, wenn die Feststellung der Erwerbsminderung durch den Rentenversicherungsträger frühzeitig erfolge“ begründete das BSG seine Entscheidung.
 

Rechtsprechung durch Gesetzesänderung (Flexirentengesetz) “überholt“

 
Zwischenzeitlich hat aber der Gesetzgeber selbst für Abhilfe gesorgt. Mit dem Flexirentengesetz wurde quasi unbemerkt und nebenbei ein neuer § 101 Abs. 1 a SGB VI (Rentenrecht) geschaffen.
Nach dieser Regelung werden befristete Erwerbsminderungsrente schon vor Ablauf des siebten Monats nach Eintritt der Erwerbsminderung geleistet, wenn durch die Feststellung der Erwerbsminderung der Arbeitslosengeldanspruch wegfallen und so eine Lücke entstehen würde.
 
Damit sind Konstellation wie die der Klägerin vor dem BSG in Zukunft nicht mehr denkbar. Die Entscheidung des BSG bleibt daher zwar begrüßenswert, hat aber trotz ihrer Aktualität nur noch geringe praktische Relevanz.