BSG: Jobcenter muss Kosten für Schulbücher übernehmen. Copyright by lassedesignen/Fotolia
BSG: Jobcenter muss Kosten für Schulbücher übernehmen. Copyright by lassedesignen/Fotolia

Mit Urteilen vom 8. Mai 2019 kam das Bundessozialgericht (BSG) zu dem Ergebnis, dass die Kosten für Schulbücher vom Jobcenter als Härtefall-Mehrbedarf zu übernehmen sind. Dies gelte, so das BSG, wenn Schüler*innen mangels Lernmittelfreiheit ihre Schulbücher selbst kaufen müssen.
 

Bei fehlender Lernmittelfreiheit keine Abdeckung der Kosten durch den Regelbedarf

Die Kosten für Schulbücher seien zwar dem Grunde nach vom Regelbedarf erfasst. Dies gelte aber nicht, wenn keine Lernmittelfreiheit bestehe, so die BSG-Richter*innen. Denn der Regelbedarf werde durch eine bundesweite Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelt. Ihr Ergebnis für Schulbücher sei nicht auf Schüler*innen übertragbar, für die anders als in den meisten Bundesländern keine Lernmittelfreiheit in der Oberstufe gelte. 

Härtefall-Mehrbedarf

Der Gesetzgeber habe dem Mehrbedarf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zugrunde gelegt. Darin gehe es um das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Dies folge aus dem Sozialstaatsprinzip.
Mehrfach habe das BVerfG entschieden, dass der Härtefall-Mehrbedarf in den Situationen zum Tragen kommen soll, in denen sich der Regelbedarf als unzureichend erweist. Nichts anderes folge aus der Kultushoheit der Länder, so das BSG. Denkbare Konflikte zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung der Schulbildung dürften nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht auf dem Rücken der Schüler*innen ausgetragen werden
 

Gewährung eines Darlehens scheidet aus

Auch scheide die Gewährung eines Darlehens aus. Denn dieses, so das BSG, setze einen Bedarf voraus, den der Regelbedarf umfasse. Dies aber sei bei fehlender Lernmittelfreiheit gerade nicht der Fall.
Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 8. Mai 2019
Für Interessierte: Beiträge zum Thema „Kostenübernahme für Schulbücher:
Jobcenter muss Kosten für Schulbücher voll bezahlen
Jobcenter muss Schulbücher bezahlen

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts sind begrüßenswert.

Gerichte der Tatsacheninstanzen hatten in der Vergangenheit auch schon vereinzelt im Sinne der Urteile des BSG entschieden. Durch die jetzigen Entscheidungen dürfte für die Jobcenter und die Gerichte der I. und II. Instanz Klarheit darüber bestehen, wie sie zukünftig in vergleichbaren Fällen zu entscheiden haben.

Rechtliche Grundlagen

§§ 21 Abs.6, 24 Abs. 1 SGB II, Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG

§ 21 Absatz 6 Sozialgesetzbuch II - Mehrbedarfe -

6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

§ 24 Absatz 1 Sozialgesetzbuch II - Abweichende Erbringung von Leistungen -

(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.


Artikel 1 Abs.1 Grundgesetz

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.