Jobcenter muss unter Umständen Möbellagerkosten eines Wohnungslosen übernehmen.
Jobcenter muss unter Umständen Möbellagerkosten eines Wohnungslosen übernehmen.

In seinem Urteil vom Urteil vom 17.03.2016 kam die 15. Kammer des Sozialgerichts Mainz zu dem Ergebnis, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Wohnungsloser einen Anspruch auf die Übernahme von Einlagerungskosten gegenüber dem Jobcenter haben kann.

Jobcenter lehnt Übernahme von Einlagerungskosten ab

Der Kläger, der seine Wohnung verloren hatte, lagerte er ab September 2012 seine Möbel und persönlichen Gegenstände ein. Die monatliche Miete belief sich auf 223,72 Euro. Im April 2014 beantragte er bei dem Mainzer Jobcenter die Übernahme der monatlich anfallenden Einlagerungskosten. 

Das Jobcenter lehnte die Übernahme der Miete für die Einlagerung als sogenannte Kosten der Unterkunft und Heizung ab. Begründet wurde dies damit, dass es in der Rechtsprechung zwar anerkannt sei, dass ausnahmsweise Kosten für zusätzlichen Lagerraum übernommen werden können, wenn eine Wohnung so klein ist, dass weiterer Lagerraum  für eine angemessene Unterbringung persönlicher Gegenstände erforderlich ist. 

Der Kläger habe jedoch überhaupt keine Wohnung und brauche den Lagerraum nicht zusätzlich. Ein Lagerraum sei jedoch keine Unterkunft im Sinne des Gesetzes.

Kläger beruft sich auf die Sondersituation Obdachlosigkeit

Gegen die Entscheidung des Jobcenters erhob der Kläger Klage. Er machte unter anderem geltend, dass bei ihm der Sonderfall vorliege, dass nur die Lagerkosten und keine Kosten für eine Wohnung anfielen, da er obdachlos sei. Im Übrigen habe er auch besondere Schwierigkeiten eine neue Wohnung zu finden.

Sozialgericht: Grundsätzlich können  außergewöhnliche Lebenssituationen besondere Bedarfe begründen, aber…..

Das Sozialgericht wies die Klage im Ergebnis ab. Zur Begründung führten die Richter*innen des Sozialgerichts Mainz aus, dass dem Jobcenter zwar zuzustimmen sei, dass durch die Übernahme der Einlagerungskosten unter keinem Gesichtspunkt das Grundbedürfnis des Klägers auf eine angemessene Unterkunft befriedigt werden könne. 

Auch seien Kosten für Möbel und deren Instandhaltung an sich in der Regelleistung als Bedarf enthalten. Mittlerweile jedoch erkenne das Gesetz aber an, dass es Lebenssituationen gebe, in denen nicht nur einmalig, sondern laufend besondere Bedarfe entstehen, die zum Beispiel durch ein Ansparen nicht mehr aufgefangen werden können. 

In diesem Fall müsse das Jobcenter zusätzliche Leistungen gewähren. Dies gelte grundsätzlich auch für die hier streitigen Lagerungskosten. Ein solcher Mehrbedarf bestehe aber nur, wenn der Bedarf nicht auf andere Weise gedeckt werden könne, etwa durch Zuwendungen Dritter oder die Ausschöpfung von Einsparmöglichkeiten.

Kein Anspruch auf Übernahme der Lagerkosten im vorliegenden Fall – Mehrbedarf erschien dem Gericht zweifelhaft -

Nach den Erkenntnissen des Gerichts bestanden im konkreten Fall Zweifel daran, dass der Kläger tatsächlich monatlich die Miete in Höhe von 223,72 Euro schuldete. Auch habe er durch den Verkauf von Möbeln einen Teil der Schulden tilgen können. 

Zumutbar und möglich wäre es dem Kläger auch gewesen, weitere Möbel, wie zum Beispiel eine nach eigenen Angaben hochwertige Küche, zu verkaufen. Auf diesem Weg wäre die Miete für die Einlagerung zu bestreiten und zu minimieren gewesen. Daher könne letztlich keine Übernahme der Lagerkosten erfolgen.

Anmerkung:

Dem Gesetz Genüge getan?

Es mag zutreffend sein, dass durch die Übernahme der Einlagerungskosten unter keinem Gesichtspunkt das Grundbedürfnis des Klägers auf eine angemessene Unterkunft befriedigt werden könne, dem Gesetz Genüge getan wurde. 

„Im Namen des Volkes“: Obdachlose brauchen keine Möbel mehr?

Andererseits ist es nur schwer nachvollziehbar, dass einem Obdachlosen, der besondere Schwierigkeiten hat, eine neue Wohnung zu finden, die vorübergehende Übernahme der Einlagerungskosten für seinen Hausstand verweigert wird. 

Es wird sogar für zumutbar gehalten, dass er durch den Verkauf seiner Möbel einen Teil seiner Schulden tilgt. Im Ergebnis kann und wird dies wohl auch dazu führen, dass der Obdachlose keine Chance mehr hat der Obdachlosigkeit zu entfliehen. Seine Möbel, die der Grundstock für eine neue Wohnung wären, sollen nach der Entscheidung der Mainzer Sozialrichter*innen zur Schuldentilgung genutzt werden. Im Klartext heißt dies, dass es dem Obdachlosen verwehrt wird, wieder ein geregeltes Leben führen zu können. 

Auch das Jobcenter hätte mit etwas gutem Willen abhelfen können. Immerhin verweist es auf die Rechtsprechung, wonach Kosten für zusätzlichen Lagerraum übernommen werden können, wenn eine Wohnung so klein ist, dass weiterer Lagerraum er für eine angemessene Unterbringung persönlicher Gegenstände erforderlich ist. Wenn zusätzlicher Lagerraum bei einer zu kleinen Wohnung übernommen wird, dann müsste er doch erst Recht übernommen werden, wenn der Antragsteller überhaupt keine Wohnung hat, denn dann hat er ja überhaupt keinen Platz für seine persönlichen Gegenstände.

Von Amts wegen zu erforschenden Sachverhalt tatsächlich erforscht?

Wenn die Abweisung der Klage auch damit begründet wird, dass Zweifel daran bestünden, dass der Kläger tatsächlich monatlich die Miete in Höhe von 223,72 Euro schuldete, so wirft sich hier die Frage auf, ob, und wenn ja, in welchem Umfang, die zur Entscheidung berufenen Richter*innen den gem. § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Amts wegen zu erforschenden Sachverhalt tatsächlich erforscht haben?

Im Rahmen einer entsprechenden Erforschung des Sachverhalts, sollte es doch möglich sein bestehende Zweifel im Hinblick darauf, ob der Kläger tatsächlich Mietschulden in der von ihm behaupteten Höhe hatte oder nicht, auszuräumen. Entweder zeitigt eine solche Sachverhaltserforschung, dass keine Mietschulden bestehen, oder aber, dass solche tatsächlich gegeben sind. Für Zweifel ist bei diesen beiden Möglichkeiten kein Raum.  

Insgesamt entsteht der Eindruck, dass sowohl Gesetzgeber, als auch Sozialbehörde und Gericht verkennen, dass Obdachlosigkeit ihrer Natur nach nicht zwingend dauerhaft ist und sein sollte. Ein dynamischer Ansatz, der es einem obdachlos gewordenen Menschen ermöglicht, wieder zu einem geregelten Leben zurückzukehren, ist nicht erkennbar. Solange dies so ist, droht der Weg in die Obdachlosigkeit eine Einbahnstraße zu bleiben.

Hier zur Pressemitteilung des Sozialgericht Mainz zum Urteil vom 17.03.2016; Aktenzeichen S 15 AS 708/14:

Rechtliche Grundlagen

§ 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

§ 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.