Wenn Hilfebedürftige Versicherungen abgeschlossen haben, werden die auf Hartz IV Leistungen anrechenbaren Einkünfte um monatlich 30 Euro gemindert. Voraussetzung hierfür: Die Versicherung muss „nach Grund und Höhe angemessen sein“.


Versicherungspauschale gilt auch für Schülerzusatzversicherung


Wenn Kinder eigene Versicherungen haben, die deren Risiken abdecken, was bei einer Schülerzusatzversicherung unzweifelhaft der Fall ist, so ist nach der Arbeitslosengeld II Verordnung, die auch für Kinder gilt, die pauschale Minderung des Einkommens um 30 Euro monatlich vorzunehmen.


Für die Schulkinder in Baden-Württemberg besteht die Möglichkeit, über ihre Schule eine „Schülerversicherung“ für 1 Euro pro Schulungsjahr abzuschließen. Diese Versicherung bietet eine Haftpflicht und einen über die gesetzliche Unfallversicherung hinausgehenden Unfallschutz. Versichert sind somit zum Beispiel auch Versicherungsfälle, die sich in den Mittagspausen oder Freistunden ereignen.


In dem vom Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschiedenen Fall hatte eine alleinerziehende Mutter eine solche Schülerversicherung für ihre 16 jährige Tochter abgeschlossen. Das Kindergeld wurde der Tochter als Einkommen bei der Berechnung ihrer Hartz IV Leistungen angerechnet.


Mit ihrer Klage vertrat die Tochter die Auffassung, dass die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro von dem vom Jobcenter errechneten Einkommen in Abzug zu bringen ist, da die Versicherung ihre eigene sei.



Jobcenter stellt sich stur und verweigert Berücksichtigung der Versicherungspauschale

Das Jobcenter verweigerte die Anerkennung der Versicherungspauschale. Überdies sei die Versicherung nicht notwendig und angemessen. Auch meinte man seitens des Jobcenters, ein krasses Missverhältnis zwischen dem Beitrag und der dadurch erreichten Vergünstigung von 30 Euro im Monat erkannt zu haben. Denn immerhin betrage der Versicherungsbeitrag, auf den Monat umgerechnet, nur acht Cent.



Stuttgarter LSG Baden-Württemberg gibt der Schülerin Recht und lässt Revision zu


Das LSG Stuttgart gab nun der Schülerin Recht und wies in seinen Entscheidungsgründen darauf hin, dass gerade wegen des geringen Beitrags die Schülerversicherung als angemessen gelten könne. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) eine reguläre Unfallversicherung als nicht üblich eingestuft, jedoch zugleich betont, dass eine Versicherung anzuerkennen ist, wenn sie auch von Menschen mit geringem Einkommen abgeschlossen wird. Eben dies, so das LSG, sei hier der Fall.


Des Weiteren und entscheidend, so der 13. Senat des LSG, bietet die Versicherung „einen selbstständigen, ausschließlich auf das Kind bezogenen Schutz“. Auch diese Voraussetzung sei erfüllt. Für nicht relevant hielten die LSG - Richter die Höhe des Beitrags für den pauschalierten Abzug. Denn als Voraussetzung für die Versicherungspauschale enthalte die Arbeitslosengeld II Verordnung keinen Mindestbetrag.


Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache hat das LSG gegen das am 20. Oktober 2015 veröffentlichte Urteil die Revision beim BSG zugelassen.


Anmerkung: Konsequente Entscheidung


Die vom LSG Baden-Württemberg getroffene Entscheidung zu Gunsten der klagenden Schülerin ist begrüßenswert. Wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, dass Hartz IV Empfänger beim Abschluss einer Versicherung, die dem Grund und der Höhe nach angemessen ist, eine monatliche Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro in Ansatz zu bringen, so ist es unmaßgeblich wie hoch der monatliche Versicherungsbeitrag tatsächlich ist. Dies haben die Richter*innen des LSG richtig gesehen und die gesetzlichen Vorgaben konsequent umgesetzt.


Das Jobcenter mag sich daran gestoßen haben, dass ein Betrag in Höhe von 0,08 € eine Pauschale in Höhe von 30 € auslöst. Zweck einer Pauschale ist aber gerade, dass eine Überprüfung der tatsächlichen Kosten eben nicht erfolgt. Die Argumente des Jobcenters gingen also am Kern der Sache vorbei. Aber mehr kann man wohl von einer Einrichtung nicht verlangen, die Pauschalen bislang nur einsetzt, um Kosten zu senken und die die tatsächlich anfallenden Kosten den Hilfebedürftigen aufbürdet. Erstaunlich aber wahr: manchmal geht eine Pauschal-Betrachtung auch zu Gunsten des Leistungsbeziehers!


Die Entscheidung des LSG gibt Anlass zu folgender Überlegung:


Bei Versicherungen, die dem Grund und der Höhe nach angemessen sind, dürfte es sich nach Auffassung des Autors zum Beispiel um Haftpflichtversicherungen handeln, die für recht günstige Jahresbeiträge abgeschlossen werden können. Hartz IV – Bezieher die eine Haftpflichtversicherung haben, oder mit dem Gedanken spielen eine solche abzuschließen, sollten daher die monatliche Versicherungspauschale geltend machen, da dadurch ihr Einkommen ein klein wenig erhöht werden kann. Beim Abschluss einer Haftpflichtversicherung in Höhe von 60 Euro jährlich, erhöht sich das Einkommen allmonatlich um 25 Euro.


Es bleibt nun abzuwarten, ob das BSG die Rechtsauffassung des LSG Baden-Württemberg bestätigt, wofür einiges spricht. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.

 

Link zu der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 20.Oktober 2015, Az.: L 13 AS 4522/13