Antrag auf Kostenübernahme für Privatschule erfolglos. © Adobe Stock - Von studio v-zwoelf
Antrag auf Kostenübernahme für Privatschule erfolglos. © Adobe Stock - Von studio v-zwoelf

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen - Bremen hatte über ein Eilverfahren einer selbständigen Kampfsportlehrerin, die ergänzende Grundsicherungsleistungen bezieht, zu entscheiden. Ihr ältester Sohn besuchte zunächst eine Waldorfschule. Als bei dem Kind psychische Probleme offenkundig wurden und es zu regelmäßigen körperlichen Auseinandersetzungen kam, wechselte der Junge nach einem Jahr in eine andere Privatschule.

Zunächst zahlte die Mutter das anfallende Schulgeld selbst. Da sie 2021 wegen der Corona-Pandemie ihre selbstständige Tätigkeit als Sportlehrerin aufgeben musste und das Schulgeld nicht mehr aufbringen konnte, beantragte sie die Übernahme beim Jobcenter (JC).

Keine Kostenübernahme durch das Jobcenter

Unter Hinweis darauf, dass öffentliche Regelschulen den Ausbildungsbedarf decken würden und eine Ausnahme nur bei schwerwiegenden persönlichen Gründen möglich sei, lehnte das JC die Übernahme der Kosten ab.

Nicht nachvollziehbar sei es, so das JC, warum der Junge nicht gleich auf eine öffentliche Schule gewechselt habe. Die Mutter des Kindes hielt einen Schulwechsel aus psychischen Gründen jedoch für unzumutbar. Da dort der Migranten- und Gewaltanteil überdurchschnittlich hoch sei, sei eine Anmeldung auf der Regelschule geradezu absurd.

LSG: Schulgeld kein unabweisbarer Mehrbedarf

Mit Beschluss vom 16. Februar 2022 wies das LSG die Beschwerde der Mutter gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Hildesheim vom 4. August 2021 zurück.

Durch diese Entscheidung bestätigte das Beschwerdegericht die Rechtsauffassung des JC. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei das Schulgeld kein unabweisbarer Mehrbedarf. Denn durch die gesetzliche Gewährleistung der Schulgeldfreiheit an öffentlichen Regelschulen entstehe kein Bedarf im Rahmen des notwendigen Lebensunterhalts. Umstände, die ausnahmsweise einen Anspruch begründen könnten, seien nicht ersichtlich.

Keine Glaubhaftmachung, nur Vermutungen lassen Antrag scheitern

Die Frau habe keine Gründe glaubhaft gemacht, aus denen ein Wechsel auf die Regelschule unzumutbar sei. Zu dem Argument des hohen Migranten- und Gewaltanteils habe sie keine konkreten Angaben gemacht. Ebenso wenig habe sie genaue Gründe dargelegt, weshalb ein Schulwechsel bei ihrem Sohn zu Depressionen führe und seine Entwicklung gefährde. Bloße Vermutungen in einem Eilverfahren würden nicht ausreichen.

Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des LSG:

Das sagen wir dazu:

Dem Beschluss des LSG ist zuzustimmen. Die Argumentation des Antragstellers bzw. seiner Mutter ist nicht nur ziemlich dünn, sondern auch mehr als problematisch. Geltend gemacht hatte er einen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs 6 SGB II. Ein solcher wird nach dieser Vorschrift anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

 

Im vorliegenden Fall spricht zunächst einmal der Umstand gegen einen „unabweisbaren Bedarf“ dass die staatlichen Schulen kostenfrei sind. Das ist nämlich eine konkrete Einsparmöglichkeit der Leistungsberechtigten. Der Antragsteller hätte nunmehr glaubhaft machen müssen, dass ihn die kostengünstigere Schule nicht zuzumuten ist. Vielmehr muss er im Eilverfahren das Gericht überzeugen, dass bei summarischer Prüfung mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass ein Wechsel zu einer kostenfreien öffentlichen Schule für ihn objektiv oder aus schwerwiegenden individuellen Gründen ausgeschlossen bzw. unzumutbar ist.

 

Das will die Mutter indes damit begründen, dass der Migrantenanteil und die Gewaltbereitschaft auf staatlichen Schulen groß seien. Mehr Vorurteil geht kaum. Es wird zum einen unterstellt, dass Schüler*innen an Regelschulen mehr zu Gewalt neigen als Schüler*innen an Privatschulen. Zum anderen wird auch noch gleichsam en passant ein Grund dafür geliefert: ein hoher Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund! Das hat die Schwelle zum Rassismus deutlich überschritten. 

 

Vorurteile stellen aber zum Glück kein Vorbringen dar, die ein Gericht beeindruckt. Dabei wäre im vorliegenden Fall ein unabweisbarer Bedarf sogar glaubhaft zu machen, wenn tatsächlich psychische Gründe gegen einen Schulwechsel sprächen. Insoweit reicht aber nicht ein abstrakt formulierter Befund des behandelnden Psychologen. Es hätte vielmehr konkret dargelegt werden müssen, was genau aus psychischer Sicht gegen den Schulwechsel spricht. Der Antragsteller ist an die Privatschule gewechselt, bevor seine Mutter bedürftig und von Transferleistungen abhängig geworden ist.

 

Der Antragsteller hätte etwa Unterrichtsmethoden und -inhalte an der Privatschule dem Curriculum der Regelschulen gegenüberstellen können, um etwa glaubhaft zu machen, dass er aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur an Regelschulen überfordert ist. Zu guter Letzt hat es der Prozessbevollmächtigte es noch versäumt, die Eilbedürftigkeit glaubhaft zu machen. Mit gewerkschaftlichem Rechtsschutz wäre das alles  nicht passiert!